Die Protestaktion von ver.di zielte auf den AZ-Presseball

Tarifflucht in der Druckerei der Augsburger Allgemeinen

„… jetzt stehen dem Arbeitgeber alle Wege offen, seine widerwärtigen Arbeitsbedingungen so zu setzen, nur um seinen Profit zu erhöhen, und das auf Kosten seiner Mitarbeiter.“

Peter Feininger

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Die Augsburger Allgemeine (AZ) hat zwar mit 205.000 Exemplaren immer noch eine vergleichsweise hohe Auflage und zählt zu den größten Regionalzeitungen Deutschlands. Allerdings sinkt die verkaufte Auflage seit etwa dem Jahr 2000, wo sie noch bei 250.000 lag, kontinuierlich (1). Die Mediengruppe Pressedruck (2), der die Augsburger Allgemeine zu 100 Prozent gehört, scheint vier Strategien zu fahren: Verteidigung des Monopols im Verbreitungsgebiet, Expansion durch Übernahme anderer Regionalzeitungen und Rationalisierung sowohl in der Redaktion wie beim Druck. Auch die Tarifflucht, also der Ausstieg aus den ver.di-Tarifverträgen zur Verbilligung der Lohnsumme, scheint bei dem Konzern Methode zu haben.

Zur Durchsetzung neuer Zeitungsrotationen in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre hat die Geschäftsleitung nun handstreichartig die Gewerkschaft ver.di ausgeschaltet, eine Mehrheit des Betriebsrats auf ihre Seite gezogen und die Belegschaft in der Druckerei gespalten. Ver.di stellt dazu fest: „Der Augsburger Irrweg ist gepflastert mit massiven Lohnverlusten durch Schichtplanänderungen, mit mehr Arbeitsbelastung und Stress durch Personalabbau, mit Verlust der Tarifbindung, durch eine Betriebsvereinbarung und neue Zusatzverträge, mit großen Schlaglöchern beim Kündigungsschutz.“ Die Gewerkschaft rief deswegen zu einer Protestaktion am 10. November auf, die in der Dunkelheit eines Novemberabends stattfand und von der es in den Medien keine Bilder, kaum Berichterstattung gab (3).

Eine geplante Investition in neue Druckmaschinen in den Jahren 2025–2030 will Pressedruck jetzt schon durch sofortige Aufhebung der Tarifverträge für die Drucker vorfinanzieren. Zuvor ließ der Konzern Verhandlungen mit der Gewerkschaft über einen Haustarifvertrag platzen, nutzte Spaltungen in der Belegschaft und schloss mit dem Betriebsrat gegen ver.di eine Betriebsvereinbarung zur Standortsicherung der Rotation (Zeitungsdruckmaschinen) ab. Die Augsburger Allgemeine selbst bestätigt, dass die Betriebsvereinbarung vorsehe, „die bisherige tarifliche Besetzungsregelung für die Maschinen bei gleichzeitigem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen abzuschaffen“ (4).

Im Grunde ist es Erpressung der Gewerkschaft, denn die Investitionszusage und die damit verbundene Betriebsvereinbarung sind gekoppelt an einen Ausstieg aus dem Tarifvertrag. In seiner Branchenzeitung Druck + Papier vom 15. Oktober berichtet ver.di unter der Überschrift „Augsburger Weg – eine Sackgasse für die Belegschaft“ Einzelheiten (5). Das Unternehmen habe die Verhandlungen mit der Gewerkschaft abgebrochen, sich aus der Tarifbindung gestohlen, treffe allein Vereinbarungen mit dem Betriebsrat und präsentiere den rund 50 Beschäftigten in der Rotation neue Einzelarbeitsverträge:

„Die Geschäftsleitung plane, innerhalb der nächsten sieben bis zwölf Jahre neue Rotationsmaschinen anzuschaffen. Wie viele, das ist noch unklar. Die Zahl der Beschäftigten im Druckbereich soll auf rund 25 halbiert werden. Wie üblich in solchen Fällen verhandelte ver.di gemeinsam mit der Geschäftsleitung. Ziel war ein Tarifvertrag zur Sicherung des Standorts und der Arbeitsplätze. Beide Seiten hatten sich auf passable Eckpunkte einer Altersteilzeitregelung geeinigt, man schien auf einem guten Weg. Strittig war allerdings die Forderung der Geschäftsleitung, bei den künftigen Rotationsmaschinen keine Maschinenbesetzung mehr beziffern zu wollen. Ob drei, zwei oder ob nur ein Drucker an der Maschine arbeitet, darauf wollte sich die Geschäftsleitung nicht festlegen. „Darauf kann sich ver.di nicht einlassen; das würde einem Blankoscheck fürs Unternehmen gleichkommen“, erklärt Rudi Kleiber von ver.di.

Noch während der Verhandlungen um einen Standortsicherungstarifvertrag will die Geschäftsführung aus angeblich produktionstechnischen Gründen den Schichtplan ändern. ver.di und die Anwältin des Betriebsrats empfehlen dem Betriebsrat, die Änderung abzulehnen. Schichtarbeiter würden dadurch einen vierstelligen Betrag im Jahr verlieren, die Belastung würde steigen, die Unterbesetzung wäre nicht gelöst. Die Anwältin des Betriebsrats verweist auf das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats …

Doch die Mehrheit des Betriebsrats beschließt, auf die Mitbestimmungsrechte zu verzichten, und hofft darauf, dass der Arbeitgeber sein Versprechen einlöst und für den finanziellen Verlust einen Ausgleich bezahlt. Das sei unklug, sagt Rudi Kleiber. Wer während laufender Tarifverhandlungen der Geschäftsleitung nachgibt, schwächt die Verhandlungsposition für die Beschäftigten und signalisiert dem Arbeitgeber, dass mit Gegenwehr nicht zu rechnen ist.

Tatsächlich bricht die Geschäftsleitung die Tarifverhandlungen ab, storniert die Termine mit ver.di und teilt der Gewerkschaft mit, dass das Unternehmen fortan keinen Tarifvertrag mehr anwenden wird und in die OT-Mitgliedschaft (ohne Tarifbindung) im Verband Druck und Medien Bayern wechselt.

Statt mit ver.di zu verhandeln, wendet sich die Geschäftsleitung an den Betriebsrat und schließt mit ihm eine Betriebsvereinbarung ab. Das Problem: Solche Betriebsvereinbarungen verstoßen in der Regel immer gegen das Gesetz. Denn der Gesetzgeber hat festgelegt, dass Löhne, Zuschläge, Arbeitszeit und auch Maschinenbesetzungen in Tarifverträgen geregelt und mit Gewerkschaften und nicht mit dem Betriebsrat ausgehandelt werden. Aus gutem Grund: Eine Betriebsvereinbarung kann der Arbeitgeber jederzeit kündigen und der Betriebsrat hat kein Mittel in der Hand, um die Löhne, die Arbeitszeit und die Zuschläge durchzusetzen. Denn zum Streik aufrufen darf er im Gegensatz zur Gewerkschaft nicht. …

Rudi Kleiber entdeckt in den Klauseln und Zusatzverträgen etliche Fallstricke. Zum Beispiel: Noch bevor eine einzige neue Druckmaschine in Betrieb geht, wird die Zahl der Beschäftigten nach und nach um die Hälfte reduziert. Das ist Personalabbau auf Vorrat. Nichts Konkretes gebe es zum Thema ‚Entlastung und Neueinstellungen von befristeten Beschäftigten‘, kritisiert er. Mit der Folge, dass die verbleibenden Kollegen und Kolleginnen für die ausgeschiedenen mitarbeiten müssen. Weiter: Mit wie vielen Beschäftigten eine Maschine künftig besetzt wird, richtet sich nach den Abgaben des Maschinenherstellers.  Maschinenhersteller werben jedoch mit Kleinstbesetzungen als Verkaufsargument gegenüber Druckereien, wirft Rudi Kleiber ein. Noch eins: Sollten die Umsätze durch Fremdaufträge auf einen bestimmten Prozentsatz fallen, darf das Unternehmen kündigen. ‚Damit gibt es keinen Schutz mehr vor Entlassungen‘, kritisiert Kleiber. Die Mehrheit des Betriebsrats habe sich den Wünschen des Arbeitgebers unterworfen.; Betriebsratsvorsitzender Josef Karg möchte keine Stellungnahme abgeben. Er bricht das Gespräch mit DRUCK+PAPIER ab und zieht alles Gesagte zurück.

‚Der Verlag der Augsburger Allgemeinen war einst Garant für tarifliche Normalarbeitsverhältnisse, das ist vorbei‘, sagt Rudi Kleiber. ver.di bietet allen Mitgliedern Beratung an und empfiehlt, die Einzelarbeitsverträge nicht zu unterschreiben, da sie die schlechtere Alternative zu Tarifverträgen sind. (6)“

Augsburger Allgemeine, Medienzentrum an der Kurt-Frenzel-Straße in Augsburg, Luftaufnahme Bild: 2018-06-28 Augsburger Allgemeine CC BY-SA 4.0 Wikipedia

Besonders bedauerlich ist hierbei auch die Rolle des Betriebsratsvorsitzenden Josef Karg. Er ist langjähriger Redakteur und Reporter bei der AZ und kämpfte einst für angemessene Tarife für Journalisten und gegen die Blockade durch die Unternehmen in der Zeitungsbranche im festgefahrenen Tarifstreit 2011. „Worte sind wertvoll“ – Deutschlands erste Protext-Aktion fand als zentrale Aktion von Journalisten aus Bayern und Baden-Württemberg am 14. Juli 2011 in Augsburg statt. Einer der Sprecher der „Worte sind wertvoll“-Initiative war Josef Karg. Bei den damaligen Tarifverhandlungen mit den Zeitungsverlegern wehrten sich die Journalisten unter anderem gegen eine geplante deutliche Absenkung des Gehaltsniveaus für Jungredakteure. Die von Journalisten aus der ganzen Bundesrepublik unterstützten Initiatoren der Protestaktion formulierten dabei eine Reihe so genannter „Augsburger Thesen“, an deren Formulierung Josef Karg, Holger Sabinsky, Daniel Wirsching und andere beteiligt waren (7).

Gegen die Tarifflucht hat die Gewerkschaft ver.di für den 10. November zu einer Protestaktion aufgerufen in der Stadt aufgerufen. Der AZ-Redakteur Michael Hörmann konstatiert in einem Artikel der Augsburger Allgemeinen (8): „Geplant ist eine Demonstration, die am Königsplatz startet und mit einer Kundgebung am Kongress am Park endet, wo am Abend der Presseball der Augsburger Allgemeinen stattfindet. Verdi sucht gezielt dieses Forum, wie im Aufruf geäußert wird: ‚Andere feiern und tanzen bis in die Morgenstunden, wir demonstrieren für Tarifbindung und existenzsichernde Tarifverträge.‘“

Die Augsburger Allgemeine berichtet über diese Aktion dann relativ knapp und neutral in einer Notiz ohne Bild (9):

„TARIFSTREIT – Verdi demonstriert vor dem Kongress am Park. Mit Pauken und Trillerpfeifen demonstrierte die Gewerkschaft Verdi am Samstag vor dem Kongress am Park. Hintergrund ist, dass die Mediengruppe Pressedruck, in der auch unsere Zeitung erscheint, nach mehreren ergebnislosen Verhandlungsrunden aus dem Drucktarif ausgestiegen ist. Sie führte die Gespräche daraufhin mit dem Betriebsrat fort und schloss eine Betriebsvereinbarung zur Standortsicherung der Rotation ab, Verdi wirft dem Unternehmen nun Tarifflucht vor. Die Mediengruppe Pressedruck will in den kommenden zehn Jahren in neue Druckmaschinen investieren und damit den Standort Augsburg sichern. Da die künftigen Maschinengenerationen schneller produzieren und einen höheren Automatisierungsgrad besitzen, wird sich dies auf den Personalbedarf auswirken. Stellen, die wegfallen, will das Unternehmen jedoch sozial verträglich abbauen. Verdi gefällt diese Vorgehensweise nicht. Dass ausgerechnet am Samstag vor der Kongresshalle demonstriert wurde, hatte einen Grund: Dort fand zur gleichen Zeit der Presseball statt. (AZ)“

Der Demonstrationsleiter von ver.di sprach angesichts der Teilnehmer, die sich am Königsplatz zum Abmarsch aufstellten, von einem breiten Bündnis, das sich hier gegen Tarifflucht sammle. 80 Demonstranten marschierten in der Dunkelheit zur Kongresshalle und sammelten sich hinter Absperrgittern, die für gehörige Distanz zu den vornehm gekleideten BesucherInnen des Presseballs der AZ sorgten. Der Haufen von ProletInnen und GewerkschafterInnen machte sich dennoch mit einer lautstarken Trommlergruppe, Parolen, Transparenten und Megaphonansprachen bemerkbar. Aber das Publikum, das durch den hell erleuchteten Eingang der Kongresshalle strömte, nahm kaum Notiz von den Gestalten in der Dunkelheit hinter den Absperrgittern und vom dezenten Polizeiaufgebot.

Wie üblich wurde die bürgerliche Ignoranz und Arroganz noch getoppt von der Crème de la Crème, die das Privileg hatte, mit Luxuslimousine und ChauffeurIn direkt vor dem Eingang vorzufahren. Dienstbeflissenes Personal stand bereit, die Türen im Fond des Wagens zu öffnen und die Herrschaften in die Halle zu geleiten. Herrschaften, die der Normalsterbliche in der Regel nicht kennt und vielleicht nur auf dem Presseball zu Gesicht bekommt, wenn er das Geld für die Eintrittskarte hinlegt. Damit die Prozeduren vor der Kongresshalle reibungslos ablaufen, hatten die VerteilerInnen von ver.di zwar ab 19 Uhr die Genehmigung, außerhalb der Absperrgitter näher am Eingang Flugblätter zu verteilen. Aber offensichtlich nur am rechten Rand des breiten roten Teppichs, also immer noch meterweit entfernt vom einströmenden Ballpublikum. Gelegentlich gelang es den VerteilerInnen, eine der Damen in ein kurzes Gespräch zu verwickeln. Ansonsten wurden die vielen kurzen Megaphonansprachen der GewerkschafterInnen eigentlich nur von den ProletInnen mit Beifall zur Kenntnis genommen, blieben ansonsten aber ungehört und unerhört.

Im Folgenden nun einige Auszüge aus diesen wichtigen und wertvollen Statements, die es verdienen, gehört zu werden. Dies sei besonders auch dem Oberbürgermeister Kurt Gribl und dem Chefredakteur Gregor Peter Schmitz der Augsburger Allgemeinen gesagt, die statt belanglose Statements für Augsburg TV abzugeben, an diesem Abend durchaus einmal den Druckereiarbeitern und ihrer Gewerkschaft hätten zuhören und ihr Anliegen erwähnen können.

Der Demonstrationsleiter: Die Kolleginnen und Kollegen demonstrieren heute gegen die Tarifflucht der Druckerei bei der Augsburger Allgemeinen. Die Kolleginnen und Kollegen in der Druckerei haben ihre Tarifverträge in der Druckindustrie verloren und deshalb stehen wir heute hier. Die Augsburger Allgemeine ist die zweitgrößte Zeitung in Bayern, die größte zusammen mit der Allgäuer Zeitung, und wir sehen es nicht als notwendig, dass die Druckerei jetzt aus den Tarifverträgen aussteigt. …

Die Kollegin aus München, ver.di Fachbereichsleiterin Christa Hasenmeile: Tarifverträge einzuhalten, war früher der Normalfall. Heute ist es alles anders. Der heutige Abend ist Spiegelbild dessen, was los ist: der schöne Schein nach außen, Glanz und Glamour und Feiern. Und wenn man ins Innere guckt, dann stellt man fest, dass in diesem kleinen Presseimperium, dass sich die Augsburger Allgemeine inzwischen zusammengekauft hat, von Würzburg über Augsburg nach Kempten bis nach Konstanz, inzwischen fast nichts mehr tarifgebunden ist. Das ist eine Schande, wie es auf einem der Plakate steht und ich beklage dies zutiefst. Im Übrigen auch noch mitten in einer Tarifrunde, in der wir bundesweit und vor allem auch in Bayern um diesen Manteltarifvertrag kämpfen, den die Kollegen hier der Augsburger jetzt verloren haben. Ich würde mir wünschen, dass es eine Umkehr gibt, denn es lag beileibe nicht an uns. Uns hat man wirklich eiskalt und in sehr schlechtem Stil den Stuhl vor die Türe gestellt, mitten in den Tarifverhandlungen alle Termine abgeblasen. Und das nächste, was wir dann über Dritte erfahren haben, dass sie in OT gehen, ohne Tarifbindung.

Das ist insbesondere beklagenswert, weil der Geschäftsführer der Augsburger Allgemeinen auch eine Führungsposition im Arbeitgeberverband hat und eigentlich dafür geradestehen muss, dass Tarifverträge gelten, weiter gelten und ihre Rolle nicht völlig verlieren. Ich kann nur sagen, wir sind nicht nachtragend, auch wenn uns diese unfreundlichen Verhaltensweisen sehr stören. Aber wir sind gesprächsbereit, wir würden auf jeden Fall Tarifverhandlungen wieder aufnehmen und fordern die Geschäftsführung der Augsburger Allgemeinen auf, zurückzukehren zum Tarifvertrag, zurückzukehren zu ordentlichen Verhältnissen.

Ein Kollege aus Kempten, Stefan: Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, solidarische Grüße aus dem Allgäu, vor allem von der Allgäuer Zeitung, aber auch von den Kolleginnen und Kollegen von Huhtamaki (Verpackungsfolien; Redaktion). Wir sind heute hier, weil wieder mal eines der größten Medienhäuser in Bayern Tarifflucht begangen hat. Wieder mal sollen die Kollegen erpresst werden. Wieder mal sollen sie mit ihrer Arbeit die Investitionen der millionenschweren Verlegerfamilie finanzieren. Damit muss endlich Schluss sein. Wir sind jetzt hier, um dagegen zu protestieren und gleichzeitig auch die Hand hinzuhalten und zu sagen: Kommt wieder an den Verhandlungstisch, und lasst uns versuchen, den Kolleginnen und Kollegen wieder vernünftige Arbeitsbedingungen zu bieten und das geht einfach nur in einem Tarifvertrag.

Der Demonstrationsleiter wendet sich mit dem Megaphon an die Besucher des Presseballs: Liebe BesucherInnen des Presseballs Augsburg, sie dürfen natürlich gerne die Flugblätter meiner drei Kolleginnen nehmen … Informieren Sie sich, die Kolleginnen und Kollegen, die beißen nicht. Sie dürfen die Flyer ruhig nehmen. Informieren Sie sich, was hinter der Fassade der Augsburger Allgemeinen im Prinzip passiert. Sie müssen sich da nicht fürchten, wenn sie diese Flyer nehmen …

Kollege Bernd Bauer aus Würzburg (bei ver.di für unterfränkische Verlage und Druckbetriebe zuständig; Redaktion): Ich finde es einfach nur erbärmlich, … neue Rotationen zu kaufen und aus dem Tarifvertrag auszusteigen und die Kolleginnen und Kollegen … zu erpressen. Für mich geht so etwas überhaupt nicht, aber die Augsburger Allgemeine schert sich da einen Teufel drum. Deswegen müssen wir hier demonstrieren und müssen laut werden. Und deswegen müssen wir auch den Besuchern des Presseballs mal zeigen, bei welchem Gastgeber sie sich aufhalten. (Trillerpfeifen, Rufe: „Schämt Euch!“)

Wie gesagt, es gibt diverse Beispiele, wo sich die Augsburger Allgemeine aus dem Tarifvertrag herausgeschlichen hat. Die Mainpost in Würzburg, da wo ich herkomme, ist ein Beispiel dafür, wie ein ganz gesunder Betrieb aus dem Tarifvertrag rausgeht und die Kolleginnen und Kollegen jeden Monat um das Geld betrügt, das ihnen eigentlich zusteht (die Mediengruppe Main-Post wurde 2010 von der Augsburger Mediengruppe Pressedruck zu 100 Prozent übernommen; Redaktion). Und deswegen sage ich, ich komme hierher, um die Leute zu unterstützen, denen das gleiche droht.

Der Demonstrationsleiter: Wir sind laut, und wir sind zu Recht laut. Wir haben die Unterstützung von den ganzen Kollegen, die abhängig sind von der Augsburger Allgemeinen und die drücken uns alle die Daumen, dass wir hier zum Erfolg kommen. Und das ist der Auftakt, das ist nicht das Ende. Wir kämpfen für einen Tarifvertrag. Danke

Kollege aus Niederbayern: Des is a Sauerei, wos mit eich gmacht wird. Ich begrüße Euch herzlich zu dem Presseball von der Augsburger Zeitung. Und ihr seid nur eingeladen, um ihn zu bezahlen. Und das ist eine Sauerei. Kämpft dafür, dass ihr euren Tarifvertrag wieder kriegt. Und ich unterstütz‘ Euch und wir Niederbayern sind auf Eurer Seite, herzliche Grüße!

Maria, ver.di-Jugend Augsburg, Gärtnerin: … Ich habe wahrscheinlich wie viele andere reagiert, als ich die Nachricht bekommen habe, dass die Augsburger Allgemeine die Tarifverhandlungen abgebrochen und sich aus dem Tarifvertrag zurückgezogen hat. (Buhrufe, Trillerpfeifen) Mir blieb einfach nur der Atem weg. Es ist die Zeitung, die für sehr viele Menschen ein fester und wichtiger Bestandteil ihrer Morgenroutine ist, bevor sie sich in den Arbeitsalltag stürzen. Das können bald viele Mitarbeiter der Augsburger Allgemeinen nicht mehr von sich behaupten, denn sie werden die Zeitung nur noch aufschlagen, um die Kleinanzeigen der Jobangebote durchzugehen – Dank der angekündigten Arbeitsplatzreduzierung ihres Arbeitgebers. … eine schreckliche Folge der Flucht der Augsburger Allgemeinen aus dem Tarifvertrag, denn jetzt stehen dem Arbeitgeber alle Wege offen, seine widerwärtigen Arbeitsbedingungen so zu setzen, nur um seinen Profit zu erhöhen, und das auf die Kosten seiner Mitarbeiter. (Buhrufe, Trillerpfeifen)

Maria, ver.di-Jugend

Wir sind heute hier, um den Menschen, die durchaus wahrscheinlich den glamourös geschmückten Saal betreten, die ganze Nacht feiern und ihre Gläser erheben auf einen Arbeitgeber, der die Würde und Rechte seiner Mitarbeiter mit Füßen tritt, … Also kämpft weiter, denn dem Arbeitgeber muss gezeigt werden, dass er mit seiner Entscheidung, aus der Tarifbindung auszutreten, auf Widerstand trifft. Denn ohne seine Mitarbeiter kann er sich seine Zeitung nämlich sonst wo hinstecken. Danke

Eine Vertreterin der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Euch auch im Namen der NGG ganz herzlich begrüßen. Wir sind heute Abend hier, um uns mit den Kolleginnen und Kollegen der Pressedruck zu solidarisieren. Tarifflucht ist eine Tendenz, die auch wir in unseren Branchen in Bayern in den letzten Jahren nur zu gut kennen und mit Besorgnis beobachten. Sie ist auch ein Ergebnis der Arbeitnehmer- und ArbeitnehmerInnen-feindlichen Politik in Bayern der letzten Jahre. Die einzige Chance, die wir haben, dem etwas entgegenzusetzen, ist, wenn wir gemeinsam, Seite an Seite, solidarisch für die Rechte von ArbeitnehmerInnen und Arbeitnehmern kämpfen. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, Solidarität ist unsere Stärke. Dankeschön

Peter Feininger, 17. November 2018

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1 „Augsburger Allgemeine“. Wikipedia, 27. August 2018. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Augsburger_Allgemeine. In der Statistik der verkauften Auflage wird seit 2012 auch noch die ePaper-Auflage hinzugezählt.

2 „Mediengruppe Pressedruck“. Wikipedia, 6. April 2018. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Mediengruppe_Pressedruck.

3 Bilder gibt es nur bei ver.di und beim Hans-Beimler-Zentrum, die Augsburger Allgemeine brachte eine Meldung (siehe unten), die Stadtzeitung gar nichts. Augsburg TV brachte eine einstündige Sendung über den Presseball, sogar aus dem Eingangsbereich um 19 Uhr. Die Protestaktion wurde aber komplett ausgeblendet und nicht erwähnt. Der Moderator von a.tv machte damit klar, dass Tarifflucht kein Thema auf dem Presseball ist. Auch der Oberbürgermeister kam im Interview nicht darauf zu sprechen und für Stadträte wie Leo Dietz, der auch interviewt wurde, ist es natürlich auch kein Thema. Anzumerken wäre noch, das a.tv sehr wohl die Demonstration und Kundgebung vor der Kongresshalle gefilmt hat (das haben wir selber beobachtet), dieses Material aber nicht verwendet hat.

„Proteste gegen die Tarifflucht der Augsburger Allgemeine, Pressemitteilung von ver.di, Fachgruppe Verlage, Druck und Papier“. ver.di Verlage, Druck und Papier, 12. November 2018. https://verlage-druck-papier.verdi.de/ueber-uns/nachrichten/++co++e442e9ba-e659-11e8-a4ae-525400f67940.

„Protest beim Presseball“. Hans-Beimler-Zentrum (blog), 11. November 2018. http://www.hans-beimler-zentrum.de/2018/11/protest-beim-presseball/.

Presseball – Livesendung vom 10.11.2018. a.tv, 2018. https://www.augsburg.tv/mediathek/video/presseball-livesendung-vom-10-11-2018/.

4 Augsburger Allgemeine 2.11.2018

5 „Augsburger Weg – eine Sackgasse für die Belegschaft, Presse-Druck hat die Tarifbindung verlassen / Betriebsvereinbarungen und Einzelarbeitsverträge gehen zulasten der Belegschaft, ver.di Druck + Papier Branchenzeitung“, 15. Oktober 2018. http://verdi-drupa.de/2018/10/15/aus-der-tarifbindung-gestohlen/.

6 Ebd.

7 „Worte sind wertvoll. Augsburger Thesen, Text: Andreas Frei, Josef Karg, Manuela Mayr, Holger Sabinsky, Daniel Wirsching, Karin Seibold“, 7. Juli 2011. http://www.wortesindwertvoll.de/2011/07/was-uns-wichtig-ist.html.

8 Ebd.

9 Augsburger Allgemeine, 12.11.2018


   
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