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Vorsichtige Sondierung in der schwäbischen SPD zur GroKo-SondierungDie Vorsitzende der Schwaben-SPD Ulrike Bahr stimmt ihre Parteibasis auf das Votum des Sonderparteitags zu den Sondierungsgesprächen ein – von Erneuerung ist nicht die RedeUlrike Bahr, die Vorsitzende der Schwaben-SPD, bittet ihre Mitglieder und die Öffentlichkeit für den 24. Januar in die Neue Stadtbücherei. Dort soll über das Votum der Delegierten auf dem außerordentlichen Parteitag in Bonn (21. Januar) informiert und diskutiert werden – ein Votum zu den Sondierungsgesprächen, das insgesamt keineswegs einheitlich ausfiel und die Spaltung der SPD in der Frage, ob Regierungsbeteiligung oder Opposition, dokumentiert. Dramatisch soll die Einladung von Ulrike Bahr klingen, als ob es um Sein oder Nichtsein ginge. (siehe Anhänge) Denn „wir stehen vor einer historischen Entscheidung für die SPD als ältester Partei Deutschlands“, behauptet die schwäbische Vorsitzende. Ihre Argumente haben aber, womöglich aus taktischen Gründen, nicht die Parteientwicklung zum Thema, sondern sie kreisen fast ausschließlich um den BT-Wahlkampf, die Sondierungsgespräche mit den Unionsparteien und die Risiken von Koalitionsverhandlungen mit einer aggressiven CSU. Mit der Entscheidung über Regierungsbeteiligung oder Oppositionspolitik ist die Frage der programmatischen Erneuerung zwar verbunden, aber die schwäbische SPD-Vorsitzende spricht dieses heikle Thema in ihrem Brief an die Mitglieder nie direkt an. Denn SPD-Linke und Jusos kämpfen erbittert gegen eine weitere Regierungsbeteiligung, weil sie eine Erneuerung der Partei nur in der Opposition für möglich halten. Höhe-, Tief- und Wendepunkte der SPDVerdiente die Entscheidung über eine Regierungsbeteiligung das Prädikat historisch, müssten zumindest auch die historischen Höhe-, Wende- und Tiefpunkte der bundesdeutschen SPD-Geschichte zur Sprache kommen. Die fortschrittlichen Reformen und die keynesianische Wirtschaftspolitik in den zwölf Jahren der sozialliberalen Koalition (1970-1982) sind aber keine lebendige Vergangenheit mehr. Und an die mühseligen 16 Oppositionsjahre in der Ära Kohl (1982-1998) mag man gar nicht erinnern. Im kollektiven Bewusstsein der Partei bleibt die Oppositionsverachtung des damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering mit seinem Spruch hängen: „Opposition ist Mist“. Aber auch die neoliberalen Reformen der rot-grünen Regierung Schröder/Fischer (1998-2002), die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze sind zwar ein wichtiger Wendepunkt hin zum Niedergang der einstigen Volkspartei, aber die Erinnerung daran ist vielen Sozialdemokraten aus guten Gründen peinlich. Sogar manche Konkurrenten von der Linken wollen lieber einen gemeinsamen Ausstieg aus der Agendapolitik suchen, als der SPD gegenüber immer nur mit Schuldzuweisungen zu arbeiten. So sprach zumindest Türingens Ministerpräsident Bodo Ramelow am 10. Januar beim Neujahrsempfang der Augsburger Stadtbücherei. Bei dem SPD-Bundesparteitag wurde also nur darüber entschieden, ob das Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD für den Eintritt in Koalitionsverhandlungen ausreicht. Und nur zu dieser Frage argumentiert MdB Ulrike Bahr. Die Parteientwicklung der letzen GroKo-Jahre bleibt ausgeblendet. Dass sich die SPD im Sinkflug befindet und den Charakter einer Volkspartei verloren hat, wird nur einmal kurz angedeutet. Wenn angeblich gute Politik auf verständnislose Wähler stößt
Wie tief die Krise der SPD wirklich geht, kann man nicht ermessen, wenn man wie Ulrike Bahr nur die Wahlkämpfe, die Wahlparolen und die Wahlergebnisse im Auge behält. Die Vorsitzende der Schwaben-SPD will wohl ihre Basis vor allzu schmerzhaftem Krisenbewusstsein schützen, indem sie die Schuld am Wahldebakel der altehrwürdigen Volkspartei dem angeblich verständnislosen Wähler zuschiebt, da er die SPD in Sippenhaft mit CDU und CSU nimmt. Im Brief an die Mitglieder klingt das so: „Wir sind im Wahlkampf für ein sozial gerechtes, weltoffenes Deutschland angetreten, wollten eine echte Wende für mehr Verteilungsgerechtigkeit, mehr Zusammenhalt und mehr Solidarität erreichen, gerade im Unterschied zur CDU/CSU. Bei der Wahl wurde die Große Koalition abgewählt. Wir haben es nicht geschafft, unsere eigenen Positionen deutlich zu machen, sondern wurden mit der CDU/CSU in einen Topf geworfen.“ Umgekehrt wird aber auch ein Schuh daraus: Könnte es sein, dass die Stammwähler ebenso wie die potentiellen SPD-Wähler in den Wochen nach dem Schulz-Hype sehr wohl das Missverhältnis zwischen dem hohlen Gerechtigkeitspathos des Kanzlerkandidaten Martin Schulz und der zunmehmenden Prekarisierung ihrer Lebensverhältnisse durchschaut haben? Dass ein immer kleiner werdender Teil der Wählerschaft auf konkrete soziale Forderungen vergeblich gewartet und sich schließlich von der SPD abgewendet oder sogar nach rechts hingewendet hat? Risiken und Nebenwirkungen der Gespräche zur RegierungsbeteiligungAls Vorsitzende der Schwaben-SPD will oder kann Ulrike Bahr im Rundbrief an die Mitglieder sich nicht eindeutig gegen die Regierungsbeteiligung positionieren. Sie stellt statt dessen noch einmal die Vorgeschichte der Sondierungsgepräche und den politischen Rahmen möglicher Koalitionsverhandlungen dar, bevor sie auf Risiken und Nebenwirkungen einer neuen Großen Koalition eingeht. Mit diesen zumindest der Form nach neutralen Informationen sollen dann die Mitglieder der Schwaben-SPD eher die Mehrheits-Entscheidung der Delegierten des Parteitags akzeptieren können, egal wie sie ausfiel. (siehe Anhänge) Es ist allerdings unmöglich, auch den politischen Rahmen, in dem Entscheidungen gefällt werden, völlig neutral darzustellen. Denn die Fakten, die für den politischen Kontext heran gezogen werden, legen auch schon eine bestimmte Entscheidung nahe. Ulrike Bahr stellt unmissverständlich klar, dass substanzielle Nachbesserungen zu den Sondierungsgesprächen (siehe Anhänge) nicht mehr möglich sind. Kategorisch heißt es im Mitgliederbrief: „Alle Überlegungen und Vorstellungen, doch noch grundsätzliche Verbesserungen und Änderungen zu erreichen, sind angesichts der Haltung der CSU illusionär.“ Und die Konsequenz: „Wir müssen uns hier nichts vormachen, es geht hier nicht um den Aufbruch in eine neue Zeit mit Mut zur Erneuerung und Veränderung, sondern um ein „Weiter so“, eine Fortsetzung der bisherigen Koalition, um Stabilität und Handlungsfähigkeit der Regierung zu sichern. Die Schlussfolgerung aus diesen Sätzen wäre eigentlich eine Ablehnung der Großen Koalition. Aber das spricht die Vorsitzende nicht aus, sondern überlässt das den Leser*innen des Mitgliederbriefs. Auch der Hinweis auf die mangelnde Vertrauensbasis gegenüber der CSU bzw. die suggestive Frage, ob die notwendige Vertrauensbasis überhaupt vorhanden ist, legt die Ablehnung der Großen Koalition nahe, spricht aber nicht explizit dagegen. Gleiches gilt für die Behauptung in Frageform: „Kann die SPD in Zukunft überhaupt noch eine glaubwürdige Alternative für eine Politik jenseits von CDU/CSU sein, wenn sie in der Wahrnehmung der Bürger nur noch als Anhängsel von CDU/CSU firmiert bzw. damit in eins gesetzt wird? Als letzte Rahmenbedingung, die eine Ablehnung der Großen Koalition nahe legt, zieht Ulrike Bahr die angebliche Sehnsucht der Bürger nach klaren Alternative heran. Dieses Argument gegen die Fortsetzung der Großen Koalition bedient aber eher das Bedürfnis der Sozialdemokraten nach Orientierung. Denn Alternativen um der Demokratie willen gehören eher nicht zu den Sehnsüchten der Menschen, die sich an die Merkelsche Alternativlosigkeit schon längst gewöhnt haben. Die jungen Neumitglieder mögen idealistisch ihre „Hoffnung in eine SPD mit ihren Grundwerten einer offenen, sozial gerechten und zukunftsgewandten Gesellschaft“ setzen. Nicht aber die große Mehrheit der Wähler: Sie können von den hehren Grundwerten sich nur dann was runter beißen, wenn ihnen Solidarität und Gerechtigkeit in Form von konkretem Nutzen begegnen. Mehr verhaltene Kritik als Zustimmung zu den Ergebnissen der SondierungsgesprächeDem Brief an die Mitglieder ist ein Anhang beigefügt, in dem die wichtigsten Ergebnisse der Sondierungsgespräche zusammengefasst werden. Wie jede Zusammenfassung kann auch diese nicht neutral sein, weil das Wesentliche vom weniger Wichtigen unterschieden werden muss und diese Unterscheidung Interpretationssache ist.
Wolfgang Walter, 22. Januar 2018
Anhänge Nach den Sondierungsgesprächen – Meinungen/Einschätzungen gefragt, Ulrike Bahr an alle per Mail erreichbaren Mitglieder der SchwabenSPD http://www.forumaugsburg.de/s_1aktuelles/2018/01/23_schwaben-spd-sondiert-groko-mitgliederanschreiben-bahr.pdf Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD, finale Fassung, 15.1.2018 http://www.forumaugsburg.de/s_1aktuelles/2018/01/23_schwaben-spd-sondiert-groko-ergebnis-sondierungsgespraeche.pdf Zusammenfassung der Ergebnisse der Sondierungsgespräche, Anlage zum Schreiben von MdB Ulrike Bahr 15.01.2018 http://www.forumaugsburg.de/s_1aktuelles/2018/01/23_schwaben-spd-sondiert-groko-zusammenfassung-u-bahr.pdf
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