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Strafprozess vor dem Amtsgericht AugsburgPrügel-Trio zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt Von ausländerfeindlichen Motiven geleitetvon Artur Hoch Am Montag, den 24.05.2022, fand vor dem Amtsgericht Augsburg der zweite Verhandlungstag eines Prozesses statt, bei dem drei deutsche Staatsbürger in zwei Fällen der gemeinschaftlichen schweren Körperverletzung mit ausländerfeindlichem Hintergrund beschuldigt werden (wir berichteten ( 1 ) ) . Im März vergangenen Jahres hatte das Trio an einem Abend an zwei verschiedenen Orten einen Eritreer und einen Syrer verprügelt. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Gericht sahen dies nun als erwiesen an. Das Gericht verurteilte deshalb zwei der drei Männer zu einer Haftstrafe von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten, den dritten zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ohne Bewährung. Wie bereits am ersten Verhandlungstag gestaltete sich die Beweisaufnahme schwierig. So behauptete beispielsweise ein Taxifahrer, der an einem Tatort Zeuge des Geschehens gewesen war, bei den Tätern habe es sich seiner Überzeugung nach um Jugendliche gehandelt. Die drei anwesenden Angeklagten könne er dem Geschehen nicht zuordnen. Und dies, obwohl er die Scheinwerfer seines Wagens damals auf das Tatgeschehen gerichtet hatte. Gleichzeitig gab er aber an, er habe sich in seiner Praxis als Taxifahrer angewöhnt, den Menschen nicht ins Gesicht zu sehen. Er war auch der Einzige von fünf Zeugen, der bei der Zeugenbefragung seine Maske nicht abnahm und allen Fragen bezüglich der möglichen Täterschaft der drei Angeklagten auswich. Er erklärte jedoch, gesehen zu haben, wie eine Glasflasche aus dem Rucksack eines der Angeklagten herausgefallen und am Boden zerbrochen sei. Ob es sich dabei um dieselbe Flasche gehandelt haben soll, deren aktiven Wurf der Angeklagte selbst eingeräumt hatte, blieb unklar. Auch die Aussage des eritreischen Opfers blieb zunächst hinter dessen damals gemachten Angaben zurück, was sichtbar auch sprachlichen Hürden geschuldet war. Dennoch konnte er diese Angaben nach Vortrag der Vorsitzenden bestätigen. Allein der syrische Geschädigte identifizierte alle drei Angeklagten klar als diejenigen, die ihn geschlagen hatten. Er war damals an einer Tankstelle von ihnen zunächst nach Kokain und Marihuana gefragt worden. Als er verneint hatte, entstand ein Gerangel, bei dem einer der Angeklagten eine Flasche aus dem Kofferraum seines Autos zog, um ihn damit anzugreifen. Beim Versuch dies abzuwehren, war er selbst zu Boden gestürzt und dann von allen dreien verprügelt worden. Er räumte dabei ein, dass er selbst alkoholisiert gewesen sei, weswegen er sich nicht rechtzeitig der Situation gänzlich entziehen konnte. Auf die Frage der Vorsitzenden zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten war nur einer von ihnen zu Angaben bereit. Die Vorsitzende listete während der Verhandlung eine bei jedem der Angeklagten ganz beträchtliche Anzahl von Eintragungen in das Bundeszentralregister auf, in dem verurteilte Straftaten erfasst werden. Bei einem der Angeklagten waren es fünf Einträge, bei einem anderen zehn und beim dritten elf. Erwähnt wurde ein breites Spektrum von Straftaten meist einschlägiger Natur und wiederholt auch Körperverletzung. Bei zwei der Angeklagten fiel der Tathergang in eine noch laufende Bewährungsfrist. Der Dritte hatte die positive Beendigung einer Bewährungsfrist erst kurz hinter sich. In seinem Plädoyer zu den Strafanträgen ließ der Staatsanwalt trotz der schwierigen Beweisaufnahme keinen Zweifel daran, wie sich der Gesamtzusammenhang für ihn darstelle. Das Trio sei leicht alkoholisiert darauf aus gewesen, Menschen migrantischer Herkunft oder ausländischen Aussehens zu verprügeln. Darauf verwiesen neben den tatsächlichen Vorfällen auch die Aussagen von Zeugen. Einer sei von dem Trio nach einem Türken zum Verprügeln gefragt worden und nach einer der Taten hätten sie nach Zeugenaussage gemeinsam aus dem Lied „Türke, was hast du getan?“ (Dieses Lied muss als volksverhetz end bezeichnet werden, was die Vorsitzende später auch tat; d. Verf.) gesungen. Auch d er von einem der Angeklagten behauptete Schlichtungsversuch w e rde durch keine Zeugenaussage belegt. E s sehe dazu so aus, dass der teilgeständige Angeklagte versucht habe, die anderen beiden dadurch aus dem Schussfeld zu nehmen. Er habe am ersten Verhandlungstag auch relativ gleichgültig erklärt, wenn nötig noch Weiteres zu gestehen. In beiden verhandelten Fällen seien die Angeklagten in ihrer Gemeinsamkeit und teils als Einzelne ihren Opfern körperlich überlegen gewesen. Zudem hätten sie nicht von ihren Opfern abgelassen, nachdem diese schon am Boden lagen, sondern sie weiter geschlagen und getreten. Der Staatsanwalt forderte deshalb für einen der Täter eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und zehn Monaten, für die anderen beiden eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Die Verteidigerin des teilgeständigen Täters verwies strafmindernd auf die Mithilfe ihres Mandanten bei der Aufklärung. Außerdem könne das Ausmaß seines persönlichen Anteils durch Zeugen und Betroffene nicht zweifelsfrei zugeordnet werden, da diese nicht detailliert darlegten, von welchem der Beteiligten sie am Boden liegend geschlagen oder getreten wurden. Zudem weiche das ärztliche Gutachten eines Opfers, das sich anschließend in medizinische Behandlung begeben hatte, deutlich von der vorgetragenen Heftigkeit der Schlägerei ab. Sie forderte deshalb eine Haftstrafe von zwei Jahren für ihren Mandanten. Dass kein Strafmaß mit Bewährung in Frage komme, sei ihr klar ( Das war wohl auch der Hinweis darauf, dass in den drei Rechtsgesprächen des ersten Verhandlungstages von den Verteidigern offenbar vergebens versucht worden war, sich auf Strafen von bis zu einem Jahr mit Bewährung zu einigen; d. Verf.). Der Verteidiger des zweiten Angeklagten folgte in der Frage des Schuldanteils seines Mandanten den Ausführungen seiner Kollegin. Angesichts der positiven Zukunftsprognose seines Mandanten mit dem beabsichtigten Beginn einer Ausbildung forderte er dessen Freispruch. Dieser Angeklagte war der einzige, der das letzte Wort nutzte, um knapp zu sagen, dass es ihm leidtue. Ebenso forderte der Anwalt des dritten Angeklagten, der sich wie sein Mandant inhaltlich nicht geäußert hatte, Freispruch für diesen und erklärte, dass er auf Wunsch seines Mandanten auch jetzt auf weitere Erläuterungen verzichte. Wenn sich dieser Angeklagte auch nicht mündlich geäußert hatte, so trug er an diesem Verhandlungstag doch ein T-Shirt mit der durchaus aussagefähigen, rückseitigen Aufschrift „Heute möchte ich etwas mit Menschen machen – Schubsen wäre toll“ und neben anderen sichtbaren Tatoos war auf seinem linken Handrücken das Wort „ FIGHTERS“ tätowiert. Bei der anschließenden Verkündung des Urteils machte sich die Vorsitzende in weiten Teilen die Ausführungen des Staatsanwalts zu eigen. Obwohl sie nicht glaube, dass die Angeklagten richtige Neonazis seien, die organisiert und vernetzt seien ( w oher sie gerade diese Vermutung angesichts der aufgelisteten Vorstrafen, der Ankündigung vor zumindest einer der Schlägereien und des gesungenen rechtsradikalen Liedes ableitete, blieb unklar; d. Verf.) . Zumindest seien sie an diesem Abend von ausländerfeindlichen Motiven geleitet gewesen. Wahrscheinlich hätten sie es als zu langweilig empfunden, nur gemeinsam zum Saufen zu gehen (alle drei Angeklagten hatten zur Tatzeit Alkoholwerte im Blut, die sie zwar nicht mehr zum Autofahren berechtigt hätten, ihre Zurechnungsfähigkeit aber nicht in Frage stellen konnten; d. Verf.). Der Schuldanteil jedes Einzelnen sei hier nicht, wie von den Verteidiger*innen gefordert, einzeln zu bewerten, sondern es handle sich um gemeinschaftliche Taten, bei denen keiner der Beteiligten nachweislich versucht habe, diese zu unterbinden. Das Teilgeständnis des einen habe zugegeben geholfen, die Personengruppe klar zu definieren, die an den Handlungen beteiligt war. Dennoch habe sich die von ihm behauptete Reue während der Verhandlung nicht feststellen lassen. Er habe das gesamte Geschehen unbeteiligt und anscheinend uninteressiert verfolgt. Insgesamt seien keine entlastenden Fakten für die Angeklagten zu erkennen. Bei zwei Tätern falle die Verurteilung noch in eine laufende Bewährung. Für die Annahme einer positiven Perspektive reiche es ebenfalls nicht aus, unmittelbar nach der positiven Beendigung einer Bewährungszeit erneut straffällig zu werden. Gegen die verhängten Strafen können innerhalb einer Woche Rechtsmittel eingelegt werden. Artur Hoch, 24. Mai 2022 1 Hoch, Artur. „Stadtspaziergang mit Ausländerjagd? Strafprozess vor dem Amtsgericht Augsburg“. Forum solidarisches und friedliches Augsburg, 18. Mai 2022. https://www.forumaugsburg.de/s_1aktuelles/2022/05/18_auslaenderjagd.htm .
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