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Die moralischen Mucken der kapitalistischen VerwertungDer Tuchhändler bescheißt den ProduzentenEine Entgegnung auf zwei Texte von Klaus-Peter Lehmann 1. Erzählung Die Erzählung von der Gegenwart ist geprägt von der Furcht, dass wir uns am Ende einer Epoche befinden. Einer Epoche, die in den letzten 30 Jahren von zunehmender Krisenhaftigkeit gekenn-zeichnet ist. Es deutet sich ein historischer Strukturbruch an. Das Wort vom Postkapitalismus macht die Runde. Noch nie in der Geschichte der Menschheit konnte eine solch riesige Menge von Gebrauchsgütern produziert werden, aber im Vergleich dazu werden die zahlungskräftigen Abnehmer immer weniger. Verantwortlich dafür sollen die exorbitanten Geld- und Kapitalbewegungen an der Börse sein, die Geld- und Kreditgeschäfte der Banken. Vor allem deren „habgierige“ Spekulanten, Wirtschaftssubjekte und Funktionsträger werden als treibende Kräfte dingfest gemacht. Anempfohlen wird eine stärkere Regulierung dieser Geschäfte, mehr Transparenz und Kontrolle, bis hin zu einem Finanzsystem im Interesse der Vielen. Alternativvorschläge haben Hochkonjunktur. Orientiert wird sich dabei an der praxisbezogenen Durchführbarkeit dieser Finanzrestriktionen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen und die Antworten auf einen destruktiven Finanzkapitalismus orientieren sich zu 95% an ihrer Machbarbarkeit. Die Restriktionen kommen allerdings in ihren Kernformulierungen aus eben den Regierungen, Banken, Finanzzentren und Konzernzentralen, deren Existenz vom Crash 2008 bedroht war und die ihn wesentlich mit zu verantworten haben. Man müsse die restriktiven Maßnahmen nur „konsequent“ anwenden, so der Tenor der linken Kritik. Was die Praktikabilität von Alternativen angeht so ist der grüne Europa-Abgeordnete Gigold mit einer ›Bürgerbewegung Finanzwende e.V.‹ ganz vorne dabei. Das „Gemeinwohlinteresse“, das angeblich an fairem Handel, gerechtem Lohn, solidarischer Wirtschaft und transparenter Öko-Bilanz orientiert und genossenschaftlich organisiert ist, steht oft im Zentrum. In Umfang und Intensität waren gewerkschaftlich-genossenschaftliche Solidargemeinschaften der Nachkriegszeit allerdings schon einmal um Lichtjahre weiter. Und diejenigen, die jetzt so etwas wieder in die Welt setzen, haben sich ganz offensichtlich nicht mit dem Scheitern dieser Bewegungen auseinandergesetzt. Stichworte: Bank für Gemeinwirtschaft, Konsum, Neue Heimat, Büchergilde usw. Die bürgerlichen Regierungen und die neoliberalen Kräfte haben weltweit beim Crash im Jahr 2008 die Systemfrage gestellt und sie in ihrem eigenen Interesse richtig beantwortet. Ihre Antwort war plötzlich dem neoliberalen Credo der staatlichen Nichteinmischung vollkommen fremd. Freilich ist die Krisenhaftigkeit des Spätkapitalismus durch Bankenrettung und dergleichen nicht beseitigt. Linke Denkzusammenhänge allerdings wollen von einer Systemfrage nichts mehr wissen, das überläßt man der neoliberalen Debatte. 2. Erzählung Eine andere Erzählung, die nichts weniger beansprucht als die Menschheitsgeschichte zu berichten und zu erklären, ist die der monotheistischen Religionen. Hier das Christentum. Diese Erzählung überstülpt sozusagen alle anderen Erzählungen mit dem Anspruch die menschlichen Verhaltensweisen und Grundkonstitutionen erklären zu können aus ihrer Beziehung zu Gott. Gott kann hier als eine übergeordnete Menschheits- oder Gesellschaftsstruktur gelten. Der Mensch ist allerdings mit einem besonderen Charaktermakel fest verbunden: der Erbsünde. Ein moralischer Makel soll zum integralen Bestandteil menschlichen Verhaltens werden. Die Sünde, die Habsucht, die Gier oder der Geiz sind dem Menschen in die Wiege gelegt, gesellschaftlich unausweichlich. Abhilfe oder besser: Einhegung dieser gesellschaftlichen Auswüchse, schafft hier nur das Gesetz Gottes, das u. a. durch die Schrift auf den Menschen kommt. Die katholische und protestantische Kirche gehen von der berechtigten Existenz aller bisherigen politisch-ökonomischen Herrschaftsformen aus. Legitimiert vor allem dann, wenn die Inhalte der christlichen Religion als Über- oder Beiordnung zur gesellschaftlichen Struktur gewährleistet ist. Einige wesentliche Gemeinsamkeiten dieser zwei Erzählungen sind offensichtlich. 3. Erzählung Eine dritte Erzählung muss hier erwähnt werden. Die Erzählung über den Kapitalismus, beginnend mit seiner embryonalen Form am Ende des Spätmittelalters. Die „reformatorischen“ Kräfte des ausgehenden Mittelalters und die liberalen Erzähler der frühen Aufklärung lieferten die ideologische Legitimation einer Herrschaftsform, die sich auf einer neuen ökonomischen Grundlage herausbildete. Einer Grundlage die sich als weitgehend unabhängig von den bisherigen persönlichen Abhängigkeits- und Zwangsverhältnissen herauskristallisierte. Die kritische Version dieser Kapitalismus-Erzählung wurde dann von Karl Marx mit seinem Werk „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie“ verfaßt. Dieses Werk bestimmt zu Recht bis heute den Diskurs über Antikapitalismus oder jede andere Form der Kapitalismuskritik. Gleichgültig ob zustimmend, ablehnend oder ignorierend. Die Analyse von Marx über die Widersprüchlichkeit, die Funktionsweise, inneren Triebkräfte und die sozialen und politischen Auswirkungen dieses ökonomischen Systems gehören zum notwendigen Erkenntnis-Fundus für jeden, der sich die bestehenden Widersprüche auch im Spät- oder Finanzkapitalismus, plausibel erklären will. Marx verwirft den Kapitalismus als negatives Ganzes. Insofern gibt es zu den zwei anderen hier vorgestellten Erzählsträngen nur eine oberflächliche Verbindung, nicht im Kern. Was hat das jetzt aber mit dem Tuchhändler zu tun, der den Produzenten bescheißt? Der Artikel „Als in Augsburg die Sünde zur Tugend wurde“ von K. P. Lehmann steht auf unserer Internetseite. 1 Er war von uns mit einer längeren Vorbemerkung versehen worden. Der Grund: Die Marxsche Werttheorie, dargestellt in der Formel G–W–G’. Im Artikel von Lehmann und in einer weiteren Zuschrift 2 von ihm wird sinngemäß gesagt: Das kapitalistische Wertgesetz in seiner Marxschen Formulierung und Teile des Marxschen Werkes liegen auf einer Kritik-Ebene wie Luthers Kritik am Handels- und Wucherkapitalismus oder die Kritik des Papstes Franziskus an der gegenwärtigen Wirtschaftsform und -praxis. Luther kann man nicht vorwerfen, dass seine Kritik am Handels- und Wucherkapital nicht mit der Marxschen Wertkritik in Deckung zu bringen ist. Dem Protestanten Lehmann allerdings sollte es im Jahr 2018 gelingen, den Unterschied zu formulieren. Und Luther steht ausgesprochen oder nicht im Hintergrund der Lehmannschen Argumentation. Lehmann: „Die Marxsche Formel G–W–G’ bezieht sich nicht erst auf die industriell-kapitalistische Produktionsweise, sondern auf alle ökonomischen Verhaltensweisen, die anstatt ,verkaufen um zu kaufen’ ,kaufen um zu verkaufen’, d. h. um zu einem höheren Preis weiterzuverkaufen. Sonst könnte man kaum vom Handelskapitalismus (Fugger) sprechen.“ 3 „Im eigentlichen Handelskapital erscheint die Formel G-W-G´, kaufen um teurer zu verkaufen, am reinsten“ (Das Kapital, S. 178).“ 4 … „Was die Interpretation von Marx' Formel G-W-G´ angeht, liegt m.E. ein Missverständnis vor. … Auf jeden Fall meine ich nicht, dass der Profit beim Tausch entsteht. Mir geht es darum festzuhalten, dass die Formel nicht nur für den industriellen Kapitalismus gilt, sondern auch für den Handelskapitalismus.“ 5 „Die Formel G-W-G´ selber bezieht sich auf eine Tauschoperation, bei der durch den Verkauf einer Ware ein Mehrwert realisiert wird. Sie besagt nichts über seinen Entstehungsort, weder für den Handels- noch für den Industriekapitalismus. Der Profit entsteht nach Marx nicht im Marktgeschehen, sondern im Arbeitsprozess. … Ein Tuchhändler z.B. erzielte seinen Profit nicht aus einem überzogenen Preis, sondern er verkaufte sein Tuch zu seinem Wert, d.h. zu dem Äquivalent der in ihm vergegenständlichten Arbeit. Aber er kaufte den Produzenten das Tuch, …, nicht zu seinem Wert ab, sondern billiger. An dieser Stelle der Nichtbezahlung von Arbeit entstand auch bei vorindustrieller Produktion der Profit. Soweit zu Marx.“ 6 Marx verwendet den Begriff des Handelskapitalismus m. W. nicht. Warum er das nicht tut geht eigentlich aus seinem Wertgesetz hervor. Er verwendet in der Regel den Begriff der kapitalistischen Produktionsweise. Und hier haben die unterschiedlichen Kapitalfraktionen ihren Platz: das Handelskapital, das industrielle Kapital usw. Was Lehmann versucht, ist die rein kapitalistische Verwertungsformel in eine vorkapitalistische oder allgemeineTauschformel umzuwandeln, wie es zu Zeiten Luthers gegenüber dem Handels- und Wucherkapital üblich war. Und wie es heute noch allzuoft unzulässigerweise gemacht wird. Die Formel G–W–G’ sagt nichts über den Entstehungsort des Mehrwerts!? Sie sagt noch nicht einmal etwas darüber, ob überhaupt Mehrwert entsteht oder ob wir es nur mit schlichter Prellerei zu tun haben. G’ heißt lediglich ,mehr Geld’, kann also auch durch Beschiss oder Erpressung entstehen. Lehmann läßt hier allerdings keine Zweideutigkeiten zu und nennt den Entstehungsort des Mehrwerts: „im Arbeitsprozeß“. Der Tuchhändler aber bescheißt in der Lehmannschen Formulierung im Tauschprozeß den Produzenten: aus der „Nichtbezahlung von Arbeit entstand auch bei vorindustrieller Produktion der Profit.“ Entweder kauft der Tuchhändler von selbständigen Produzenten das Tuch oder die „Arbeit“, da muss sich Lehmann schon entscheiden. Aber gleichgültig was der Tuchhändler kauft, er kauft es immer zu seinem Wert. Im Kapitalismus kauft der Kapitalist dem Lohnarbeiter die Arbeitskraft ab und zwar zu ihrem Wert, nicht unter ihrem Wert. Dem Lohnarbeiter aber kann er das Tuch nicht abkaufen, weil’s dem nicht gehört. Also muss der Tuchhändler das Tuch dem produzierenden Kapitalisten abkaufen. Und zwar wieder zu seinem Wert, nicht unter seinem Wert. Wenn Lehmann das Beispiel aus der vorindustriellen oder vorkapitalistischen Phase wählt und sagt hier gelte für das „Handelskapital“ die gleiche Maxime, wie im „Industriekapitalismus“, dann muss sich Lehmann entweder an die Marxsche Werttheorie halten oder er entwickelt seine eigene. Das muss er aber sagen. Nachdem er die Marxsche Formel G–W–G’ als Formel für die Darstellung von Mehrwert irgendwie akzeptiert, ist es nur schwer verständlich warum er sie wieder einfach in eine „Tauschoperation“ verwandelt. Es zeigen sich mindestens zwei Tauschoperationen: 1. Mit Geld wird Ware gekauft. 2. Dieselbe Ware wird gegen mehr Geld weiterverkauft. Dieser Vorgang ergibt aber keinen Sinn, wenn dieselbe Ware unvermittelt zwei verschiedene Werte erhält. Das hat sie aber nicht. Zumindest nicht bei Marx. Wenn also in der „Nichtbezahlung von Arbeit“ Mehrwert oder Profit entstehen, so wird die Mehrwertproduktion bei Lehmann wieder in einen ungleichen Tauschprozess verwandelt. Marx sagt aber, dass Mehrwert oder Profit weder im Tausch von Äquivalenten noch von Nichtäquivalenten entstehen. Wenn also die obige Formel einen Sinn ergeben soll, dann muss es eine besondere Ware geben, die in der Lage ist, zwei Voraussetzungen zu erfüllen: 1. Diese Ware wird zu ihrem Wert getauscht und bezahlt. 2. Diese Ware ist in der Lage am Ende ihres „Gebrauchs“ mehr Wert auszuweisen als sie im äquivalenten Tausch gekostet hat. Das heißt aber nicht, dass es hier „unmoralisch“ zuginge, denn im Kapitalismus ist das der Normalfall. Und es ist die Moral dieses Systems, die gilt für den Kapitalisten und für den Lohnarbeiter, sonst könnte von diesem gesellschaftlichen Verhältnis namens Kapitalismus ja überhaupt nicht die Rede sein. Dieses Verfahren hält Lehmann für „ungerecht“. Das stimmt. Marx hält dieses Verfahren ebenfalls für ungerecht. Wenn Marx von „unbezahlter Arbeit“ schreibt, dann ist das aber ein den Kapitalismus konstituierendes Grund-Element. Das ist nicht unmoralisch/unethisch, auch nicht das Gegenteil und es ist auch kein Beschiss. Deshalb sagt Marx, dass dieses ökonomische Funktionsprinzip abgeschafft werden muss. Erst dann haben wir es u. U. in einem etwas anderen Sinn mit gerechten Verhältnissen zu tun. Bei Lehmann wird der Kapitalismus moralisch/ethisch angeklagt. Das ist nicht nur legitim, sondern durchaus angebracht. Aber es ist noch einmal etwas anderes wenn Lehmann diesen „moralischen“ oder „ethischen“ Sachverhalt oder Umstand in ein ökonomisches Gesetz einschmuggelt und den ökonomischen „Selbstverwertungszwang“ (Marx) in eine Todsünde umwidmet: „… der Tauschhandel um des Gewinns willen (G–W–G’), die Todsünde der Habgier (avaritia).“7 Nachdem Lehmann die „Habgier“ zum prozessierenden Widerspruch des Kapitals gemacht hat, ist erstmal die Marxsche Werttheorie zum untergeordneten Beiwerk geworden. Damit werden die Marxschen Konsequenzen, dieses dominierende kapitalistische gesellschaftliche Verhältnis zu verwerfen, uminterpretiert. Lehmann argumentiert auch mit dem Papst „Ihn“, den Kampf „Kapitalist gegen Arbeiter, Kapitalist gegen Kapitalist, Arbeiter gegen Arbeiter“, „nicht als institutionalisierte Feindseligkeit zu betrachten, halte ich für völlig unrealistisch. Der Papst Franziskus ist hier hellsichtiger als Marxist Feininger. Er sagt ganz einfach: „Diese Wirtschaft tötet“ (Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium). Leider hat er recht.“8 Dass sich der Papst empört, muss man für selbstverständlich halten, es sollte ja geradezu ein Grundzug seines Amtes sein „soziale Ungleichheit“ dingfest zu machen und am besten mit dafür zu sorgen, dass sie beseitigt wird. Nur bleibt der Papst bei der Illustration, der Anklage dieser Ungleichheit stehen. Auch der Papst weiß natürlich, dass einer produzierten Ware eine entsprechende kaufkräftige Nachfrage gegenüberstehen muss. Dass diese Wirtschaft tötet, diese Tatsache ist niemandem verborgen geblieben, der hin und wieder die Medien verfolgt. Es ist also nicht das, was der Papst sagt von Bedeutung sondern, dass er diese Feststellung als Papst trifft. Und das ehrt ihn. Aber was empfiehlt uns der Papst, um Abhilfe zu schaffen? „Der Papst liebt alle, Reiche und Arme, doch im Namen Christi hat er die Pflicht, daran zu erinnern, dass die Reichen den Armen helfen, sie achten und fördern müssen.“ (Evangelii Gaudium) Von Kapitalismuskritik keine Spur. Was sich als fundamentale Kritik, gibt ist lediglich die Illustration der „moralischen Sündhaftigkeit“ in diesem Systems. Diese menschliche Grundkonstante reicht historisch von der Anbetung des goldenen Kalbes bis in die soziale Ungleichheit des Jahres 2018. Das alles hat zu tun mit gesellschaftlichen Verhältnissen, Eigentum, Herrschaft oder ökonomisch-politischen Widersprüchen und Ausbeutung und zwar in ihrer christlich-moralischen Deutung. Aus 2000jähriger Erfahrung mit gesellschaftlichen Widersprüchen, also der menschlichen Sündhaftigkeit, folgt für den Papst: Nächstenliebe, Wohltat und Demut. Hier Anrufung der Herrschenden, es Bitteschön daran nicht mangeln zu lassen. In diesen 2000 Jahren ist nicht nur der Ruf nach Nächstenliebe nicht erhört worden, sondern das gesamte kirchliche Konzept glaubensmäßiger Begründungen passte ganz gut in die jeweiligen Herrschaftsverhältnisse. Die Frage darf gestellt werden, wann eine Lehre ihre Unzulänglichkeit bewiesen hat oder als falsch gelten muss? Luther hat ähnlich argumentiert und als er Farbe bekennen sollte, zog er angeblich übergeordnete Prinzipien vor. Er hat vor 500 Jahren in seinen Schriften gegen den Wucher und Zins den Kampf aufgenommen gegen die Monopolia, heute würde man sagen das monopolisierte Handels- und Finanzkapital. Er hat seine Kollegen aufgerufen gegen das Zinsnehmen zu predigen, weil er gesehen hat, dass der Feudaladel ihm hier keine Stütze ist. Im Gegenteil. Luther wäre allerdings nicht Luther, hätte er nicht zuvorderst dafür gesorgt, dass herrschende Verhältnisse und bestehende Verträge unangetastet und bestehen bleiben. Jakob Strauss, Pfarrer in Eisenach, nahm Luthers Aufforderung wörtlich und empfahl seiner Gemeinde, das Zinsnehmen und Zinsgeben einzustellen. Strauss war nicht der einzige oder erste. Luther war aber der erste, der auf Revision bestand. Verträge seien nun einmal eingegangen, die müsse man halten. Auch der gemeine Mann solle sich so lange in Demut üben, bis von ganz oben Weisung erteilt oder die weltliche „oberkait“ für Abhilfe sorgen würde. Damit waren seine diesbezüglichen Schriften nicht nur papierener Protest, sondern Makulatur. Ich gehe davon aus, dass Lehmanns berechtigte Absicht ist, in seinen Artikeln eine möglichst breite Front gegen bestehende ungerechte Verhältnisse zu schmieden. Er sollte aber die reformerischen Absichten des Papstes, Luthers und der Protestanten als das bezeichnen, was sie sind. Und es wäre wichtig, sich diesen Absichten und ihren Begründungen etwas kritischer zu nähern als es Lehmann macht. Und die Absichten von Marx sollten ebenfalls als das bezeichnet werden, was sie sind: radikal und systemaufhebend. Und auch hier gilt, dass man sich dem Marxschen Werk durchaus kritisch nähern sollte. Dann kommt man auch in dieser Debatte um die heutige Bedeutung des Finanzkapitalismus weiter.
Peter Rapke, 5.12.2019
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