Ungleiche Partner

Dr. Mabanza berichtete im Grandhotel über die Economic Partnership Agreements (EPAs)

Seit die Verhandlungen bekannt sind, hat attac Augsburg diskutiert, welche Auswirkungen die großen Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) haben. Attac mobilisiert und organisiert darüber hinaus in Augsburg Veranstaltungen und Demonstrationen gegen diese sogenannten Freihandelsabkommen, die in ihrem Kern eher Abkommen zum Schutz von Investitionen vor ökologischen und sozialen Standards sind.

Weitgehend unbeachtet geblieben sind in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch die seit 2004 laufenden Verhandlungen über die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik). Um mehr Kenntnis über diese Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) bzw. Economic Partnership Agreement (EPA) zu gewinnen, lud attac in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung für den 1. Juni ins Grandhotel Cosmopolis als Referenten Dr. Boniface Mabanza ein. Er ist Literaturwissenschaftler, Philosoph und Theologe, stammt aus der DR Kongo und arbeitet seit 2008 bei der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) in Heidelberg.

Dr. Mabanza ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass diese „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ (EPAs) nicht auf Augenhöhe geschlossen werden und somit alles andere als faire Abkommen, sondern vielmehr die Fortsetzung der alten Kolonialpolitik mit wesentlich moderneren ökonomischen Mitteln sind.

Die EU-Kommission verhandelt im Auftrag der 28 EU-Mitgliedstaaten mit sechs AKP-Regionen nicht nur über den gegenseitigen Abbau von Zollschranken für Handelsgüter, sondern strebt eine umfassende Liberalisierung in allen Wirtschaftsbereichen an, einschließlich des Handels mit Dienstleistungen, des Investitionsschutzes, der Patent- und Wettbewerbsregeln sowie dem öffentlichen Beschaffungswesen.

Da die EU den Abbau von Export- und Importzöllen verlangt, entgehen den Staaten, die sich darauf einlassen, wichtige Zolleinnahmen. Die aber bräuchten diese Staaten, damit sie ihre Infrastruktur, ihr Gesundheitswesen, ihre sozialen Einrichtungen und ihr Bildungssystem ausbauen können.

Da in den AKP-Staaten die Industriesektoren sich erst im Aufbau befinden, sind sie der Konkurrenz aus der EU nicht gewachsen. Eine eigenständige Industrialisierung, die den Bedürfnissen der Menschen in den AKP-Staaten dient, wird durch die Unterordnung unter die Bedürfnisse der dominanten europäischen Ökonomien verhindert.

Aber auch der Austausch zwischen den Wirtschaften, die auf ähnlicher Entwicklungsstufe sind, wird durch die Einbindung in die Bedürfnisse der europäischen Ökonomien verhindert, weil die Entwicklungsländer um Investitionen europäischer Konzerne konkurrieren.Und so ist es auch kein Wunder, dass in den ehemals französischen Kolonien auch französische Konzerne dominieren, während in den ehemals englischen Kolonien englische Konzerne dominieren.

Ein enormes Problem ist der Verlust der „Ernährungssouveränität“. Die Länder, die sich Freihandel aufzwingen lassen, erleben einen landwirtschaftlichen Schock, da lokale Märkte und Produzenten mit den hoch subventionierten Billigimporten aus der Europäischen Union nicht konkurrieren können. Dr. Mabanza sprach in diesem Zusammenhang vom „Chicken-Wahn“, der zum Beispiel in Nigeria herrsche und den einheimischen Landwirten kaum eine Chance gebe.

Im Hotel Cosmopolis waren etwa 50 Personen, wohl eher das Stammpublikum von attac. Nach dem Vortrag wurde sachlich und engagiert diskutiert. Wohltuend war auch, dass aus dem Publikum mehr Fragen als eigene Statements kamen. Obwohl die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung Mitveranstalterin war, ließ sich vom Kreisvorstand der Partei Die Linke niemand blicken. Er hat leider nicht annähernd so große Fähigkeit zur Mobilisierung wie attac.

Europaabgeordnete der LINKEN für faire Handelsbeziehungen

Mehr Internationalismus täte der Augsburger Linken aber gut. Denn nicht nur die Veranstaltungen von attac, sondern auch die Forderungen der eigenen Europaabgeordneten werden hier kaum zur Kenntnis genommen. Die Positionen der linken Europaabgeordneten zu EPA bzw. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) entsprechen weitgehend auch denen, die Dr. Mabanza vortrug:

„Die Europaabgeordneten der LINKEN fordern faire, partnerschaftliche Handelsbeziehungen. Deshalb stehen sie an der Seite der Regierungen und der Zivilbevölkerung der Entwicklungsländer, die den Abschluss der geplanten WPA abgelehnt haben. Wir haben im Europäischen Parlament stets gegen die Ratifizierung dieser Abkommen gestimmt. In den Legislaturen 2004 - 2009 und 2009 - 2014 waren jeweils Abgeordnete der Linken die federführenden Berichterstatter für das WPA mit Ostafrika und haben mit mehreren Konferenzen und Seminaren in der Region zu Transparenz und öffentlicher Meinungsbildung und Beteiligung beigetragen. Die Zielstellung der gegenseitigen (reziproken) Marktöffnung in allen Wirtschaftsbereichen halten wir für falsch. Freihandelsbeziehungen können nur zwischen Partnern mit vergleichbarem wirtschaftlicher Entwicklungsniveau, ähnlichen sozialen Schutzstandards und entsprechenden technischen und administrativen Kapazitäten funktionieren. Davon sind die AKP-Staaten jedoch weit entfernt, ihre Wirtschaftskraft beispielsweise ist um das 31fache geringer als das der EU. Werden sie gezwungen, Zölle und andere Schutzmechanismen abzuschaffen, fehlen ihnen die Zolleinnahmen zur Finanzierung öffentlicher Daseinsvorsorge, Bildungssysteme, Infrastruktur und Wirtschaftsförderungsmaßnahmen. Billige Importe europäischer Massenprodukte und subventionierter Agrargüter zerstören die regionale Wirtschaft beziehungsweise verhindern deren Aufbau von Anfang an.“[1]

Wolfgang Walter

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1] „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) - DIE LINKE. Europa -“. DIE LINKE im Europaparlament, 13. Februar 2014. http://www.dielinke-europa.eu/article/9003.wirtschaftspartnerschaftsabkommen-epas.html.


   
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