Justiz ist für die Menschen da“

„Öffentlichkeit“ bayerischer Justiz

von Artur Hoch

13.4.2023

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„Justiz ist für die Menschen da“ ist eine Überschrift, die die Websites vieler bayerischer Gerichte schmückt.

Während beispielsweise in Nordrhein-Westfalen auf einer zentralen Website der Justiz sämtliche Gerichtstermine des Landes, nebst Nennung des jeweiligen Sitzungssaals, öffentlich zur Verfügung gestellt werden, wird „Öffentlichkeit“ in Bayern eben doch etwas anders definiert:

Nach der Rechtsprechung muss nicht jedermann immer und unter allen Umständen wissen, wann und wo ein erkennendes Gericht eine Verhandlung durchführt; es genügt, dass Interessierte sich hiervon ohne besondere Schwierigkeit Kenntnis verschaffen können. Ein Hinweis auf die Verhandlung in Form eines Aushangs im Gericht bzw. am Sitzungssaal, der in allen Gerichten für d as jeweilige Gericht erfolgt, reicht hierfür aus; eine Erkundigung durch den Interessierten ist zumutbar“ heißt es dazu von der Bayerischen Staatsregierung in der Antwort auf eine schriftliche Anfrage der GRÜNEN. ( 1 )

Diese hatten im Vorfeld eines Prozesses vor dem Augsburger Amtsgericht ( 2 ) selbst feststellen können, wie schwierig es in Augsburg ist, den Termin für eine dortige Verhandlung rechtzeitig zu erfahren.

Die Justiz als dritte Staatsgewalt im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat lebt vom Verständnis der Öffentlichkeit und dem Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtspflege“ , heißt es vollmundig in den Presserichtlinien der bayerischen Justiz. ( 3 ) Doch bei genauerer Betrachtung stellt sich die bange Frage, woher die beiden denn kommen sollen.

Die Einrichtung von Pressestellen ist nach diesen Richtlinien nur für übergeordnete Gerichte zwingend vorgesehen. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei den Amtsgerichten obliegt dort der Behördenleitung. Die Einrichtung von Pressestellen existiert für diese allerdings als Kann-Regelung.

Diese Pressestellen führen Presseverteiler, in die regionale und überregionale Gerichtsberichterstatter_innen aufgenommen werden. Diesen werden bei den Oberlandesgerichten die Sitzungslisten von Strafverhandlungen der Folgewoche vorgelegt. Ob diese Listen dann das vollumfängliche Sitzungsgeschehen des Bereichs Strafrecht enthalten, oder ob hier schon eine Vorauswahl durch die Pressestellen erfolgen kann, ist den Presserichtlinien leider nicht zu entnehmen.

Für die Landes- und Amtsgerichte besteht die Möglichkeit, dieses Prozedere ebenfalls anzuwenden – soweit ein Bedürfnis dazu besteht. Und ob dieses Bedürfnis besteht, entscheiden diese Gerichte natürlich selbst. Wie darüber hinaus eine aktive Information durch die Pressestellen bayerischer Gerichte erfolgt, bleibt diesen weitgehend selbst überlassen.

Da beim Amtsgericht Augsburg solch eine Pressestelle eingerichtet ist, wäre es nun sehr interessant zu wissen gewesen, ob diese dann auch dem weiteren Prozedere folgt, das für die Oberlandesgerichte gilt. Doch dazu schweigt sich das Amtsgericht Augsburg trotz schriftlicher Anfrage leider aus.

Ebenfalls von Interesse wäre es gewesen, wie beispielsweise die Redaktion einer Augsburger Allgemeinen von dieser Pressestelle informiert wird und nach welchen Kriterien sie dann die Auswahl zur Veröffentlichung von Verfahren oder Verfahrensterminen trifft. Doch auch dort hüllt man sich trotz schriftlicher Anfrage in Schweigen.

Sollten Sie also keine Gerichtsberichterstatterin und kein Gerichtsberichterstatter sein, sich aber vielleicht dennoch für Verfahren – etwa mit fremdenfeindlichem Hintergrund – interessieren, wählen Sie einfach den Weg der zumutbaren Erkundigung! Natürlich nicht online, denn da greifen Sie ins Leere. Nein, besuchen Sie den Gerichtspförtner und fragen Sie nach, was heute so ansteht. Oder – bei dessen eventuellen Unwillen zu einer erschöpfenden Auskunft – lassen Sie sich zum Zutritt des Gerichtsgebäudes einfach körperlich durchsuchen. Suchen Sie dann bitte nicht nach so etwas wie einer kompletten Gerichtstafel für diesen Tag. Die gibt es nämlich weder an der Pforte noch im Gerichtsgebäude. Nein, schlendern Sie einfach von Sitzungssaal zu Sitzungssaal. An den jeweiligen Türtafeln sehen Sie dann, ob an diesem Tag etwas für Sie dabei ist. Wenn nicht, versuchen Sie es am Folgetag eben nochmals – Zumutbarkeit muss ja nicht unbedingt etwas für Berufstätige sein. Und wenn Sie etwas Passendes gefunden haben, ergattern Sie mit etwas Glück vielleicht auch noch einen der eher spärlich vorgesehen Zuschauerplätze.

Und wenn „Ihr Prozess“ dann noch an einem anderen Tag fortgesetzt werden sollte, gehören Sie – informationstechnisch betrachtet – zu den ausgesprochenen Glückspilzen. Denn diesen Termin erfahren Sie noch im Sitzungssaal.


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1 https://www1.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Schriftliche
%20Anfragen/18_0023853.pdf

2 https://www.forumaugsburg.de/s_1aktuelles/2022/05/18_auslaenderjagd.htm

3 https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayVwV286092/true


   
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