Nachfolgend veröffentlichen wir den offenen Brief des Arbeitskreises unbegleitete Minderjährige auf Lesbos an die Augsburger Bürgermeister_innen, Stadträt_innen, Stadtverwaltung und die Bürgerschaft. Der Arbeitskreis und die zahlreichen am Ende genannten Unterstützer_innen fordern die Aufnahme von 25 unbegleiteten Kindern in Augsburg. Zusätzlich bringen wir einige Fotos, die vom HopeProjectKempson zur Verwendung freigegeben sind. Maria Möller weist darauf hin, dass die Unterzeichnung des Briefes weiter möglich ist über die E-Mail-Adresse umF-Lesbos@online.de

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An die Oberbürgermeister*in
und die Stadträt*innen der Stadt Augsburg
sowie die Augsburger Stadtgesellschaft

Arbeitskreis unbegleitete Minderjährige (umF) auf Lesbos

Augsburg, 08.04.2020

Offener Brief:
25 unbegleitete Minderjährige finden Zuflucht in Augsburg

Corona darf uns nicht die Notleidenden und Gefährdeten auf Lesbos vergessen lassen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Gribl,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin und zukünftige Oberbürgermeisterin Weber,
sehr geehrter Bürgermeister Dr. Kiefer,
sehr geehrte Referatsleiter,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger der Stadt Augsburg,

der Coronavirus fordert gerade unser aller Aufmerksamkeit. In diesem Zusammenhang wird viel über Solidarität gesprochen und dazu aufgerufen. Solidarität wird in einem kaum zu erahnendem Ausmaß ausgeübt.

Ungeachtet unserer zweifelsohne begründeten eigenen Probleme verschlimmert sich die humanitäre Not auf Lesbos und weiteren Teilen Griechenlands indessen weiter. Es wird immer notwendiger, unsere Aufmerksamkeit auch wieder dorthin zu richten und Solidarität gegenüber Menschen in lebensbedrohlicher Not zu zeigen.

Dr. Maria Möller, eine Augsburger Ärztin, die im Sommer und Herbst letzten Jahres insgesamt 9 Wochen auf Lesbos Hilfe leistete, berichtet Erschütterndes. Ähnliches ist der Presse fast täglich zu entnehmen.

Kinder und Jugendliche werden in ihrer Seele zerstört und müssen um ihr Leben fürchten. Vergewaltigungen, Gewalt, Krankheiten, Unterernährung und Suizidversuche sind an der Tagesordnung und zum alltäglichen Bild geworden. Die Menschen warten zusammengepfercht, ohne Arbeitsmöglichkeit, ohne Schule und Betätigung ein bis drei Jahre auf ihre Anhörung. Und seit März 2020 wird das Asylrecht mit Füßen getreten. Die Menschen sollen ohne Anhörung in die Krisengebiete abgeschoben werden, aus denen sie aus Angst um ihr Leben geflohen sind.

Die überfüllten Lager sind keine Plätze, in denen Kinder und Jugendliche als Nachkommen für eine friedliche Zukunft aufwachsen können. Die Zustände auf Lesbos überstiegen bereits im Herbst 2019 alle Befürchtungen.

Können wir über diese alltäglichen Szenarien hinwegsehen?

Die Lage auf Lesbos hat sich seit Maria Möllers Einsatz keinesfalls entspannt.

Während bei uns mit Recht der Katastrophenfall wegen des Coronavirus ausgerufen wurde und wir penibel auf Hygienemaßnahmen achten, teilen sich auf Lesbos über 160 Menschen eine Toilette, 240 eine Dusche und mehr als 1000 einen schlecht funktionierenden Wasseranschluss. Im einzigen Krankenhaus auf Lesbos ist allenfalls eine Notversorgung der Geflüchteten möglich.

Es geht hier nicht nur um Decken und Kälte, es geht um das nackte Überleben der Menschen auf den griechischen Inseln. Die EU nimmt diese Zustände tatenlos hin. COVID 19 könnte unter den gegebenen katastrophalen Umständen zur Todesfalle werden.

Können wir diese tickende Zeitbombe ignorieren?

Die Friedensstadt Augsburg hat in vorbildlicher Weise seit 2015 Strukturen aufgebaut, um geflüchteten Menschen zu helfen. Gegenwärtig wird viel Energie darauf verwendet, diese Strukturen insbesondere in der Jugendhilfe abzubauen!

Fachkräfte, die zu Expert*innen ausgebildet worden sind und in den letzten Jahren einen großen fachlichen Erfahrungsschatz im Bereich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF) sammeln konnten, werden entlassen, Wohngruppen für junge Geflüchtete geschlossen.

Wir müssen Bereitschaft zeigen, die gegenwärtig freien Plätze für die dringend nötige humanitäre Hilfe anzubieten. Es sollte selbstverständlich sein, dass die Stadt Augsburg für die Menschenwürde eintritt.

Die EU hat im Rahmen der Koalition der Willigen die Aufnahme von 1000-1500 Minderjährigen in ihre Länder beschlossen, allerdings ist die Umsetzung noch nicht absehbar und die Zahl nicht der Not angemessen. Zudem würde das für Augsburg die Aufnahme von allenfalls 1-2 umF bedeuten.

Nach unseren Informationen stehen in Augsburg mindestens 25 freie Plätze für Kinder und Jugendliche zur Verfügung!

Wir bitten daher den Stadtrat, einen Beschluss zu fassen und sich als Kommune bereit zu erklären, zusätzliche unbegleitete minderjährige Geflüchtete aus den überfüllten griechischen Lagern zu holen.

Darüber hinaus bitten wir Sie, unsere*n Oberbürgermeister*in, sich für eine bundesweite Regelung zu einem Aufnahmeverfahren in kommunaler Entscheidung sowie eine entsprechende Finanzierung durch die zuständigen Kostenträger einzusetzen.

Es ist notwendig, dass Bayern so schnell wie möglich auf ein Landesaufnahmeprogramm hinarbeitet, was laut eines Rechtsgutachten der Anwaltskanzlei Redeker, Sellner und Dahs möglich ist ( www.rnd.de ). Das ist nur mit Nachdruck und der Bereitwilligkeit der Kommunen zu schaffen. Wir bitten die Stadt Augsburg durch die Bereitstellung ihrer freien Plätze ein deutliches Signal an die Landesregierung zu senden und damit als Friedensstadt einen Beitrag zur Rettung der unbegleitet minderjährigen Flüchtlinge zu leisten.

Es gibt sehr viele Menschen in den Lagern, die keine Gegenwart und Zukunft haben!

Die Flüchtlingslager auf Lesbos müssten dringend vollständig evakuiert werden und das, bevor auch dort die Coronavirus-Epidemie ausbricht.

Wir müssen umgehend zumindest unseren kleinen, ohne großen Aufwand machbaren Beitrag an Hilfe leisten!

In Augsburg können wir 25 Kindern und Jugendlichen eine Zukunft in Sicherheit und Frieden bieten.

 

Unterzeichnet vom Arbeitskreis umF auf Lesbos

Dr. med. Maria Möller, Ärztin, Medizinischer Einsatz auf Lesbos in 2019

Corinna Höckesfeld, Tür an Tür-Integrationsprojekte gGmbH

Gabriele Opas, Freiwilligen-Zentrum Augsburg, Patenschaften für umA‘s

Maria Brandenstein, Praxis Begabungsmanagement, Resilienz und Soziokratie

Dr. med. Elisabeth Friedrichs, Ärztin

Matthias Schopf-Emrich, Vorstand Tür an Tür e.V.

Annalena Nietsch, Studentin

Carsten Unger, Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Hochzoll

Simon Oschwald, Einrichtungsleitung Migration, Diakonie Augsburg

Lilli Martel, Migrationsberatung

 

Mit unterzeichnet haben:

FiLL e.V.

Tür an Tür

AFFA - Augsburger Forum Flucht und Asyl

Bildungsbündnis

Bürgerstiftung Augsburg „Beherzte Menschen“

Sensemble Theater gGmbH

Diakonisches Werk Augsburg e.V.

Augsburger Flüchtlingsrat

Bayerische Rote Kreuz, Kreisverband Augsburg-Stadt

Solwodi Augsburg

Augsburg Postkolonial – Decolonize Yourself

Grandhotel Cosmopolis e.V.

Matteo Kirche und Asyl

Frauen für Frieden

Pax Christi Diözesanverband Augsburg

Freiwilligen-Zentrum Augsburg gGmbH

F*streikkommitee

Integrationsbeirat Augsburg

Grüner Aktionskreis Vielfalt - gegen Rassismus und Rechtsextremismus

Seebrücke Augsburg

AG Mutual

Die Seiferei

Fridays for Future Augsburg

Eltern für Afrika e.V.

RESQSHIP e.V.

pro familia Augsburg e.V.

Luana Schule Augsburg

Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Augsburg

BDKJ Diözesanverband Augsburg (Pfr. Dominik Zitzler, Norbert Harner, Teresa Jetschina, Julia Spanier und Annemarie Leis)

Amnesty International / Bezirk Augsburg

Augsburger Friedensinitiative (AFI)

Helferkreis Christkönig

Helferkreis Aufwind

Helferkreis Hochzoll

Helferkreis Asyl Hochfeld

AK Asyl Kriegshaber

Diakon Ralf Eger, Diözesaner Flüchtlingsbeauftragter

Dekan Helmut Haug, Moritzkirche Augsburg

Leslie Seymor, Moritzpunkt

Maria Brandenstein und Tom Hecht, Sprecher*innen der Lokalen Agenda 21 für ein zukunftsfähiges Augsburg

Christine Kamm, Sprecherin der LAG Asyl, Migration und Integration

Susanne Reng für das Junge Theater Augsburg

Souzana Hazan, Kuratorin, Jüdisches Museum Augsburg Schwaben

Dr. Barbara Staudinger, Direktorin Jüdisches Museum Augsburg-Schwaben

Erwin Schletterer, BRÜCKE e.V. Augsburg

Vorstand des Soziokratie Zentrums Augsburg e.V.

Katholische Hochschulgemeinde (KHG) Augsburg

Anton Stegmair, Abteilung Weltkirche im Bistum Augsburg

Marion Magg-Schwarzbäcker, TERRE DES FEMMES Städtegruppe Augsburg

Katrin Jacob, TERRE DES FEMMES Städtegruppe Augsburg

Cynthia Matuszewski, TERRE DES FEMMES Städtegruppe Augsburg

Antonia Dietze, TERRE DES FEMMES Städtegruppe Augsburg

Gabriele Zoczek, TERRE DES FEMMES Städtegruppe Augsburg

Angelika Rodler, TERRE DES FEMMES Städtegruppe Augsburg

Barbara Sperr, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin

Marina Heim, Botschafterin der Vielfalt, Flüchtlingspatin umF

Redaktion www.forumaugsburg.de


Astrid Casablanca

Wilfred Nann und Josefa Britzelmaier-Nann Kornelia Kunz

Jutta Eckert

Marianne Mors

Richard Mayer-Sonnenburg

Christa Konnertz

Friederike Kreß

Agnes Mayer-Sonnenburg

Jutta Holzapfel

Christel Malhöfer (Netwerkerin)

Ingo Pfennig

Frédéric Zucco

Monika Kaiser

Werner Appelt

Christian Artner-Schedler

Juliane Wanner

Sarah Schützenberger

Rea Dylong

Jan Krawiec

Angelika Walter

Martha Regnet

Brigitte Schwarz

Eva-Maria Greve

Maria Schmaus

Christa Kannheiser

Jolanta Krawietz

Josef Krawietz

Jakob Krawietz

Anna Semmler

Eva Brunner

Theresa Schmaus

Gerti Sollfrank

Johannes Kirchmayr

Clara Bracklo

Michael Lippok

Leo Selinger

Kyra Schneider

Anja Schäfer

Emma Bschorer

Ute Kron

Antje Poggensee

Sunni Strewe

Christine Brandmeir

Werner Neidel-Friederich

Susanne Häckner

Klaus Raukuttis

Gottfried Joos

Dietlinde Genero

Michael Rösch

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Philippa Kempson: Es fehlt an allem. Aber am meisten mangelt es an Unterkünften. Als Moria gebaut wurde, war es für 750 Menschen konzipiert. Dann wurde die Kapazität auf fast 2000 ausgebaut. Aber es sind jetzt schon über 6000 Menschen im Camp und es kommen ständig neue an. Auf dem Foto sieht man den “Willkommens”-Bereich von Moria, die meisten müssen draußen warten, weil es drinnen zu voll ist. Nicht zu vergessen: Da hat es auch noch geregnet. ... Bild: Philippa Kempson, 2017 Seawatch – Mittlerweile sitzen in Moria mehr als 20.000 Menschen fest, nun auch noch unter einer Ausgangssperre. Die schütze aber nicht vor Corona, sondern verschärfe nur die Panik im Camp, so Peter Casaer von Ärzte ohne Grenzen. Eine riesige Siedlung aus Containern, Wellblech-Hütten und Zelten, ausgebreitet über Hügel und OIivenhaine. Müll türmt sich in den Gassen, immer wieder kommt es zu Bränden. Unter Plastikplanen leben Tausende Familien mit Kindern, Menschen drängen sich auf engstem Raum. Auch auf Lesbos ist der Winter bitterkalt, und in Moria fehlt es nicht nur an Nahrungsmitteln, sondern auch an Decken, Heizung und Strom. "Und natürlich haben die Leute hier Husten, Fieber, Durchfall", erklärt Peter Casaer. Nach tagesschau.de 3.4.2020



   
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