Vor den Landtagswahlen in Bayern

Wer zahlt denn nun den Wohnraum?

TV-Duell zwischen Markus Söder (CSU) und Ludwig Hartmann (Grüne)

Mary Poppins

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Im Vorfeld der Landtagswahlen in Bayern 2018 befassen wir uns mit den Positionen der bayerischen Landesparteien, deren Einzug ins Landesparlament nach repräsentativer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „infratest dimap“ im Auftrag des BR vom 12.09.2018 als möglich gilt. Das Thema, das im Moment alle am meisten beschäftigen dürfte, „der bezahlbare Wohnraum“, wird in zwei Sendungen des Bayerischen Fernsehens von den KandiatInnen beziehungsweise SpitzenvertreterInnen von CSU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Freie Wähler, FDP, Die Linke und AFD behandelt.

Zunächst zum „Das TV-Duell“ zwischen dem Bayerischen Ministerpräsidenten und Spitzenkandidaten der CSU, Markus Söder, und einem der beiden Spitzenkandidaten von Bündnis90/die Grünen in Bayern, Ludwig Hartmann, in BR Süd am 26.09.2018, 20.15 Uhr

Der Moderator, BR-Chefredakteur Christian Nitsche, machte die Zuschauer darauf aufmerksam, dass nach der letzten Umfrage des Bayerischen Rundfunks Bayern eventuell bald ein Sieben-Parteien-Parlament haben werde. Mit „immer größerem Abstand zu den weiteren Verfolgern“ hätten sich die Grünen in diesem Jahr die Position des „Herausforderers der CSU erobert“.

Die erste Frage richtete sich an Markus Söder

Herr Söder, das zweitwichtigste Thema aus Sicht der Bürger im Moment ist bezahlbares Wohnen – das hat ja wirklich sozialen Sprengstoff, also: die Miete frisst auf das ,was ich einnehme“ ... „es hat ja die Regierung schon reagiert, vor ein paar Jahren, 2015, mit einer Mietpreisbremse - allerdings galt die in Bayern nur bei 137 Gemeinden von etwa 2000 Gemeinden und der Mieterbund sagt, sie war gar nicht wirksam, also wenn man klagen will – als Mieter gegen den Vermieter – hat man vor Gericht schlechte Chancen. Also drei verlorene Jahre für die Mieter...“

Söder bezeichnete das Thema „bezahlbarer Wohnraum“ als eine der drängendsten Fragen. Die geschaffenen Arbeitsplätze hätten zu einem „enormen Zuzug“ in Bayern geführt. Auf Grund dessen habe sich die Landeshauptstadt in den letzten Jahren schwer getan, ihre eigenen Wohnungsbauziele zu erfüllen, „… es wurde zu wenig, zu langsam und auch zu wenig hoch gebaut…“ An das müsse man jetzt herangehen. Die Mietpreisbremse habe in ganz Deutschland nicht funktioniert und sei ingesamt ein „Flop“ gewesen. Es müsse deshalb ein Mix her, Wohnungen zu bauen. Der Freistaat nehme nun fast 900 Millionen Euro in die Hand, um neue Wohnungen zu bauen, wolle die Sozialbindung von Wohnungen erhalten und das Wohngeld erhöhen, damit vor allem die Ballungsräume profitieren können.

Zur Herabsetzung der Modernisierungskosten-Umlegung auf den Mieter von bisher elf auf nunmehr acht Prozent, erklärte Söder, er sehe da keinen großen Effekt, „die Mietpreisbremse war eine gute Idee“, funktioniere aber in der Praxis nicht, sie würde zu oft ausgehöhlt und umgangen. Um dagegen zu reagieren, wäre die beste Variante, mehr Wohnungen zu bauen, „… intelligenter zu bauen, mehr Planungsmöglichkeiten zu schaffen, damit schneller gebaut werden kann und ganz, ganz wichtig ist: Der Freistaat Bayern nimmt Geld in die Hand – das macht praktisch kein anderes Bundesland außer uns – nimmt Geld in die Hand“ – „und nimmt bei bisherigen Sozialwohnungen Geld – und verlängert die Sozialbindungsfrist um 25 auf 40 Jahre. Dies ist für 60.000 Mieter in Bayern eine bessere Mietpreisbremse als alles andere.…“

Zu dem „Herausforderer“ Hartmann gewandt, fragte der Moderator

Bei Ihnen, sagten Sie, in Ihrem Programm steht: nur „Sechs Prozent werden umgelegt“, also weniger als jetzt in dem Programm der Koalition – aber: Sie wollen Ökostandards realisiert haben, sie wollen die Einbruchssicherheit, Sie wollen Barrierefreiheit – also insgesamt wird die Renovierung ja teurer und davon legen Sie dann sechs Prozent weniger um, aber insgesamt hat der Mieter dann doch auch nicht viel mehr davon?“

Dazu erklärt Hartmann: „… die Frage bezahlbarer Wohnraum – das ist doch die soziale Frage unserer Zeit – wir haben eine Mietpreisbremse, die hat die GroKo in Berlin auf den Weg gebracht und da hat sie krachend versagt, weil diese rechtlich nicht funktioniert … Die Frage ist doch: um bezahlbaren Wohnraum zu bekommen – wie schaffen wir es, unsere Gesellschaft zusammenzuhalten? Da ist eine Alleinerziehende, eine Erzieherin, einer der in der Pflege tätig ist, auch ein junger Polizeibeamter – dass der sich die Stadt München noch leisten kann … und das wird nur über den Mietwohnungsbau gehen“ … „eine neue Eigentumswohnung am Nockherberg in München kann sich ein Normalsterblicher doch gar nicht mehr leisten. Da müssten wir rein auf den Mietwohnungsbau setzen und ich finde es ein Unding, dass die CSU in München bei dieser angespannten Wohnsituation staatliche Grundstücke höchstbietend verkauft“ … „Warum können wir uns nicht darauf verständigen, staatliche Grundstücke nur als Erbpacht für den Mietwohnungsbau für Genossenschaften abzugeben. Da haben wir dauerhafte Mietwohnungen. Ich halte auch relativ wenig davon, zu sagen, es sei der erste Schritt, Sozialbindungen zu verlängern. Aber das Problem ist doch in München: aus einer Mietwohnung wird eine Eigentumswohnung und die Menschen werden aus ihrem Stadtteil verdrängt. Dieses Spiel gerade müssen wir durchbrechen … das heißt für mich, wenn wir staatliches Geld, Geld der Allgemeinheit, in den Wohnungsbau geben, dann hat doch die Allgemeinheit dauerhaft ein Anrecht, dass diese Wohnung als Mietwohnung für die Allgemeinheit zur Verfügung steht.“

Kommentar

Dass sich „ein Normalsterblicher“ eine Eigentumswohnung am Nockherberg gar nicht mehr leisten kann, damit wird Hartmann wohl recht haben. Sein Vorschlag, staatliche Grundstücke nur als „Erbpacht“ für den Mietwohnungsbau abzugeben, wäre eine guter Ansatz.

Die „Erbpacht“ oder das „Erbbaurecht“ bietet seit 1919 eine Möglichkeit, zu günstigem Hauseigentum zu kommen. Der Verkäufer behält dabei das Grundstück und bekommt einen in der Regel niedrigen „Erbbauzins“. Der Käufer erhält das Recht, darauf ein Haus zu bauen. Dem Käufer „gehört“ das Haus. Sein Erbaurecht kann er vererben. Verkaufen kann er es allerdings nur mit Zustimmung des Grundsstückseigentümers. Für eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft auf jeden Fall eine Option, die die Städte und Gemeinden nicht außer Acht lassen sollten.

Markus Söder war 2013 Finanzminister und damit maßgeblich am Verkauf der rund 32.000 Wohnungen der GBW an den Immobilienkonzern Patrizia beteiligt. Die Mieter haben seit dem Verkauf teilweise schon die vierte Mieterhöhung, sagt der Deutsche Mieterbund Nürnberg. Die sogenannte Modernisierungsumlage liegt bei der GBW in München zum Teil über vier Euro pro Quadratmeter. Die Bayern LB kassierte für den Verkauf ihrer Immobilientochter GBW 882 Mio. Euro netto. Markus Söder, der jetzt Ministerpräsident ist, könnte sich jetzt erkenntlich zeigen, zum Beispiel durch Zuschüsse für den Sozialwohnungsbau in München.

Klar stellen möchten wir aber, dass der „Sozialwohnungsbau“ und der „soziale Wohnungsbau“ zwei paar Stiefel sind. Während beim „sozialen Wohnungsbau“ immer die Kommune mit Hilfe von eigenen Wohnungsbaugesellschaften den Bagger in die Hand nehmen sollte, meint der „Sozialwohnungsbau“ in der Regel eine Förderung von Privatunternehmen, die Sozialwohnungen bauen, welche sie nach Ablauf ihrer Abschreibungsmöglichkeiten oft an Dritte weiterverkaufen und sich so den bei der „Zuschussgewährung“ noch entgangenen Gewinn greifen.

Deshalb ist das Vorhaben Söders, die Sozialbindungsfrist von 25 auf 40 Jahre zu verlängern durchaus „positiv“ zu bewerten. Dann hat der Mieter was davon. Denn eine „abgeschrubbte“ Sozialwohnung verkauft sich auf dem Immobilienmarkt am besten nur an den, der darin wohnt.

Mary Poppins

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Quellen:

Umfragen Bundesländer/Bayern https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundeslaender/bayern/sonntagsfrage/

BR Mediathek unter https://www.br.de/mediathek/programmkalender?activeDay=06-26_09_2018 (Auszüge aus den ersten sechs Minuten)

Gesetze im Internet https://www.gesetze-im-internet.de/erbbauv/BJNR000720919.html, hier: §§ 1, 9 Abs.1 ErbbauVO


   
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