Augsburg sicher für Menschen aus Afghanistan? Sicher nicht!

Deportationen nach Afghanistan haben begonnen - Augsburger abgeschoben - Aufruf zur Demo am Samstag

Eine Stellungnahme des Augsburger Flüchtlingsrats und Pressemitteilungen des Bayerischen Flüchtlingsrats

16.12.2016

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Am Samstag, den 17. Dezember, findet in Augsburg bereits die dritte Demonstration innerhalb von fünf Wochen gegen Abschiebungen nach Afghanistan statt. Sie werden von der Gruppe afghanischer Flüchtlinge Gemeinschaft Abschiebungen nach Afghanistan sind tödlich – Stop Deportations organisiert, die inzwischen auch mit dem Augsburger Flüchtlingsrat kooperiert. Alle Fotos in diesem Artikel stammen von der ersten Demonstration der Gemeinschaft am 12. November. Im Folgenden bringen wir eine Stellungnahme des Augsburger Flüchtlingsrats und die letzten drei Pressemitteilungen des Bayerischen Flüchtlingsrats. Diese Texte sprechen für sich.

Anzumerken wäre der zynische Beifall Horst Seehofers zur ersten Abschiebewelle von fünfzig Afghanen in Frankfurt: „Ich hoffe, dass es keine einmalige Aktion ist. Wir haben einige hunderttausend, die zurückgeführt werden müssten. Nur dass man die Größenordnung kennt und den Auftrag, mit dieser Politik fortzufahren.“[1] Gleichzeitig berichtet der Bayerische Rundfunk von „Massive[r] Empörung über Abschiebungen“. Bedenken und Ablehnung der brutalen Abschiebepolitik scheint es bis in einzelne Landesregierungen hinein zu geben: „Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks beteiligen sich wohl unter anderem die Bundesländer Bayern und Hamburg an dem nun stattfindenden Sammelcharter; Geflüchtete aus den Bundesländern Brandenburg, Bremen, Berlin, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Schleswig-Holstein sollen nicht dabei sein, wohl weil es in diesen Ländern politische Bedenken gibt.“[2]

Die Lage verschärft sich täglich. Die Bundesregierung und ausländerfeindliche Kreise scheinen aufs Ganze gehen zu wollen. Während die militärische Besetzung und Unterwerfung Afghanistans fortgesetzt wird, sollen mögliche Zeugen dieser hemmungslosen Politik außer Landes gejagt werden. Die Opposition gegen eine immer offenere militaristische und rassistische Politik und die Solidarisierung mit den Flüchtlingen scheint ebenfalls zuzunehmen. Das große Fronttransparent Friedensstadt Augsburg steh auf! sollte doch Anlass sein, dass sich außer Otto Hutter von der Linken vielleicht auch mal andere StadträtInnen beteiligen. – pef

 

Eine Stellungnahme des Augsburger Flüchtlingsrats: Deportationen nach Afghanistan haben begonnen - Augsburger abgeschoben - Aufruf zur Demo am Samstag

16.12.2016

Dem Augsburger Flüchtlingsrat ist der Fall eines afghanischen Flüchtlings bekannt geworden, der die letzten fünf Jahren in Augsburg gelebt und gearbeitet hat. Obwohl er nachweisen konnte, dass er als Übersetzter für die US-Streitkräfte in Afghanistan tätig war, wurden seine Asylverfahren abgelehnt.

Fünf Jahre bemühte sich der 23-jährige Mann trotz aller Schwierigkeiten um Anschluss an die Gesellschaft. Er ist nie straffällig geworden und war in verschiedenen Berufen tätig. Ein Ausbildungsvertrag als Lebensmitteltechniker, den er mit Unterstützung der IHK erlangte, stand kurz vor der Unterzeichnung. Ein sicheres Leben in Deutschland schien greifbar nahe.

Zukunftspläne, die er nun begraben kann.

Am 14.10.2016 wurde er in den frühen Morgenstunden von der Polizei festgenommen, um einen Tag später um 6.30 Uhr in Kabul der Perspektivlosigkeit überlassen zu werden.

Seine Integrationsleistungen haben ihm nichts genützt. Als ehemalige Ortskraft für die US- Streitkräfte ist er tödlichen Gefahren ausgesetzt, und wird kaum in der Lage sein, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Die Deportationen nach Afghanistan, so zeigt dieses Beispiel, sind unmenschlich und durch nichts zu rechtfertigen. Die CSU und alle anderen BefürworterInnen bedienen damit den Rassismus von ganz rechts außen, entgegen jeglicher menschlicher und politischer Vernunft.

Durch nichts ist dieser lebensbedrohliche Eingriff in das Leben eines Menschen zu rechtfertigen. Und doch sind auch in Augsburg AfghanInnen durch willkürliche Politik diesen Unsicherheiten ausgesetzt.

Wir fordern, wie viele andere Akteure aus Kirchen und Zivilgesellschaft, einen sofortigen Stopp der Abschiebungen in Krieg und Perspektivlosigkeit.

Afghanistan ist kein sicheres Herkunftsland!

Der Augsburger Flüchtlingsrat ruft daher erneut auf, am kommenden Samstag ab 12 Uhr an der Demonstration der Gemeinschaft teilzunehmen, die sich für ein friedliches Miteinander und gegen Abschiebungen in Krieg und Perspektivlosigkeit ausspricht!

Es wird um 12 Uhr am Königsplatz losgehen und einen Rundgang durch die Augsburger Innenstadt mit Zwischenstopps geben. Setzen wir gemeinsam ein Zeichen!

http://augsburgerfluechtlingsrat.blogspot.de/

https://www.facebook.com/augsburgerfluechtlingsrat/

 

Pressemitteilung des Bayerischen Flüchtlingsrats

Skrupellose Abschiebungen

Bayerischer Flüchtlingsrat kritisiert die erste geplante Charterabschiebung nach Kabul

13.12.2016

Morgen, am 14.12., soll die erste Sammelabschiebung nach Afghanistan durchgeführt werden. Basierend auf dem Abkommen zwischen der EU und Kabul bzw. einem ergänzenden Deutsch-Afghanischen Rückübernahmeabkommen sollen morgen die ersten 50 abgelehnten Asylsuchenden vom Frankfurter Flughafen nach Afghanistan abgeschoben werden.

Mehrere Bundesländer haben schon erklärt, dass sie sich vorläufig nicht an Abschiebungen nach Afghanistan beteiligen wollen. Sie haben erst vom Bundesinnenminister eine neue Einschätzung der Sicherheitslage eingefordert. Bayern dagegen ist bei den Abschiebungen dabei. Mehrere Afghanen sind inzwischen in Abschiebehaft genommen worden und sollen morgen nach Frankfurt überstellt werden.

Auf dem Flug wahrscheinlich auch: Saleh Mohammad Z., afghanischer Staatsbürger. Herr Z. ist schon seit Jahren psychisch angeschlagen und auf regelmäßige Medikamente angewiesen. Sein Zustand verschlechterte sich in den letzten Wochen unter der Angst abgeschoben zu werden. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und wollte nach Frankreich flüchten, wurde jedoch vor der Grenze aufgegriffen und inhaftiert. In Haft unternahm Herr Z. einen Suizidversuch. Er wurde in die forensische Abteilung der Psychiatrie Calw überstellt wurde. Von der Haftanstalt Pforzheim wurde uns mitgeteilt, dass Herr Z. wahrscheinlich als haftunfähig beurteilt werden würde. Die Klinik bestätigte diese Aussage. Nach ihrer Einschätzung werde Herr Z. wohl gleich aus dem Krankenhaus nach Frankfurt zur Abschiebung gebracht.

Herr Z. war schon länger als fünf Jahre in Deutschland, hat regelmäßig gearbeitet, war im lokalen Volleyballklub aktiv und spricht gut Deutsch. Die Arbeit in der Bäckerei half ihm, sich auch psychisch zu stabilisieren. Die Bäckerei wollte ihm einen Lehrvertrag geben, die Ausbildungserlaubnis wurde jedoch von der Ausländerbehörde abgelehnt.

„Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert aufs Schärfste die auch von Bayern forcierten Abschiebungen“, stellt Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, fest. „Entgegen aller Fakten wird behauptet, dass Afghanistan irgendwo „sicher“ sei. Das ist politischer Zynismus. Ungeachtet dessen halten wir es für menschenverachtend, auch offenkundig kranke Personen abschieben zu wollen. Wir appellieren an Ministerpräsidenten Horst Seehofer, solchen Abschiebungsexzessen Einhalt zu gebieten.“

 

Pressemitteilung des Bayerischen Flüchtlingsrats

Abschiebung nach Kabul

Bayern schürt Panik bei Flüchtlingen aus Afghanistan

14.12.2016

Beim Bayerischen Flüchtlingsrat häufen sich die Meldungen, dass Afghanen, auch solche, die aktuell nicht von Abschiebungen betroffen sein können, zunehmend panisch auf den erzeugten Druck reagieren. Eine Reihe von abgelehnten afghanischen Flüchtlingen sind untergetaucht, andere sind nach Suizidversuchen in der Psychiatrie.

So auch Kefayat N., den die Polizei heute Nacht gegen drei Uhr in seiner Unterkunft in Dingolfing festnehmen wollte. Er flüchtete durch einen Sprung aus dem Fenster und wurde verletzt ins Donau-Isar-Klinikum Dingolfing eingeliefert. Ein Suizidversuch allein bringt aber das bayerische Innenministerium noch nicht dazu, die Abschiebung vorläufig auszusetzen. So ist Saleh Z., der in einer Psychiatrie in Calw behandelt wird, weiterhin auf den Abschiebeflug heute Abend nach Kabul „gebucht“.

„Der Bayerische Flüchtlingsrat ist entsetzt über die Art und Weise, wie hier Abschiebungen mit aller Macht durchgesetzt werden sollen“, kritisiert Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Angesichts dieser menschenverachtenden Behördenpraxis stellt sich die Frage, wo die Grenzen der Menschlichkeit und des Anstands beim Bayerischen Innenministerium liegen. Kurz vor Weihnachten treibt die bayerische Regierung junge Menschen in den Suizid oder in die Illegalität. Das widerspricht jeder Vernunft, von christlichen oder sozialen Grundsätzen ganz abgesehen.“

 

Pressemitteilung des Bayerischen Flüchtlingsrats

Abschiebungen nach Kabul

Das perfide Spiel mit Menschenleben

15.12.2016

Gestern startete der erste Sammelcharter vom Frankfurter Flughafen aus nach Afghanistan. Hier eine erste Bilanz des Bayerischen Flüchtlingsrats:

Von elf dem Bayerischen Flüchtlingsrat bekannt gewordenen Fällen wurden wahrscheinlich vier Personen gestern Nacht abgeschoben. Ein Flüchtling aus Dingolfing versuchte sich der Abschiebung durch einen Sprung aus dem Fenster zu entziehen. Nach dem Sturz aus etwa fünf Meter Höhe wurde er mit Verdacht auf innere Verletzungen in die Psychiatrie Dingolfing eingeliefert. Von dort floh er am Nachmittag und irrte bis spät in der Nacht umher. Ein Afghane mit Hepatitis B wurde aus unbekannten Gründen von der „Schubliste“ gestrichen, eine Person wurde von der Polizei nicht angetroffen, eine Person wurde ins Kirchenasyl genommen. Ein Flüchtling wurde aus der Psychiatrie nach Frankfurt gebracht, kam dort gefesselt an, weil er auf dem Transport noch mal versucht hatte, sich selbst zu verletzen. In letzter Minute stoppte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seine Abschiebung, ebenso wie im Falle eines anderen Afghanen. Die Abschiebung eines weiteren Afghanen wurde durch eine Eilentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gestoppt. Sieben von 15 aus Bayern gemeldeten Passagieren der Abschiebecharter sind somit nicht an Bord gewesen.

„Nach allem, was wir unabhängigen Quellen entnehmen können, ist die Aussage, es gebe „sichere“ Gebiete in Afghanistan, wo die Abgeschobenen leben können, eine politische Willensbekundung, die den Tatsachen nicht standhält,“ stellt Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, fest. „Bei den Fällen in Bayern handelt es sich teils um Flüchtlingen, die fünf oder sechs Jahre hier sind, die in festen Arbeitsverhältnissen stehen und gut integriert sind. Abgeschoben werden sollte zum Beispiel der Angestellte einer Allgäuer Bäckerei, für dessen Bleiberecht sich die ganze Firma eingesetzt hatte. Abgeschoben wurde ein langjähriger Mitarbeiter der Landshuter Baufirma Monzel. Diese Menschen zwangsweise abzuschieben ist in unseren Augen politischer Unfug und menschlich nicht vertretbar.“

Alle Fotos stammen von der 2. Afghanistan-Demo in Augsburg am 12. November

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1] Sebastian Kraft, Bayerischer Rundfunk. „Horst Seehofer zu Afghanistan-Flüchtlingen: ‚Abschiebung keine einmalige Aktion‘“. br.de, 14. Dezember 2016. http://www.br.de/nachrichten/asyl-fluechtlinge-seehofer-100.html. (Fehler so auf der Seite des BR)

2] Janina Lückoff, Bayerischer Rundfunk. „Afghanistan-Flüchtlinge: Massive Empörung über Abschiebungen“, br.de, 14. Dezember 2016. http://www.br.de/nachrichten/fluechtlinge-afghanistan-rueckfuehrung-100.html.


   
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