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Gedenkdemonstration zum rassistischen Anschlag in Hanau vor 3 JahrenAm 19. Februar versammelten sich rund 150 Antifaschist_innen auf dem Königsplatz, um den Opfern zu gedenken26.2.2023 Das OAT Offenes Antifaschistisches Treffen Augsburg ( 1 ) organisierte am 19. Februar ein Gedenken an die neun Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau vor drei Jahren. Die Redebeiträge und Dokumentation waren ergreifend. Bereits im Jahr des Anschlags 2020 mobilisierte die Antifa Jugend Augsburg 300 Menschen zu einer Demonstration ( 2 ). Im Jahr 2021 organisierte die neu entstandene Koordination 19. Februar.Augsburg eine wuchtige Demonstration mit über 1000 überwiegend jungen Leuten ( 3 ). Die Augsburger Allgemeine verschwieg diese größeren Demonstrationen damals komplett. Die aktuelle Demo war der AZ jetzt nur eine Notiz wert unter der Überschrift „Polizeiaufgebot am Königsplatz erregt Aufsehen“ mit einem Foto, das lediglich die rund 20 am Königsplatz aufgereihten Mannschaftsbusse der Polizei zeigt. Im Folgenden dokumentieren wir einen Kurzbericht des OAT über die Aktion und zwei Redebeiträge von der Webseite des OAT Augsburg ( 4 ). Die erschütternden Kurzbeiträge zu jedem einzelnen ermordeten Opfer finden sich auf dieser Webseite. – pef KurzberichtZu Beginn gab es einen Redebeitrag von uns gefolgt vom ZAM e.V. ( 5 ). Im Anschluss wurden Grußwörter der Angehörigen abgespielt. Die Polizei reagierte auf diese friedliche Demonstration mit einem Großaufgebot des USK inklusive Kamerawagen und mobiler Einsatzzentrale. Das USK hat gleich zu Beginn der Auftaktkundgebung begonnen, einzelne Personen zu fotografieren und ein Genosse wurde von den Cops als Ordner abgelehnt. Wir haben uns trotz des hohen Polizeiaufgebots nicht einschüchtern lassen und sind die Route ohne weitere Zwischenfälle abgelaufen. Während des Demonstrationszuges haben wir zu jedem Opfer des Anschlages einen kurzen Redebeitrag gehalten, in denen die Tatnacht des 19.02.2020 rekonstrutiert wurde. Am Ende der Demonstration gab es am Königsplatz einen letzten Redebeitrag, in dem wir nochmal betont haben, dass im Kampf gegen Rechts auf den Staat kein Verlass ist. Die Konsequenz aus dem Anschlag von Hanau muss die konsequente Bekämpfung von Rassist_innen und faschistischen Ideologien in Staat und Gesellschaft sein! Währenddessen wurde eine Gedenkstätte aufgebaut und Wunderkerzen gezündet, um den Opfern zu gedenken. Im Nachgang gab es ein Get-Together mit Soliküche in der Ganzen Bäckerei. Hanau niemals vergessen! Gedenken heißt kämpfen!
Rede zu Beginn der DemonstrationLiebe Augsburger*innen, liebe Genoss*innen, wir stehen heute hier, weil vor genau 3 Jahren neun Menschen Opfer eines rassistischen Terroranschlags wurden. Der Rechtsterrorist Tobias R. zog an diesem Tag mit zwei vollgeladenen Waffen los und schoss gezielt auf Menschen mit Migrationshintergrund. In zwei Lokalen am Hanauer Heumarkt erschoss er drei Menschen. In der Bar La Votree tötet er mit 4 Schüssen den Mitarbeiter Kaloyan Velkov und vor der Bar den 34-jährigen Fatih Saracoglu. In der Shisha Lounge „Midnight“ ermordete er den Besitzer Sedat Gürbüz. Vili-Viroel Paun wurde erschossen, als er versuchte den Täter zu verfolgen. Im Kiosk tötete Tobias R. dann Gökhan Gültekin, Mercedes Kierpacz und Ferhat Unvar. Im anliegenden Lokal ermordete er dann Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtovic. Auch in diesem Fall stellen sich Fragen zu dem Versagen der Rettungskräfte und der Polizei. Wieso zum Beispiel die Sanitäter zu dem Zeitpunkt ihres ersten Eintreffens nicht alle Opfer untersuchten, sondern nur die am Boden liegenden und nicht etwa Ferhat Unvar, der hinter dem Tresen lag. Er wurde weder von der Polizei noch von den Rettungskräften beachtet. Erst 10 Minuten nachdem der erste Polizist den Kiosk betreten hatte und erst 24 Minuten nachdem die Schüsse gefallen waren, wurde er zum ersten Mal wahrgenommen und untersucht. Die verantwortliche Polizei äußert sich zu dem Verhalten nicht. Auch die Anrufe bei der Polizei in dieser Nacht, die nicht entgegengenommen wurden, stellen große Unklarheiten dar, sowie der auf Anweisung der Polizei verschlossene Notausgang, der den Opfern jeglichen Fluchtweg versperrte. Ermittelt wurde nur, weil Angehörige der Opfer Anzeige erstatteten – die Polizei hatte an dieser Aufklärung kein Interesse. Fest steht, wäre die Tür offen gewesen, hätten mehr Menschen in der Bar überleben können. Auch das Verhalten der Behörden gegenüber den Familien der Opfer ist grenzwertig. Die fehlende Aufklärung und Informierung der Eltern wurde in den Hintergrund verschoben. Auch das Nicht-Ernst-Nehmen der Betroffenen war ganz klar eine Grenzüberschreitung. Klar ist, man kann in diesem Fall von einem Versagen der Behörden reden. Hanau zeigt uns wieder ganz klar, dass weder die Behörden noch die Polizei an der Aufarbeitung solcher Fälle interessiert sind. Auch jetzt, drei Jahre später, hat sich an diesem Verhalten nichts geändert. Zum Täter ist anzumerken, dass dieser schon mehrmals auffällig geworden war und er trotzdem legal Waffen besitzen durfte. Er verbreitete im Internet öffentlich Verschwörungstheorien sowie rechte Hetze. Das war kein Einzelfall. Rechte Gewalt wird von der Politik und der Polizei hingenommen. Dass sich daran nichts geändert hat, zeigt uns auch, dass sie in Kauf nehmen, dass solche Anschläge immer wieder passieren. Doch Rassismus und Rechte Ideologien töten. Nie wieder Hanau! Gedenken heißt kämpfen!
Rede am Ende der DemonstrationGökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtovic, Vili-Viroel Paun, Fatih Saracoglu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov mussten am 19.02.2020 in Hanau ihr Leben lassen. Sie alle wurden Opfer rechten Terrors. Wir haben in Redebeiträgen versucht, die Tatnacht zu rekonstruieren. Was bis jetzt ausgelassen wurde, ist Folgendes: Vili-Viroel Paun ist, nachdem Tobias R. sein erstes Opfer erschoss, dem Täter ca 2,4 Kilometer durch Hanau hinterhergefahren. Er folgte ihm bis zu dem Parkplatz (Tatort 4) auf dem Vili-Viroel am Ende starb. Während Vili-Viroel Tobias R. verfolgte, versuchte er dreimal die 110 zu wählen. Kein einziges mal wurden seine Anrufe beantwortet. Wieso die Anrufe nicht beantwortet wurden, ist nur eine von vielen ungeklärten Fragen, die die Angehörigen beschäftigen. Alle Erkenntnisse die es bis jetzt zur Tatnacht in Hanau gibt, sind den Angehörigen zu verdanken. Diese mussten selber anfangen zu ermitteln, um ihre Fragen zu klären. Das alles ist nichts neues. Im Kampf gegen Rechts ist kein Verlass auf den Staat. Dieser hat die Ermittlungen zu Hanau eingestellt. Mehrere Tage war das Bekennerschreiben voller rassistischer Verschwörungserzählungen bereits auf der Website des Täters online, bevor er bewaffnet insgesamt in drei Bars stürmte. Nachdem er am Hanauer Heumarkt drei Menschen erschossen hatte, fuhr er mit dem Auto in Richtung Arena Bar. In der Arena Bar, wo der Täter 5 Menschen erschoss, waren die Notausgänge verschlossen. Der Grund: Um den Cops mögliche Razzien zu erleichtern. Als Treffpunkt junger migrantischer Menschen, war die Arena Bar nämlich zuvor Zielscheibe von Schikanen der Cops geworden. Zum Tatort kam schließlich auch das Frankfurter SEK, das im Juni 2021 sehr medienwirksam wegen rechtsextremer Chatgruppen aufgelöst wurde. Von den SEK-Beamten in Hanau waren 13 nachweislich in diesen Chatgruppen aktiv. Noch in der Nacht des 19. Februar wurde die Respektlosigkeit gegenüber den Verstorbenen, Verletzten und Angehörigen der Ermordeten sichtbar: Die Überlebenden wurden, verletzt und traumatisiert, von den Cops alleine zur Polizeistation geschickt; Angehörige mussten stundenlang ohne Information über ihre Angehörigen auf einer Polizeiwache weit weg vom Tatort verharren; die Obduktionen wurden teilweise ohne das Wissen und Einwilligung der Familien durchgeführt. Auch mit der psychischen Bewältigung des Anschlags wurden sie alleine gelassen. Im Untersuchungsausschuss fallen die anwesenden Politiker_innen regelmäßig durch Desinteresse und respektloses Verhalten auf. Erst kürzlich lud Jörg-Uwe Hahn, Vizepräsident des hessischen Landtags, ehemaliger Justizminister und einziges FDP-Mitglied des noch laufenden Untersuchungsausschusses, zu einer Abendveranstaltung mit dem Titel „Zurück zu den Fakten“ ein. Dort forderte er ein Ende des Untersuchungsausschusses nach zwei Jahren mit den Worten: „Es muss gut sein. Es dürfen nicht immer wieder neue Fragen gestellt werden“. Hier wird erneut sichtbar, dass weder staatliche Sicherheitsbehörden noch Politiker_innen ein Interesse an der Bekämpfung von rechtem, rassistischem Terror haben. Erinnern heißt kämpfen! Für uns Antifaschist_innen bedeutet das, dass wir diesen Kampf konsequent und mit allen Mitteln, die uns angemessen scheinen, führen müssen, denn: Rechte und Rassist_innen setzten um, was sie androhen. Teil unserer Arbeit muss es sein, Rechten frühzeitig entgegenzutreten, ihre rassistischen Spaltungsversuche zu entlarven und zu verhindern. Gemeinsam mit migrantischen Selbstorganisierungen müssen wir dafür einstehen, dass der antifaschistische Kampf auch immer ein antirassistischer ist. Es gilt deshalb für uns als Antifaschist_innen, als und mit von Rassismus Betroffene(n) gemeinsam antifaschistischen Selbstschutz aufzubauen und migrantischen Selbstschutz zu unterstützen. Wir schließen uns den Forderungen der Angehörigen an. Diese fordern: Erinnerung! Gerechtigkeit! Aufklärung! Konsequenzen!
1 Offenes Antifaschistisches Treffen Augsburg (OAT) – Klassenbewusster Antifaschismus in der Brechtstadt https://www.oat-augsburg.de/ 2 Feininger, Peter, und Antifa Jugend Augsburg. „Die Antifa Jugend Augsburg mobilisiert: Demonstration gegen die rassistischen Morde in Hanau. ‚Und sie fühlen sich plötzlich nicht mehr als verschrobene Minderheit, sondern quasi als militärischer Arm einer völkischen Bewegung‘ (SZ) – Anmerkungen zu rechtsextremen Verhältnissen in Augsburg“. Forum solidarisches und friedliches Augsburg, 29. Februar 2020, http://www.forumaugsburg.de/s_2kommunal/Gegenrechts/200229_die-antifa-jugend-augsburg-demonstriert-gegen-die-rechtsextremen-morde-in-hanau/index.htm . 3 Feininger, Peter. „Gedenken an die Opfer des rassistischen Terrors in Hanau,Teil 1: Antifaschist_innen organisieren eine starke Demo. Die Koordination 19. Februar.Augsburg tritt auf den Plan“. Forum solidarisches und friedliches Augsburg, 23. Februar 2021, https://www.forumaugsburg.de/s_2kommunal/Gegenrechts/210223_gedenken-an-die-opfer-des-rassistischen-terrors-in-hanau-1/index.htm . 4 O. A. T. Augsburg. „150 Antifaschist_innen auf Gedenk-Demonstration zum rassistischen Anschlag in Hanau vor 3 Jahren!“ Offenes Antifaschistisches Treffen Augsburg, 22. Februar 2023, https://www.oat-augsburg.de/2023/02/22/150-antifaschistinnen-auf-gedenk-demonstration-zum-rassistischen-anschlag-in-hanau-vor-3-jahren/ . 5 ZAM e.V. Zusammenschluss Augsburger Migranten(selbst)organisationen https://zam-ev.com/
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