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Kulturbeirat der Stadt AugsburgFür die Nutzung der gesamten Halle 116 als Lern- und Gedenkortvon Peter Feininger Der Kulturbeirat der Stadt Augsburg befasste sich auf seiner öffentlichen Sitzung am 27. Februar unter Tagesordnungspunkt 1 ganze eineinhalb Stunden mit dem Thema Halle 116. Eine Arbeitsgruppe Halle 116, die bereits bei der vorigen Sitzung im Januar eingerichtet wurde, legte ein Papier vor mit der Kernaussage: „Die Arbeitsgruppe Halle 116 des Kulturbeirats der Stadt Augsburg spricht sich mehrheitlich für den Erhalt und Nutzung des gesamten Objekts H116 als Lern- u. Gedenkort im Sinne einer Gemeinbedarfsnutzung zum „kulturellen und sozialen Zwecke“ nach den BSV/15/03176 und BSV/16/01113 aus.“ In der Halle 116, Teil der ehemaligen NS-Luftnachrichtenkaserne im heutigen Sheridan-Park Pfersee, befand sich in den letzten beiden Kriegsjahren ein Außenlager des KZ-Dachau. Die Häftlinge wurden bei der Produktion von Kampfflugzeugen in den Messerschmitt-Werken in Haunstetten verheizt. Seit fast 20 Jahren setzen sich geschichtsbewusste Menschen und AntifaschistInnen für den Erhalt dieser Halle als KZ-Gedenkstätte, als „Denkort“ ein. Es ist sehr erfreulich, dass die Arbeitsgruppe des Kulturbeirats, in der immerhin fünf von zehn Beiratsmitgliedern vertreten sind, dieser Intention folgt, nämlich „Erhalt und Nutzung des gesamten Objekts H116 als Lern- u. Gedenkort“. Die Arbeitsgruppe Halle 116 des Kulturbeirats (im folgenden AG Halle 116) beruft sich auf eine „Gemeinbedarfsnutzung zum kulturellen und sozialen Zwecke“. Zur Erläuterung: Gemeinbedarfsfläche ist ein Begriff aus dem Bau- und Planungsrecht. Auf solchen Flächen dürfen nur Einrichtungen und Anlagen errichtet werden, die der Allgemeinheit dienen, beispielsweise Kindertagesstätten, Schulen, Kirchen, soziale oder kulturelle Gebäude und Einrichtungen. 1 Hier noch mal etwas ausführlicher eine Definition und Erläuterung von Gemeinbedarfsflächen:
Die AG Halle 116 tritt damit unmissverständlich einer gewerblichen Nutzung des Objekts Halle 116 entgegen, unter Berufung auf zwei Stadtratsbeschlüsse aus dem Jahr 2015 und 2016. Beim Architekturforum Augsburg e. V., Verein für Architektur, Stadtentwicklung und Denkmalpflege, findet sich eine knappe Darstellung dieser beiden Stadtratsbeschlüsse:
Die Veröffentlichung auf der Internetplattform der Stadt wurde inzwischen vollzogen – das kostet die Stadt ja nichts und war überfällig. 4 Die Übertragung des Gebäudes von der AGS auf die Stadt wurde natürlich nicht vollzogen und offensichtlich auch nicht vorbereitet. 5 Im Gegenteil:
Vor der Halle 116. Führung durch das Sheridan-Kasernengelände, Geschichtswerkstatt und Bürgeraktion Pfersee, 14.11.2010 Diese skandalöse Beschlussfassung widerspricht allen früheren Beschlüssen der Stadt zur Halle 116 und opfert die Halle weitgehend einem Investor, mit dem zum Beispiel der Kulturreferent Weitzel nach eigener Aussage schon seit einiger Zeit in Verbindung steht. Beim Stadtratsbeschluss vom 25. Oktober letzten Jahres gab es nur vier Gegenstimmen, die nach unseren Recherchen allesamt aus der Ausschussgemeinschaft FREIE WÄHLER/DIE LINKE/ÖDP/Polit-WG stammen. 7 Dass überhaupt etwa 20 Prozent der Halle im Gemeinbedarf blieben, ist nur einer Intervention der Bürgeraktion Pfersee und ihrem wachsamen Vorsitzenden Dietmar Egger zu verdanken. Die ursprüngliche Verwaltungsvorlage zum Bebauungsplan Nr. 288 B sah nämlich vor, das gesamte Objekt Halle 116 aus dem Gemeinbedarf herauszunehmen. Unmittelbar vor der Bauausschusssitzung am 19. Oktober legte die Bürgeraktion Pfersee in einem öffentlichen Brandbrief Protest ein gegen das handstreichartige Verfahren:
Der Arbeitsgruppe Halle 116 des Kulturbeirats ist dies nicht entgangen und sie stellte in dem Papier, das sie auf der Sitzung am 27. Februar vorlegte, zunächst unter der Überschrift „Halle 116 als Lern- und Gedenkort“ fest:
Hierzu formulierte die AG Halle 116 „Offene Fragen“:
Professor Gassert hat zwar ein Grundkonzept zu einer musealen Gestaltung einer Augsburger Erinnerungsstätte (als Lernort/Erinnerungsort/Museum) für das Gebäude 116 formuliert, und die Stadt Augsburg hat dies nun endlich auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt 9, aber eine konkrete Konzeption stellen die Überlegungen von Herrn Gassert nicht dar. Zur öffentlichen Erörterung und demokratischen, transparenten Entwicklung einer fassbaren und gangbaren Konzeption hätte die Stadt schon lange die Initiative ergreifen müssen. Stattdessen führt sie jetzt Geheimgespräche mit einem Investor! Dabei ist doch jedem klar, dass die Halle 116 nur als Gesamtes ein Denkmal der Erinnerungskultur darstellt. Alle Nachfragen nach einer städtischen Planung oder Leitidee blockiert Kulturreferent Weitzel zur Zeit stereotyp ab: solange der Antrag beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege noch nicht entschieden sei, könne die Stadt „in keiner Weise irgend eine Maßnahme treffen“. Natürlich könnte die Stadt handeln, wenn sie wollte. Sie könnte sich auch konstruktiv mit dem Landesamt für Denkmalpflege in Verbindung setzen, was von Fachleuten auf der Kulturbeiratssitzung auch vorgeschlagen wurde. Der Antrag, die gesamte Halle 116 unter Denkmalschutz zu stellen und in die Denkmalliste aufzunehmen, wurde von Stadtrat Volker Schafitel, Vorsitzender des Architekturforums Augsburg, bereits am 29. Oktober 2017 gestellt. Volker Schafitel warnt, dass derzeit rechtlich sogar ein Abriss oder Teilabriss der Halle erfolgen könnte! 10 Dass der Kulturreferent den Antrag auf Denkmalschutz jetzt seit über vier Monaten zum Vorwand nimmt, er könne zur Halle 116 überhaupt nichts sagen, ist schlecht. Ein gutes Omen ist aber, dass das Landesamt für Denkmalpflege nach so langer Zeit den Antrag noch nicht abgelehnt hat. Dies nagt natürlich an den Verantwortlichen bei der Stadt. Man könnte erwähnen, dass Kurt Gribl vor seinem Amtsantritt 2008 einige Jahre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden und der Hochschule Mittweida (FH) Lehraufträge hatte und in seinen Vorlesungen das Immobilienrecycling behandelte. Mittlerweile ist Kurt Gribl als Oberbürgermeister schon seit zehn Jahren Aufsichtsratsvorsitzender der WBG-Unternehmensgruppe Augsburg, zu der auch die AGS gehört. Die AGS verstand aber unter Immobilienrecycling wohl eher Abriss, zumindest in der ersten Stadtratsperiode von Kurt Gribl 2008-2014. Stadtrat Andreas Jäckel (CSU), Mitglied im Kulturausschuss wie auch Verena von Mutius (Grüne), drückte sich auf der Beiratssitzung leicht beschönigend so aus: Er gebe zu, dass im Kulturausschuss in den Jahren 2008-2014 die Halle 116 „eigentlich kein allzu großes Thema“ gewesen sei. Stadträtin Verena von Mutius (Grüne) bestätigte dies. Sie könne den Unmut verstehen, dass da viele Jahre nichts passiert sei. Mit dem Stadtratsbeschluss im Jahr 2009 sei erstmals festgehalten worden, dass man die Halle nicht abreißen wolle. Zur Rolle von Edgar Mathe sagte Verena von Mutius „Wir haben bis zu diesem Zeitpunkt mit einem WBG/AGS-Chef gekämpft, der diese Halle ständig abreißen wollte.“ Um den Beschluss vom Jahr 2009 zur Sicherung der Halle überhaupt zu erreichen, habe man den Weg über den Bauausschuss nehmen müssen, weil der Kulturausschuss keine Anstalten machte. Man könnte also durchaus zu der Ansicht kommen, dass die Halle 116 bei der AGS nicht ist in besten Händen ist und es sogar gefährlich wäre, das Objekt bei der AGS zu belassen. Der Standpunkt der Initiative Denkort Halle 116 wurde vorgetragen: Der Sheridan-Park sei eine Entwicklungsmaßnahme. Die Einnahmen der AGS dürften durch die Umwidmung von Gewerbeflächen in Bauland steigen und müssten im Gelände reinvestiert werden. Damit könnte eine Grundsanierung der Halle 116, die sich auf 8 bis 10 Mio. Euro belaufen dürfte, finanziert werden. Danach könne und müsse die Halle 116 von der AGS an die Stadt Augsburg übertragen werden. Wenn es ferner um Geld gehe, müsse man sich – schon aus historischen Gründen – unbedingt an die reiche Messerschmitt Stiftung wenden. Abschließend sei festgehalten, dass die Arbeitsgruppe 116 des Kulturbeirats in kurzer Zeit hervorragende Arbeit geleistet hat und dass den Ergebnissen und Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe im Beirat nicht widersprochen wurde. Die AG und der Beirat wollen an dem Thema weiter dranbleiben. Wenn dies auf der vorgelegten Linie geschieht, wäre das beachtlich auch unter dem Aspekt, welche Personen und welche Spektren der Stadtgesellschaft im Kulturbeirat vertreten sind. Deshalb sei zum Schluss die Besetzung des Kulturbeirat aufgeführt: Prof. Carolin Jörg (Hochschule Augsburg), Prof. Dr. Martin Kaufhold (Universität Augsburg), André Bücker (Theater Augsburg), Anna Mießl (Stadtjugendring), Dr. Karl Borromäus Murr (Staatl. Textil- und Industrimuseum TIM), Josef Strzegowski (Runder Tisch der Religionen und Israelische Kultusgemeinde Schwabeno), Rana Yousef und Susi Weber (Grandhotel; mit einer gemeinsamen Stimme), Korbinian Grabmeier (theter ensemble, green belt), Rebecca Lindner (Pop Office im Kulturpark West), Alexander Ratschinskij (Poetry Slam), Clara Diepold (Verein Raumpflegekultur). Peter Feininger, 7. März 2018
1 Nach Wikipedia: „Gemeinbedarfsfläche“. Wikipedia, 8. April 2017. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gemeinbedarfsfl%C3%A4che. 2 „Wertansätze für Gemeinbedarfsflächen und weitere besondere Flächen, AllMBl Nr. 12/2008“. Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, Oktober 2008. https://www.voeb.de/download/by06. 3 Volker Schafitel. „Halle 116“. Architekturforum Augsburg e.V. (blog), 29. Oktober 2017. http://www.architekturforum-augsburg.de/archives/4079. 4 „Die ‚Halle 116‘ in der ehemaligen Sheridan-Kaserne“. Stadt Augsburg. Zugegriffen 6. März 2018. http://www.augsburg.de/kultur/erinnerungskultur/halle-116/. 5 Die bisherige Augsburger Gesellschaft für Stadtentwicklung und Immobilienbetreuung AGS firmiert nun als „Wohnbaugruppe Augsburg | Entwickeln“. Unter dem Dach der Wohnbaugruppe sind nun die beiden ehemaligen Unternehmen Wohnbaugesellschaft der Stadt Augsburg (WBG) und AGS vereint. Der Einfachheit halber bleiben wir in diesem Artikel noch bei der alten Bezeichnung AGS. 6 Volker Schafitel. „Halle 116“, a. a. O. 7 „Auszug - Bebauungsplan Nr. 288 B ‚Sheridan-Kaserne, Teilbereich östlich des Nestackerweges‘ (2. Billigungs- und Auslegungsbeschluss), BSV/17/00838 Stadtrat“, 25. Oktober 2017. https://ratsinfo.augsburg.de. … Die Beschlussfassung erfolgt mit folgenden Maßgaben: 1) Die Verwaltung wird beauftragt, den Umgriff des BP Nr. 288 B „Sheridan-Kaserne, Teilbereich östlich des Nestackerweges“ (2. Billigungs- und Auslegungsbeschluss) – entgegen der Beschlussvorlage BSV/17/00838 – um den Bereich des Gebäudes Nr. 116 einschließlich der Freiflächen zu erweitern. Dabei ist der östliche Kopfbau mit zwei Schotten als Gemeinbedarfsfläche mit kultureller Zweckbindung festzusetzen. Der übrige westliche Gebäudeteil ist als Gewerbegebiet (GE), in dem kulturelle und soziale Nutzungen ausnahmsweise ebenfalls zulässig sind, festzusetzen (siehe Anlage). … Abstimmungsergebnis Stimmberechtigt: 55 Abstimmung: 51:4 „TISCHVORLAGE, Maßgabe für den Stadtrat am 25.10.2017, TOP 18 BSV/17/00838, Bebauungsplan Nr. 288 B ‚Sheridan-Kaserne, Teilbereich östlich des Nestackerweges‘ (2. Billigungs- und Auslegungsbeschluss) Anlagen: Vorläufig überarbeitete Planzeichnung BP Nr. 288 B mit Umgriffserweiterung nach Süden (einschließlich Gebäude Nr. 116) vom 24.10.2017 entsprechend der Maßgabe, Team Entwicklungs- und Sondermaßnahmen, Stadtplanungsamt“, 24. Oktober 2017. https://ratsinfo.augsburg.de. 8 Offener Brief der Bürgeraktion Pfersee „Schlössle“ e. V. an die MitgliederrInnen im Bauausschuss der Stadt Augsburg, 19.10.2017, betreff Halle 116, Bebauungsplan Nr. 288 B Sheridan-Kaserne – 2. Billigungs- und Auslegungsbeschluss http://www.forumaugsburg.de/s_1aktuelles/2018/02/28_bap-offener-brief-der-buergeraktion-pfersee-zur-verwaltungsvorlage-bebauungsplan-288-b-sheridan--kaserne-2017-10-19.pdf 9 Philipp Gassert. „Die Halle 116. Lernort Frieden in Augsburg. Abschlussbericht an die Augsburger Gesellschaft für Stadtentwicklung und Immobilienbetreuung GmbH (AGS) zur Erarbeitung einer wissenschaftlichen Konzeption für das Gebäude 116 im Sheridan-Park, Augsburg, Prof. Dr. Philipp Gassert, Historisches Institut Lehrstuhl für Zeitgeschichte, 68131 Mannheim www.geschichte.uni-mannheim.de/zg, BSV 16/1113 Anlage“. Stadt Augsburg, März 2015. http://www.augsburg.de/fileadmin/user_upload/kultur/erinnerungskultur/02%20bsv%20_16_1113_anlage 10 Antrag des Architekturforum Augsburg an das Landesamt für Denkmalpflege 29. Oktober Architekturforum Augsburg e.V. Architektur – Stadtentwicklung – Denkmalpflege Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege Hofgraben 4, 80539 München, Telefon 089/21 14-0, Fax 089/21 14-300, E-Mail: poststelle@blfd.bayern.de Antrag: Hiermit beantragen wir, die gesamte Halle 116 in Augsburg, Karl Nolanstraße 3 mit dem Umgriff der FlNr. 194/21 unter Denkmalschutz zu stellen und in die Denkmalliste aufzunehmen. Begründung: Laut DschG Bayern gilt: (1) Denkmäler sind von Menschen geschaffene Sachen oder Teile davon aus vergangener Zeit, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt. Die Halle 116 stellt durch seine vielschichtige geschichtliche Vergangenheit ein überregionales und internationales Erinnerungsdenkmal dar. Wir verweisen dabei auf die Ausarbeitung einer hochrangigen Gruppe aus Professoren unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Philipp Gassert, der in den beigefügten Abschlussbericht vom 27.März 2015 mündete. Wir sehen den hohen Wert der Halle 116 als Erinnerungsdenkmal nur gewährleistet, wenn sie im Ganzen erhalten bleibt und einer adäquaten kulturellen und sozialen Nutzung zugeführt wird. Eine derzeit beabsichtigte gewerbliche Teilnutzung, möglicherweise verbunden mit einem Teilverkauf der Halle wirft sowohl in der Inneren Aufteilung als auch in der äußeren Gestaltung erhebliche Probleme auf. Wir sehen den Erhalt dieses hochrangigen internationalen Erinnerungsdenkmals nur gewährleistet, wenn es unter der Obhut des Landesamtes für Denkmalpflege steht. Derzeit könnte rechtlich sogar ein Abriss oder Teilabriss der Halle erfolgen. Augsburg den 29.10.2017 Volker Schafitel, Architekt 1.Vorsitzender
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