Augsburger Klimabündnis organisiert die Verteidigung von Lützerath
22.1.2023
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Zehntausende demonstrierten am Samstag, 14. Januar, in Keynenberg, ca. 50 km nordwestlich von Köln. Tausende versuchten auch in den Nachbarort Lützerath und an das stark gesicherte Gelände des Braunkohleabbaus zu gelangen. Hier ein kurzer Post der Teilnehmer aus dem Augsburger Klimacamp:
„Post des Augsburger Klimacamps auf Instagram
Auch das Klimacamp Augsburg war heute bei der Demo in Lützerath am Start. Genau wie viele andere Menschen, die sich heute gegen den Abbau von Lützerath und der Kohle, die darunter liegt, einsetzten. Insgesamt gehen wir von 35.000 – 50.000 Menschen aus.
Da es bei der Demonstration häufig auf der Seite der Polizei einseitig zu Gewalt kam, entschieden wir uns, die Großdemo am 14. Januar vorerst aus der positiven Perspektive zu betrachten. Denn für viele Menschen, die an der Demo teilnahmen, war diese Demo auch ein super schönes Erlebnis. Und wir waren viele, haltet euch an Klimaziele. Das Leid und den Schmerz, den die Übergriffigkeit und die Aggression der Polizisten bei vielen friedlichen Bürger_innen auslösten, werden wir nicht vergessen.
#lützibleibt #unräumbar “
Dies ist der einzige Bericht des Augsburger Klimacamps über die Aktion in/bei Lützerath, den wir fanden. Für einen ausführlichen Bericht sind die Teilnehmer_innen wohl noch zu erschöpft von der gewaltigen Aktion oder betrachten es als wichtiger, an den verschiedenen Fronten weiterzukämpfen: gegen den Autobahnausbau im Fecher bei Frankfurt oder die Rodung des Eichenwalds in Ulm. Auch in und wegen Lützerath ging der Widerstand sofort weiter. Am 17. Januar gab es eine Demo am Landtag von Nordrhein-Westfalen „Lützerath unräumbar!“. Für den 22. Januar ist ein Dorfspaziergang in Lützerath angesagt: „THEY TRY TO BURY US, BUT THEY DIDN'T KNOW THAT WE ARE SEEDS. Sie versuchen, uns zu begraben, aber sie wussten nicht, dass wir Samen sind. Gemeinsam blicken wir zuruck auf 2,5 Jahre in Lützi & nach vorn auf neue Wege – denn die Kohle ist im Boden & Lützi lebt!“
Auch die Agitation in Augsburg geht nahtlos weiter. So wurde am 16. Januar der Eingang des Grünen Büros versperrt „Wegen Kohleabbau geschlossen“. Dahinter ein Haufen Erde und ein Bagger. In der Innenstadt wurden großflächige Plakate hinter Glas ausgetauscht mit „Klimaschutz heißt: Lützerath verteidigen“
Auf was es uns in diesem Artikel ankommt, sind weniger die Einschätzung der Aktion in Lützerath und ihre Nachwirkungen – dazu später vielleicht ein Artikel –, sondern die Vorbereitung der Aktion in Augsburg und die Stellungnahmen aus dem Klimacamp beziehungsweise dem Klimabündnis im Vorfeld.
Dazu erstens die scharfe Reaktion des Klimacamps auf einen Frontalangriff der Augsburger Allgemeinen. Das Klimacamp bezieht sich auf einen Kommentar in der Onlineausgabe der Augsburger Allgemeinen: „Die gefährliche Schlagseite der Lützerath-Proteste. Der Widerstand gegen die Abbaggerung des Örtchens Lützerath setzt auf radikale Linksextremisten, missachtet Demokratie und Rechtsstaat und ist unternehmensfeindlich.“ In der gedruckten Ausgabe der Augsburger Allgemeinen wurde aus diesem Kommentar ein Leitartikel. Dabei wurde die zweite Überschrift etwas abgeschwächt: „Der Widerstand gegen die Zerstörung des Örtchens hat ein edles Ziel. Doch die Aktivisten missachten demokratische Prinzipien und paktieren mit Linksradikalen.“ Ansonsten blieben die Aussagen in der Druckausgabe gleich.
In der Stellungnahme des Klimacamps heißt es im Vorgriff auf die Aktion: „Die Proteste in Lützerath sind ein probates Mittel, um das Thema auf die gesellschaftliche Agenda zu setzen. Das ist von überragender Wichtigkeit, denn in einer Demokratie sind Beschlüsse erst nach ausführlicher gesellschaftlicher Debatte möglich“. Und es dürfte nicht übertrieben sein, wenn man jetzt feststellt, dass es durch die Aktion(en) tatsächlich gelungen ist, den Braunkohleabbau „auf die gesellschaftliche Agenda zu setzen“. Die Medienreaktion ist gewaltig und immerhin gab es am 19. Januar sogar eine Bundestagsdebatte darüber in einer aktuellen Stunde.
Zweitens organisierte das Klimacamp eine erfolgreiche Fahrt mit fünf Bussen nach Lützerath.Damit erwies sich das Augsburger Klimacamp als einer der führenden Organisatoren in Bayern. Und seine Erfahrung mit dem Staatsschutz führten zu erfolgreichen Gegenmaßnahmen, damit die Abreise ungestört bleibt.

Drittens organisierte ein Klimabündnis in Augsburg am 6. Januar eine Demonstration zum Erhalt Lützeraths. Wir bringen die Rede einer Aktivistin vor dem LEW-Gebäude am Königsplatz, die sie uns als Manuskript überließ. Darin bringt sie zum Ausdruck, wie die junge Bewegung tickt und welchen ungeheuren Stellenwert Lützerath für sie hat. Immerhin hätte das Augsburger Klimacamp die Besetzung neben dem Rathaus beinahe aufgegeben wegen der organisatorischen Anforderungen der Fahrt nach Lützerath. Die Räumung in Lützerath wird in der Rede prophezeit, aber nicht als Niederlage gesehen. Und die Medien, die die „Niederlage“ jetzt wochenlang durchkauen, geben damit ja faktisch zu, dass es keine war. Denn eine echte Niederlage könnte man ja ad acta legen. Aber die Medien verfransen sich regelrecht in immer neuen Kommentaren, Analysen, Hetzschriften und Ausblicken und finden damit kein Ende.
Viertens und fünftens sind Pressemitteilungen von Klimabündnis und Klimacamp, die zur Demo in Augsburg aufrufen und zur Solidarität mit den Besetzern in Lützerath. Wie immer enthalten diese Pressemitteilungen wichtige Verweise und Quellen, die dringend gelesen werden sollten, um den Kampf und seine Begründung zu verstehen. Wie immer bekommen dort auch die Augsburger Stadtwerke und Stadtregierung gehörig eins auf die Mütze.
1. Stellungnahme des Klimacamps zum AZ-Kommentar von Christian Grimm // Verteidigung von Lützerath
Stellungnahme des Klimacamps zum AZ-Kommentar von Christian Grimm // Verteidigung von Lützerath, Newsletter Klimacamp per Mail 13. Januar 2023
In Bezug auf den am 12.1.2023 in der Augsburger Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Kommentar
Die gefährliche Schlagseite der Lützerath-Proteste
Kommentar von Christian Grimm
„Der Widerstand gegen die Abbaggerung des Örtchens Lützerath setzt auf radikale Linksextremisten, missachtet Demokratie und Rechtsstaat und ist unternehmensfeindlich.“
https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/kommentar-die-gefaehrliche-schlagseite-der-luetzerath-proteste-id65145826.html
über Twitter erwähnt unter
https://mobile.twitter.com/AZ_Augsburg/status/1613585469312307226
bezieht das Augsburger Klimacamp wie folgt Stellung:
1. Die Kohle unter Lützerath ist unnötig. Die renommierte Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung kommentierte dies in der Tagesschau ausführlich [1]. Die anderslautenden von NRW und RWE in Auftrag gegebenen Texte räumen selbst ihre Limitationen ein, unter anderem, dass die Autoren unter großem Zeitdruck arbeiten mussten und dass sich nicht alle Punkte ausreichend prüfen ließen. Ausführliche Hintergrundinformationen geben die Gutachten [2,3] sowie die Zusammenfassung [4].
2. Der Vorwurf der „Unternehmensfeindlichkeit“ ist lächerlich, weil es nicht Aufgabe der Gesellschaft oder des Staates ist, Konzerne dabei zu unterstützen, die Lebensgrundlage aller zu zerstören.
3. Die Proteste in Lützerath sind ein probates Mittel, um das Thema auf die gesellschaftliche Agenda zu setzen. Das ist von überragender Wichtigkeit, denn in einer Demokratie sind Beschlüsse erst nach ausführlicher gesellschaftlicher Debatte möglich.
4. Zur Räumung Lützeraths bestehen erhebliche offene verfassungsrechtliche Fragen [5]. Gerichte benötigen indes Zeit, um sich ausführlich mit solchen Fragen auseinandersetzen zu können. Dies illustriert auch die erfolgreiche Verteidigung des Hambacher Forsts unweit Lützeraths: 2012 hätte der Hambacher Forst gerodet werden sollen. Doch die aktivistische Besetzung verschaffte den Gerichten genügend Zeit, um zu verhindern, dass Fakten geschaffen wurden. Sechs Jahre später, 2018, fiel das obergerichtliche Urteil, dass die Rodungspläne rechtswidrig waren.
5. In seiner jetzigen Ausgestaltung zerstört unser System die Lebensgrundlagen von den Menschen im globalen Süden und von den zukünftigen Generationen in Deutschland. Es hat daher keine Legitimation verdient. Es ist gut, wichtig und richtig, sich an Gesetze, Regelungen, Normen und Vereinbarungen zu halten. Wenn wir das konsequent durchziehen, brechen wir aber eine andere Vereinbarung, nämlich das demokratisch beschlossene Pariser Klimaabkommen. Die Gesellschaft muss aushandeln, welche früheren Verträge sie brechen möchte, um die Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen zu sichern.
Zusätzlich möchten wir anmerken, dass Disruption ( 1 ) in Form von Protesten ein wichtiges Instrument der notwendigen Veränderung ist. Die Thesen des Autors führen – wenn gelebt – zu einer Fortführung der klimaschädlichen Wirtschaft mit der Ausbeutung unserer Lebensgrundlagen, ohne globales Gewissen.
Es ist wieder einmal gesellschaftlich notwendig (der Autor bezieht sich auf die 70er und 80er Jahre), gewohnte Narrative und gesellschaftliche Muster auf den Prüfstand zu stellen und einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Genau das machen wir. Der Autor reproduziert die Welt von gestern, bezieht sich auf „Spielregeln“, die ein kaputtes System aufgestellt hat. Wir verändern Spielregeln, verändern Bezugspunkte, an denen sich die Gesellschaft bisher orientierte, und setzen neue Maßstäbe an, neue Messlatten. Die (System-)Hörigkeit, die der Autor offenbart, ist nicht zukunftsfähig. Die Zukunft gehört Menschen, die nicht festhalten, sondern mutig aufbrechen und die Herausforderungen der weltweiten Klimakatastrophe annehmen. Denn es ist jetzt (noch) möglich, gegenzusteuern und die Erdaufheiung zu begrenzen. Ob wir dafür aus freien Stücken unser Handeln anpassen oder später von den Folgen der Klimakatastrophe gezwungen werden: wir werden tiefgreifende Veränderungen unserer Lebenswelt erfahren.
Die Aktivist*innen in Lützerath nehmen unbequeme Methoden des Widerstands auf sich. Wenn es nicht nötig wäre, würden Menschen auch lieber anderen Themen nachgehen; im Warmen sitzen, Zugang zu medizinischer und sonstiger Grundversorgung haben, keine Repression fürchten.
[1] https://www.youtube.com/watch?v=3S6hgZfC4WQ
[2] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.819609.de/diwkompakt_2021-169.pdf
[3] https://www.bund-nrw.de/fileadmin/nrw/dokumente/braunkohle/221128_EBC_Aurora_
Kohleausstiegspfad_und_Emissionen_as_sent.pdf
[4] https://www.bund-nrw.de/meldungen/detail/news/kohle-unter-luetzerath-wird-nicht-benoetigt/
[5] https://heinsberg-magazin.de/2022/12/29/raeumung-von-luetzerath-stuetzt-sich-auf-verfassungswidrigen-paragraphen-nrw-umweltminister-krischer-da-wurde-eine-unwahrheit-in-ein-gesetz-geschrieben/
[6] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-augsburger-klimaaktivisten-organisieren-fuenf-busse-nach-luetzerath-id65148616.html
[7] https://www.pimmelgate-süd.de/
AKTUELLER STAND ZU DEN VOM KLIMACAMP ORGANISIERTEN BUSSEN
Nachdem wir erst 116 Interessierten absagen mussten [6], können wir nun 255 Menschen von Augsburg und Umgebung zur Großdemo in Lützerath mitnehmen. Zum aktuellen Zeitpunkt sind von diesen Plätzen 243 belegt. Bei Interesse und rechtzeitiger Anmeldung kann die Busfahrt sowie die Großdemo selbst journalistisch begleitet werden. Abfahrt in Augsburg ist um etwa 23:30 Uhr. Durch einen Vorstoß der Abteilung „Staatsschutz“ der Augsburger Polizei, wie sie in der Vergangenheit häufig vorkam und sogar die New York Times zum Berichten anhaltete [7], könnte sich die Abfahrt verzögern.
2. Klimacamp sicherte mit fiktiver Besetzungsankündigung Abfahrt der Busse nach Lützerath
Ablenkung erfolgreich: Alle fünf Busse erfolgreich nach Lützerath aufgebrochen.
Rundmail Klimacamp Augsburg, 15. Januar 2023
Fiktive Lohwald-Besetzungsankündigung diente der Sicherung der Abfahrt.
„Ich kann mich um die Orga um einen Bus nach Lützerath kümmern, wenn es genug Menschen gibt, die von Augsburg aus fahren wollen“, erklärte vor einigen Wochen eine Augsburger Klimagerechtigkeitsaktivistin. Unvorstellbar damals, wie groß die Resonanz werden würde: Aus einem Bus wurden zwei, aus zwei Bussen wurden am Tag vor der Abfahrt vier und wenige Stunden vor Abfahrt wurde hektisch ein weiterer Bus gebucht.
„Wir fahren euch gerne, sofern rechtzeitig vor Abfahrt die Rechnung beglichen wird“, hieß es von einem der Busunternehmen. Es dauerte nie mehr als eine Stunde, bis sich auf kurzfristige Unterstützungsaufrufe in öffentlichen Austauschgruppen des Augsburger Klimacamps Privatpersonen fanden, die das Geld für die immer neuen Busrechnungen vorstrecken konnten. Mehr als 19.000 Euro kamen so innerhalb von zwei Tagen zusammen.
Insgesamt machten sich 315 Personen ab Augsburg+Umgebung auf den Weg. Mit dabei erfahrene Klimaaktivist*innen gleichermaßen wie Menschen, die ihre Unzufriedenheit über die aktuelle Klimapolitik bislang nicht öffentlich vertraten. „Es ist meine erste große Demo, ich bin ganz aufgeregt“, freute sich eine 48 Jahre alte mitfahrende Mutter über die erfolgreiche Busorganisation. Ein spontan entstandenes Team aus Menschen, die sich vorher nicht kannten, beantwortete die zahlreichen Mitfahrwünsche, buchte Busbahnhofplätze und verwaltete die Platzlisten.
Eine Sorge bei den Mitfahrenden: Unrechtmäßige Verzögerungen durch die Abteilung „Staatsschutz“ der Augsburger Polizei. Der Weg zu angemeldeten Versammlungen unterliegt zwar einem besonderen grundgesetzlichen Schutz. Doch von Busfahrten aus anderen Städten nach Lützerath waren mehrstündige und grenzüberschreitende Kontrollen bekannt geworden, und über den besonderen Kriminalisierungseifer speziell des Augsburger „Staatsschutzes“ berichtete sogar schon die New York Times (Pressespiegel auf https://www.xn--pimmelgate-sd-7ob.de/ ). Dieser bereitete den Nährboden für das Augsburger Klimacamp, das nun seit 2½ Jahren in unmittelbarer Sichtweite zur Lokalpolitik Aufklärungsarbeit betreibt.
Damit die Mitfahrer*innen genau wie die Familien aus der Region an der Demonstration bei Lützerath sicher teilnehmen konnten, wurden daher Schutzmaßnahmen ergriffen: Kurzfristig wurden zwei parlamentarische Beobachter*innen gebeten, die Abreise in Augsburg zu verfolgen, was diese gerne taten und die Wartezeit für politischen Austausch nutzten. Und zudem wurde kurzerhand öffentlich über Kanäle, von denen die Aktivist*innen schon länger wussten, dass sie von der Abteilung „Staatsschutz“ gelesen werden, eine fiktive Besetzung des nahegelegenen Lohwalds angekündigt, die es gar nicht gab. Die Schutzstrategie ging auf, beim Abfahrtsort gab es kein Aufgebot des „Staatsschutzes“.
Lützerath und Lohwald sind eng verknüpft: In beiden Fällen stellt der Staat Profite von Konzernchefs über Gemeinwohl und Ökologie. So wie in Hinterzimmerdeals die Zerstörung Lützeraths beschlossen wurde, für Kohle die kein Mensch braucht, unterstützte die Regierung von Schwaben das Lohwald-Rodungsvorhaben gerne mit einer im Geheimen ausgestellten Ausnahmegenehmigung (Volltext der Genehmigung: https://www.lohwibleibt.de/ ). Dank dieser konnte Max Aicher, einer der reichsten Menschen Deutschlands, Besitzer mehrerer Schlösser und zusammen mit seinem Lobbyverband größter CSU-Spender überhaupt, völlig überraschend die erste Teilrodung des Lohwalds durchführen und das Areal seines Stahlwerks so für Investoren aufwerten. Da noch Klagen vor Bayerns höchstem Verwaltungsgericht anhängig waren, hätten die lokalen Bürger*inneninitiativen erfolgreich einstweiligen Rechtsschutz gegen die vorgezogene Rodung beantragen können. Doch dieser Möglichkeit wurden sie beraubt, da die Regierung von Schwaben ihre Ausnahmegenehmigung im Geheimen ausstellte.
Die Klimagerechtigkeitsbewegung hält zusammen. Gerade erfordern viele Projekte ehrenamtliches Engagement. Lützerath, der Fecher bei Frankfurt und der Eichenwald bei Ulm sind alle akut bedroht. Der Lohwald dagegen erst wieder in der kommenden Rodungssaison im Herbst.
3. Rede vor dem LEW-Gebäude auf der Demo zum Erhalt Lützeraths am 6. Januar in Augsburg
Am 3. Januar wurde in Lützerath Tag X ausgerufen. Tag X bedeutet, dass RWE in Zusammenarbeit mit der Polizei anfängt Lützerath zu räumen, um den Boden darunter auszubeuten. Unser Unverständnis kennt keine Grenzen.
Lützerath ist eine „Zone a defendre“ eine „Zu verteidigende Zone“. Es ist also ein autonomes Gebiet, in der Menschen versuchen dieses Dorf zu verteidigen und es mit neuem Leben zu füllen.
Es ist aber noch viel mehr als das.
Lützerath ist für viele von uns ein Zuhause. Ein Ort, an dem wir uns freier fühlen als irgendwo anders. In der wir sein können, wer wir sind, ohne ständig hinterfragt zu werden. In der wir uns ausleben können. Neue Sachen ausprobieren. Achtsam versuchen miteinander um zu gehen. In der wir scheitern, uns streiten und am Schluss doch wieder zusammenkommen.
Denn In Lützerath haben Träume Platz und können sich ausprobieren.
In Lützerath bestimmt nicht der Kapitalismus unsere Bedürfnisse, sondern wir Selbst.
In Lützerath wird dem Kapitalismus mit Feuer begegnet, bis er auf das letzte bisschen zu Schutt und Asche zerfällt.
In Lützerath zerschlagen wir das Patriarchat mit einem dicken, fetten, queerfeministischen Hammer, bis die letzte Unterdrückung zerquetscht ist.
In Lützerath kämpfen wir global für eine gerechte Welt, in der Machtstrukturen mit unserer Solidarität zerschlagen werden.
In Lützrath passiert die Veränderung, die wir auf der Erde brauchen.

Und deshalb werden wir auch geräumt.
Weil die Politik und die herrschenden Systeme Angst vor uns haben.
Weil wir in einer autonomen Zone friedlich miteinander leben und immer mehr werden.
Weil wir nicht im System mitspielen und den Wahnsinn an Konsum vorantreiben, sondern einfach glücklich sind mit dem was wir haben.
Weil wir einfach cool sind und Menschen merken, dass so wie es gerade läuft, vielleicht gar nicht so gut ist und es bei uns ja auch funktioniert.
Weil wir Kämpfe miteinander verbinden und uns stärken. Jeden Tag.
Wir sind der Gegenpol zum elendigen Sog, der uns Menschen jeden Tag ein bisschen mehr auffrisst und uns die Chance nimmt, Gerechtigkeit zu leben.
Wir sind nicht still, wenn aktiv Menschen getötet werden durch unseren Energiekonsum.
Wir sind nicht still, wenn Geld mehr Wert ist als Menschenwürde.
Wir gehen auf die Barrikaden, wenn Ihr unsere Häuser angreift.
Wenn Ihr ein Dorf zum Geisterdorf macht.
Wir schließen uns zusammen und kochen, singen, weinen, tanzen, verteidigen und heulen zusammen zum Mond.
Lützerath ist überall. In jedem Menschen, der unsere Werte teilt und versucht diesem Sog ein Ende zu setzten.
Ich habe schon lange aufgehört an die Politik zu appelieren oder zu denken, dass sie wirklich diese drastischen Veränderungen hervorbringen kann.
Ich würde euch aber vorschlagen, auch zum queerfeministischen Hammer zu greifen und zu handeln, damit dieser Kreislauf wirklich und endlich aufhören kann.
Kommt alle nach Lützerath. Kommt in dieses Dorf und bringt euch ein, wie auch immer es für euch passt. In der Besetzung, auf Baumhäusern, oder im UnterstützungsCamp, indem gekocht wird für alle oder leistet emotionale Unterstützung für die Menschen, die festgenommen werden oder Gewalt erfahren.
So viele Menschen hängen davon ab, ob Lützi bleibt oder fällt.
An alle Menschen die hier sind:
Danke, dass ihr da seid.
Danke, dass ihr für unser aller Leben einsteht und euch nicht unterkriegen lasst.
Danke, dass ihr euch fallen .lasst und wieder aufsteht.
Danke, dass unser Wert Solidarität und nicht Geld ist.
Danke, dass ihr so mutig seid.
Häuser Brennen,
Träume Nicht...
Alerta!
4. Klimabündnis organisiert Augsburg-Demo zum Erhalt Lützeraths und ruft zu Sachspenden auf
Gemeinsame Pressemitteilung am 5.1.2022
Klimabündnis organisiert Augsburg-Demo zum Erhalt Lützeraths und ruft zu Sachspenden auf
Am morgigen Freitag (6.1.) organisiert ein breites Bündnis aus Augsburger Klimagerechtigkeitsinitiativen eine Solidaritätsdemo zum Erhalt Lützeraths. Das Thema ist Augsburger Klimaaktivist*innen so wichtig, dass sie dafür nach 2½ Jahren Dauerprotest beinahe das Klimacamp abgebaut hätten. Die Demonstration beginnt um 15:00 Uhr beim Rathausplatz und umfasst eine ausführliche Zwischenkundgebung vor den Augsburger Stadtwerken.
„Vor Lützerath verläuft die 1,5-Grad-Grenze“, erklärt Julius Natrup (35) die Motivation für die Demonstration. Lützerath ist ein Dorf in NRW, das für die Ausweitung eines Braunkohletagebaus abgebaggert werden soll. Unter Lützerath liegt so viel Kohle vergraben, erklärt Natrup unter Berufung auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung [1], dass deren Verbrennung das vom Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung angegebene Rest-CO2-Budgets Deutschlands zur Kohleverbrennung deutlich übersteigen würde [2].
Bevor sie enteignet und ihre Häuser in RWE-Eigentum überführt wurden, lebten Familien in Lützerath. Aktuell ist das Dorf von Klimaaktivist*innen besetzt. Die polizeiliche Räumung kann sich über Wochen und Monate hinziehen, „Vom „Wallfahrtsort“ zum Einsatzort“ titelte die Tagesschau [3]. Ob die von Expert*innen diskutierten offenen Verfassungsfragen [4] rechtzeitig bis zum vermuteten Räumungsbeginn am 10. Januar ausgeräumt werden können, ist derzeit nicht absehbar.
AUGSBURGER AKTIVIST*INNEN
Augsburgs Klimaaktivist*innen engagieren sich sowohl direkt vor Ort in Lützerath als auch in Augsburg für den Erhalt Lützeraths. In Augsburg werden Sachspenden für die Besetzung Lützeraths gesammelt und von Augsburger Aktivist*innen dorthin gebracht. Spenden können täglich im Klimacamp abgegeben werden, besonders dringend gebraucht werden (große) geladene Powerbanks, kleine Töpfe, Eddings sowie Nüsse/Riegel/Schokolade.
Wer sich dem Protest in Lützerath anschließen möchte, hat nach der Demonstration im Klimacamp die Gelegenheit, an einem offenen Aktionstraining zur Vorbereitung teilzunehmen.
AUGSBURG MITVERANTWORTLICH AN ENTEIGNUNG VON FAMILIEN IN LÜTZERATH
Die Augsburger Stadtwerke sind aus Sicht der Klimaaktivist*innen mitverantwortlich für die zuvorgegangene Enteignung von Familien und die nun folgende Zerstörungs Lützeraths, da die Stadtwerke auf der Strombörse kontinuierlich und auch seit dem Rest-CO2-Budget-Beschluss des Augsburger Stadtrats im Januar 2021 Kohlestrom beziehen. Über Jahre schnitten die Augsburger Stadtwerke dabei im bundesweiten Vergleich sogar besonders schlecht ab [5].
Zudem habe die Augsburger Stadtregierung die Möglichkeit, Augsburg auf einen klimaneutralen Pfad zu bringen. Doch davon mache sie bislang keinen Gebrauch, so Ingo Blechschmidt (34) vom Klimacamp, trotz der bekannten Vorschläge der von der Stadt in Auftrag gegebenen KlimaKom-Studie. Selbst allgemein nachvollziehbare und von der Bevölkerung überwiegend akzeptierte Maßnahmen werden nicht umgesetzt, etwa Preisreduzierungen beim ÖPNV, um den Nahverkehr sozial gerechter und interessanter zu machen als Alternative zum motorisierten Individualverkehr. Stattdessen wurde die Preise im Nahverkehr sogar um 9,9 % erhöht zum Jahreswechsel. Auch ein Rückbau der Karlstraße auf zwei Spuren zählt dazu. „Augsburgs Stadtrat ist mit der Klimakrise überfordert“, resümiert Blechschmidt.
[1] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.819609.de/diwkompakt
_2021-169.pdf
[2] https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2020_2024/2022_06_
fragen_und_antworten_zum_co2_budget.pdf?__blob=publicationFile&v=30 , Tabelle 1 auf Seite 8, Zeile „Maximale CO₂-Budgets ab 2022 in Gt“, Spalte „1,5 67%“. Das sind 2 Gt CO₂, also 2.000 Mt CO₂. Davon stehen 20% für die Kohleverstromung zur Verfügung (SRU 2017), macht 400 Mt CO₂. Unter Lützerath liegen 280 Mt Braunkohle. Pro verbrannter Tonne Braunkohle entstehen 3,25 Tonnen CO₂. Macht 910 Mt CO₂ insgesamt, mehr als das Doppelte der 400 Mt CO₂.
[3] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/luetzerath-111.html
[4] https://heinsberg-magazin.de/2022/12/29/raeumung-von-luetzerath-stuetzt-sich-auf-verfassungswidrigen-paragraphen-nrw-umweltminister-krischer-da-wurde-eine-unwahrheit-in-ein-gesetz-geschrieben/
[5] Informationen der Stadtwerke, nicht mehr online verfügbar, nur noch archiviert unter https://www.klimacamp-augsburg.de/pages/material/Fragenkatalog-Stadtwerke/fragen_swa_2021_antworten_kommentare_updates.pdf .
KONTAKT Ingo Blechschmidt (+49 176 95110311) Zur Demonstration rufen auf: End Fossil, Fridays for Future, Greenpeace, Klimacamp und Students for Future.
5. Demo zum Erhalt Lützeraths am 6. Januar in Augsburg
Mail von Ingo Blechschmidt, 5.1.2023
Kurzfassung: Morgen Freitag (6.1.) 15:00 Uhr Demo zum Erhalt Lützeraths, Beginn Rathausplatz.
Liebe Freund*innen der Zukunft,
wie ihr vielleicht mitbekamt, begann am Dienstag die Räumung von Lützerath. Der Haupteinsatz wird vermutlich am 10. Januar starten.
Lützerath ist ein Dorf in NRW, das für die erhebliche Vergrößerung eines Braunkohletagebaus abgebaggert werden soll. Früher lebten dort Familien, viele über Generationen; diese wurden alle enteignet, um die Häuser in Eigentum von RWE zu überführen. Nun ist das Dorf von Aktivist*innen besetzt, um die Zerstörung so lange wie möglich zu verzögern – vielleicht so lange, dass wie beim Hambacher Forst die Gerichte genügend Zeit bekommen, um die Zerstörung für rechtswidrig erklären zu können.
Wieso ist Lützerath so wichtig? Unter Lützerath liegt so viel Kohle, dass deren Verbrennung das vom Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung angegebene Rest-CO2-Budget Deutschlands zur Kohleverbrennung deutlich übersteigen würde (400 Mt vs. 910 Mt, siehe [1,2,3]).
Daher verläuft zwischen Lützerath und der Kohlegrube symbolisch die 1,5-Grad-Grenze, und daher ist es so wichtig, dass Lützerath sowohl vor Ort von Aktivist*innen und Bürger*inneninitiativen verteidigt wird, als auch, dass wir in Augsburg auf vielfältige Art und Weise auf das Thema aufmerksam machen.
Ein Tagesschau-Beitrag zur Verteidigung von Lützerath findet sich hier: https://www.youtube.com/watch?v=jYcmUQSRRLQ
Offene Verfassungsfragen zur Räumung können in [4] nachgelesen werden.
Anlass dieser Mail ist, dass wir zu einer Demo aufrufen möchten:
Am morgigen Freitag (6.1.) wird es seit Räumungsbeginn die erste und vermutlich letzte Solidaritätsdemo für Lützerath hier in Augsburg geben. Sie beginnt um 15:00 Uhr beim Rathausplatz und wird von einem breiten Bündnis organisiert: End Fossil, FFF, Greenpeace, Klimacamp, Students for Future. Zusätzlich gibt es im Anschluss im Klimacamp ein Aktiontraining, für alle, die mit dem Gedanken spielen, sich vor Ort in Lützerath der Zerstörung in den Weg zu stellen.
Da große Teile des Organisationsteams in wenigen Tagen nach Lützerath fahren werden, ist die morgige Demo zugleich die vermutlich letzte. Wer also in Augsburg für den Erhalt Lützeraths demonstrieren möchte, hat dazu morgen die beste Gelegenheit. 😄
Die Besetzung in Lützerath wünscht sich folgende Sachspenden: (große) Powerbanks, geladen (!), Gaskocher und kleine Töpfe, Eddings, veganes Konservenessen bzw. Nüsse/Riegel/Schokolade, lagerfähiges frisches Gemüse außer Kartoffeln. Alles, was uns von dieser Liste morgen erreicht, nehmen wir nach Lützerath mit!
Viele Grüße Ingo
[1] https://www.klimacamp-augsburg.de/pressemitteilungen/2022-12-31-zukunft-des-klimacamps/
[2] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.819609.de/diwkompakt
_2021-169.pdf
[3] https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2020_
2024/2022_06_
fragen_und_antworten_zum_co2_budget.pdf?__blob=publicationFile&v=30
[4] https://heinsberg-magazin.de/2022/12/29/raeumung-von-luetzerath-stuetzt-sich-auf-verfassungswidrigen-paragraphen-nrw-umweltminister-krischer-da-wurde-eine-unwahrheit-in-ein-gesetz-geschrieben/
Peter Feininger, 22. Januar 2023
Die Fotos stammen von der Demonstration am 6. Januar in Augsburg. Das erste Bild zeigt die Demonstration, wie sie am Moritzplatz vorbei marschiert. Das zweite Bild zeigt die Rednerin vor dem LEW Gebäude am Königsplatz.
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1 Störung, Unterbrechung, Erschütterung
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