65. Sudentendeutscher Tag 6./8. Juni

Politische Kontinuität

Am kommenden Wochenende wird die „Sudetendeutsche Landsmannschaft“ (SL) erneut die Anerkennung / Wiedergutmachung des ihr widerfahrenen Unrechts an- und einklagen. Sie wird wieder die Opfer zu Tätern machen und ihre historische und politische Verantwortung verleugnen.

Wer das Unrecht des Jahres 1945 anspricht, tut gut daran, das vorausgegangene Unrecht zu benennen. Wie wäre es mit 1938, als neben dem faschistischen Italien auch das demokratische Frankreich und Großbritannien den völkerrechtswidrigen Zugriff Hitlers auf das „Sudetenland“ im Vorhinein rechtfertigten und den Untergang der Tschechoslowakei – einer demokratischen Insel im faschistischen Mitteleuropa – vorbereiteten? Oder 1939: die Besetzung des „Protektorats“ beziehungsweise der „Resttschechei“ durch das NS-Regime? Schließlich führte das zu massenhaftem Unrecht und die bekannten barbarischen Maßnahmen zur vollständigen „Germanisierung“. 250.000 Opfer aus dem „Protektorat“ sprechen eine ebenso deutliche Sprache wie etliche Nazi-Massaker – das bekannteste in Lidice.

Doch man bleibt nicht bei der Beschwörung der „deutschen Vergangenheit“ stehen. Sondern empfiehlt sich auch in den aktuellen politischen Debatten als „Zukunftsträger“. So wird am Samstag den 7. Juni der „Sudetendeutsche Heimatrat“ in einen Vortrag „Die Bedeutung der Beneš-Dekrete heute“ in der Schwabenhalle (14:00 Uhr, Foyer Konferenzraum) wohl wieder die Tatsache wegdiskutieren wollen, dass diese Gesetze eben der nationale Ausdruck des internationalen von den Vertretern der Anti-Hitler-Koalition geschlossenen „Potsdamer Abkommens“ sind. Die 150 Beneš-Dekrete sind ein wesentliches Fundament des tschechischen Staates. Auf ihnen gründen sich weitere Rechtsakte bis hin zum heutigen Grenzverlauf der Tschechischen Republik. Maximal fünf Dekrete befassen sich mit der Enteignung und Umsiedelung der Sudetendeutschen. In ihnen sind ausdrücklich all jene Menschen ausgenommen, die sich im Widerstand für die Tschechoslowakei eingesetzt haben.

 Im Augsburger Messezentrum präsentiert der revanchistische „Witikobund am Samstag den 7. Juni (17:00 Uhr, TC Ebene 2, Raum 2.24B) den sexistischen Autor Akif Pirinçci („Deutschland von Sinnen: Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“) in einer Lesung mit anschließender Diskussion. Der „Witikobund“ zieht dabei eine Parallele zwischen Pirinçci und den sog. Vertriebenen: „Akif Pirinçci ist nach altrömischen Begriffen in Deutschland ein 'homo novus'. Dennoch setzt er sich für sein Land leidenschaftlicher ein, als viele Autochthone (...) 'Homines novi' waren 1946 auch die Vertriebenen. Auch deren Wertschätzung Deutschlands übersteigt noch heute die vieler Binnendeutscher.“

Akif Pirinçci war zuvor gleich zweimal zu Gast in Mittelfranken: Bei der ultrarechten Burschenschaft „Frankonia“ (17. Mai) und der umstrittenen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) (18. Mai) konnte er seine Hetztiraden gegen Homosexuelle, Frauen und Linke vortragen. Bei beiden Lesungen in Erlangen und Nürnberg gab es Gegenprotest.

Schon am Tag vorher verteilten Aktivisten der ultrarechten Erlanger Buschenschaft „Frankonia“ ihre Veranstaltungsflyer in den Räumen der „Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg“ (FAU). Selbst auf den Toiletten legten die Burschenschafter ihre Zettel aus, allerdings nicht unkommentiert: „Auch am stillen Uni-Örtchen keine Ruhe für links-grün versiffte Studenten!“

Die rechten Gäste durften bei der Frankonia-Veranstaltung natürlich nicht fehlen. Neben dem NPD-Landesgeschäftsführer Axel Michaelis (Wachenroth) waren auch weitere Aktivisten aus der extremen Rechten zu verorten. Der neonazistische Publizist Jürgen Schwab (Nürnberg) reiste mit dem bekannten Szeneanwalt Frank Miksch (Fürth) an. Scheinbar unbekannte Besucher mussten sich erst anmelden, dann erst wurde entschieden, ob diese der Lesung beiwohnen durften. Als Anwalt der Frankonia trat der Bubenreuther Jurist Stefan Böhmer auf, der von der Polizeieinsatzleitung forderte, er möge doch die Namen und Adressen von den anwesenden Journalisten bekommen.

Am Tag darauf lud der Nürnberger Kreisverband der rechtspopulistischen AfD zur Lesung mit Pirinçci in die Nürnberger Meistersingerhalle. Die Veranstaltung stand unter dem Motto: „Das ZDF zensiert, die AfD informiert“. Auch hier gab es im Vorfeld Protest. „Es ist eine Schande und kann nicht unkommentiert bleiben, wenn die Stadt Nürnberg es fördert, rassistisches und menschenverachtendes Gedankengut in der Bevölkerung zu verbreiten“, wurde Clara Weinberg, Sprecherin vom Antifaschistischen Aktionsbündnis (AAB) in einer Pressemeldung zitiert. Das Nürnberger Bündnis Nazistopp und die Schwulen- und Lesbenorganisation Fliederlich initiierten einen Gegenprotest. Die Nürnberger AfD mobilisierte erst sehr konspirativ zur Pirinçci-Lesung. Der Ort sollte erst nach Anmeldung bekannt gegeben werden.

Als die Veranstaltungsräumlichkeit durch das AAB und das Bündnis Nazistopp öffentlich gemacht wurde, warb die AfD mit eigenen Plakaten zur Veranstaltung. Ein Sitzplatz auf den „besten Plätzen“ kostete rund 50 Euro. Im Buch sprudelt es vor homophober Vulgärsprache und so zog sich auch der Abend hin. Laut den „Nürnberger Nachrichten“ sagte Pirinçci: „Es geht mir am Arsch vorbei, wenn man mich einen Nazi nennt, das ist mir scheißegal.“

Neben anderen Vertretern der CSU und der Berliner GroKo wird in Augsburg auch OB Gribl auftreten und ein Grußwort sprechen. Was immer er selbst oder andere auch sagen werden, eines wird es wohl nicht sein: Chauvinismus, Rassismus und somit Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

H.-J. Schraml, 01.06.2014

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