Initiative „Augsburgs Erbe bewahren“

Reese-Kaserne, Erhalt statt Abriss

Die Stadt will unbeirrt das letzte Bauensemble am historischen Exerzierplatz auslöschen

Alex Blümel

Hier wird Geschichte vernichtet: genau zum 75. Jahrestag des Endes des zweiten Weltkrieges und der Befreiung Augsburgs durch die Amerikaner, will die Stadt unbeirrt das letzte Bauensemble am historischen Exerzierplatz auslöschen. Dieses kleine Teilareal und die hier noch erhaltenen Gebäude zeugen von dem halben Jahrhundert amerikanischer Militärpräsenz und deren Verwebung und Spuren in unserer Stadtgesellschaft. Hier hätte die Stadt die Verantwortung für diesen Teil ihrer neueren Stadtgeschichte, Wertschätzung für diesen Teil ihres Erbes zu zeigen und mit einem angemessenen Umgang damit diese Aufgabe anzunehmen. Seit längerem versucht ein Kreis von Stadtakteuren in ein Gespräch mit Oberbürgermeister u.a. Vertretern der Stadt zu kommen und verfasste hierzu einen Appell für ein Moratorium bzgl. zeitnaher Abrisse. Aber die Politik stellt sich taub und ermöglicht keinerlei Kommunikation hierüber.

Durch ein starres Festhalten an veralteten Planungen werden hier zudem die Chancen vergeben auf eine zeitgemäße und zukunftsorienterte Gestaltung des Teilareals, auch Möglichkeiten einer besseren wirtschaftlichen Verwertung mit zudem höheren städtebaulichen Qualitäten. Die Stadtpolitiker hätten es rechtlich in der Hand, den B-Plan jederzeit abzuändern. Wenn der Autrag zum Abriss nicht vergeben wird, aktuell zeitnah insbesondere der Kantine und der Kradhalle, könnte der neu gewählte Stadtrat auf zeitgemäße, dringend nötige neue Erfordernisse eingehen und die Planungen abändern.

Seit letztem Jahr kämpft die Initiative Augsburgs Erbe bewahren“ darum, bei der Stadt Gehör zu finden für den Erhalt des letzten amerikanischen Kasernenensembles, das (noch) steht. Eine Handvoll Bestandsgebäude am Kastanien umwachsenen historischen Exerzierplatz, Kriegshaber.

Ein Appell im November an den Oberbürgermeister zu einem Moratorium und zu einem zeitnahen Gespräch mit Akteuren des Aufrufs, darunter mehrere Verbände sowie etliche Historiker, Universitätsdozent und andere, verhallte ungehört, einen Termin für ein Gespräch erhielten wir nie. Ebenso reagierten außer der Ausschussgemeinschaft keine der Fraktionen oder Parteien auf unsere mehrfach wiederholte Gesprächsanfrage. Auch Gespräche mit einzelnen Stadträten führten bisher zu nichts.

Warum ist dies so bitter? Zum einen entzieht sich die Stadt hier der Verantwortung ihrer neueren Zeitgeschichte gegenüber, indem sie die diese baulichen Spuren der amerikanischen Militärpräsenz abreissen lässt, ein mittlerweile letztes Ensemble mit Funktionsgebäuden, die nirgends sonst in Augsburg noch zu finden sind.

Zum anderen vergibt die Stadt hier ihre politisch durchaus mögliche Steuerung zugunsten einer höheren städtebaulichen Qualität auf diesem Teilareal der Kaserne. Hier wäre eine weitaus bessere Bebauung zwingend erforderlich, den Bestand schonend, aber höher als vorgesehen, um die gleiche Anzahl Wohneinheiten zu erreichen, somit effektivere Verwertung zu erreichen, sowie die Schaffung eines lebendigen neuen Quartiersplatzes mit dringend benötigten durchmischten Funktionen, die wunderbar in den Bestandsgebäuden am Platz bereitgestellt werden könnten.

Doch die Stadt und die Politik verweigert durch konsequente Funkstille jegliche Kommunikation und Umsteuerung, ignoriert vollkommen die mögliche Aufwertung des B-Plans zum Mehrwert der Bewohner, der Bürger und der Stadt selber. Gerade hier, auf einem derart besonderen und aufgrund der Lage wertigen Areal, wäre so viel Besseres und eigentlich dringend Notwendiges zu erreichen.

Unser Ziel, Verständnis zu wecken für ein Überdenken und dadurch resultierend eine Neuplanung des letzten Teilareals in der Reesekaserne wird aber verwerflicherweise beharrlich ignoriert. Eine Verhinderung der nahenden Abrisse würde dem künftigen neugewählten Stadtrat Gestaltungsoptionen erhalten gemeinsam mit dem historischen Bestand und nicht gegen ihn. Aber die Stadt, der Bürgermeister, die Politiker sind augenscheinlich nicht gewillt, durch eine Umplanung Besseres zu erreichen als in mittlerweile nicht mehr zeitgemäßen, veralteten Planungen der 2000er vorgesehen, als noch ganz andere Rahmenbedingungen, keine Uniklinik, weniger Bevölkerung u nd anderes bestanden.

Die Stadt entzieht sich ihrer Verantwortung und nimmt die ihr zustehenden politischen Spielräume und Gestaltungsmöglichkeiten nicht wahr.

A. Blümel, Initiative „Augsburgs Erbe bewahren“ http://gaertnerhaus-im-park.de/

Alle Fotos: © Martina Vodermayer

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Kradhalle, Fahnenmast, Kantine

 

 

Offener Brief an Oberbürgermeister Gribl und den Augsburger Stadtrat


An die Stadt Augsburg
Referat Oberbürgermeister
Herrn Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl mit allen Stadträtinnen und Stadträten
Rathausplatz 1
86150 Augsburg

Augsburg, November 2019 / Januar 2020

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Gribl, sehr geehrte Damen und Herren des Augsburger Stadtrates,

wir, die Unterzeichner, treten an Sie heran, stellvertretend für viele Augsburger Bürger, sowie Freunden der Stadt und auch Fachleuten, mit der dringenden Bitte, ein Moratorium zu erlassen für ein Teilareal der ehemaligen Reese-Kaserne und ihre letzten, um den historischen Exerzierplatz stehenden sechs erhaltenen Gebäude. Wir fordern Sie nachdrücklich auf, den mehr als zehn Jahre alten Bebauungsplan und die dort damals festgehaltenen Bauziele zu ändern und damit den Erhalt dieser stadt- und zeitgeschichtlich so wichtigen Gebäude und des Platzes zu sichern.

Wir fordern einen angemessenen Umgang mit diesem wichtigen und unabdinglichen Baustein der Augsburger Geschichte, einem Ort, der beispielhaft von dem so ereignisreichen 20. Jahrhundert, von militärischen Umbrüchen berichtet, Ereignissen wie Weltkrieg, Befreiung, Besatzung, Demokratisierung, kalter Krieg, Bündnissen.

Es handelt sich hier um das unwiderruflich letzte, noch existierende Ensemble von Militärgebäuden in unserer Stadt, welches beispielhaft die Geschichte unseres Landes und unserer Stadt abbildet. Gebaut von den Nationalsozialisten, wie unzählige weitere Kasernen im ganzen Land, im Zuge der Militarisierung und Kriegsvorbereitungen.

Doch dieses letzte kleine Kasernenareal – ‚Reese‘ – beschränkt sich nicht nur auf die zwölf Jahre Nazidiktatur und deren bauliche Spuren, vielmehr schließen sich hier 50 Jahre, ein halbes Jahrhundert, amerikanische Nutzung an. 50 Jahre, in denen Deutschland befreit wurde, versucht wurde zu entnazifizieren, geholfen wurde wiederaufzubauen und vor allem zu demokratisieren.

Ein halbes Jahrhundert, in dem unserer Land zu dem wurde, was es heute ist.

In Augsburg, wo in den letzten 20 Jahren all die anderen von den Amerikanern genutzten, z. T. sehr großen Kasernenareale baulich und somit historisch fast zur Gänze ausgelöscht wurden, kann man diese spezifische, für das 20. Jahrhundert bedeutsame Epoche der langen Augsburger Geschichte nur noch hier, in der ehemaligen Reese-Kaserne, ablesen. Mannschaftsgebäude mit ergänzten, so typischen amerikanischen Feuertreppen, Kantine, Kino (ursprünglich als Sporthalle erbaut), Werkstatt, der alte Exerzier- und Appellplatz sowie der letzte noch stehende amerikanische Fahnenmast aller Augsburger army bases, wo regelmäßig mit Trompetensalut die ‚Stars and Stripes‘ gehisst wurden. Zu der militärischen Nutzung kam zudem noch die jahrelange Mitnutzung von Teilen der Reese-Kaserne durch die University of Maryland, nämlich in den lange vom Kulturpark West zwischengenutzten Gebäuden.

Augsburg war als Stützpunkt der Amerikaner im Süden Deutschlands bekanntlich von hohem

Rang und Bedeutung, ein wichtiger Versorgungsknotenpunkt für ganz Süddeutschland. Alle Truppengattungen, Army, Navy, Airforce, waren hier u.a. wegen der Abhöranlage Gablingen präsent, Zehntausende von ‚civilians‘ arbeiteten im Lauf der Jahrzehnte mit und für die Amerikaner, auch viele Freundschaften entstanden, oftmals sogar Familien.

Augsburg hat seine amerikanische Partnerstadt, regelmäßig besuchen US-Veteranen und deren Familien unsere Stadt, es gibt Vereine, die sich aktiv der Pflege der deutsch-amerikanischen Freundschaft verschrieben haben. Sehr viele Augsburger Bürger haben persönliche Erinnerungen an diese 50-jährige gemeinsame Zeit. Doch was finden all diese Personen vor, wenn sie zu uns bzw. dorthin kommen? Sie suchen die Spuren ihrer, unserer gemeinsamen, Geschichte nahezu vergebens. Soll wirklich nahezu alles, außer den ehemaligen Wohngebieten der Amerikaner und einer Handvoll Einzelgebäuden verschwinden, soll so gut wie nichts mehr an die vier Kasernena nlagen erinnern, die Seite an Seite mit den deutschen Wohnvierteln jahrzehntelang bestanden und genutzt wurden?

Deshalb rufen wir Sie auf: Weichen Sie ab von der nach dem Abzug der Amerikaner faktisch umgesetzten Linie der Komplettabrisse der Kasernen und somit dem Auslöschen der Spuren dieser Zeitepoche. Erhalten Sie mit uns allen gemeinsam diese letzten Spuren dieses expliziten Teils der Augsburger Zeitgeschichte.

Dieses letzte Militärensemble dieser Epoche auf räumlich sehr begrenztem Areal, der besagte Exerzier- und Appellplatz mit seinen letzten noch stehenden sechs Gebäuden hat das Potential zum Herzen des gerade neu entstehenden bzw. wachsenden Viertels zu werden. Dies diente zugleich dem Erhalt wertvollen Grünbestands.

Sensibel mit diesem zeitgeschichtlichen Bestand umgehen, diesen Teil unserer Augsburger Geschichte hier vor Ort an historischen Gebäuden und Platz ablesbar halten.

Nun bitten wir Sie, Herr Oberbürgermeister, das Moratorium anzuordnen, damit Politik und Stadtgesellschaft Zeit gewinnen, um hier historisch besonnen, mit Blick in die Zukunft, sensibel und vor allem angemessen mit diesem letzten US-Militärareal umzugehen

Hochachtungsvoll

Bund Deutscher Architekten
BDA Augsburg / Schwaben

PD Dr. Stefan Paulus
Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte Universität Augsburg

Dr. Barbara Wolf
Kulturwissenschaftlerin
Architekturmuseum Schwaben

Initiative »Augsburgs Erbe bewahren«

Bürgeraktion Pfersee

BUND Naturschutz

Ortsgruppe Augsburg

Baum-Allianz Augsburg e.V.

Franz Dobler
Schriftsteller und Journalist

Daniel Anzaldua
Herausgeber Stadtmagazin Neue Szene
US - Amerikaner

T. Brenner M.A. Historiker

Dr. Gregor Nagler Architekturhistoriker
TU München




   
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