Heuer keine Kundgebung in der Stadt zum Gedenken an den sowjetischen Sieg über den Hitlerfaschismus und die Befreiung Deutschlands vom Naziregime?

Augsburger Gericht gibt nach einjährigem Rechtsstreit um sowjetische Fahne nach!

Verfahren gegen Suryoye-Aktivisten eingestellt

7.5.2023

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Der Suryoye-Aktivist Sami Baydar ( 1 ) hatte sich letztes Jahr am 9. Mai am Umzug der russischen Community zum Gedenken an den sowjetischen Sieg über den Hitlerfaschismus und die Befreiung Deutschlands vom Naziregime ( 2 ) beteiligt und dabei eine sowjetische Fahne gezeigt. Wegen eines Facebook-Eintrags dazu eröffnete die Augsburger Staatsanwaltschaft im Januar ein Verfahren gegen ihn, das aber das Augsburger Amtsgericht im April wieder einstellen musste. Insofern haben wir in Augsburg trotz eines CSU-Regimes anscheinend fortschrittlichere Verhältnisse als Berlin, wo heuer erneut russische und sowjetische Flaggen, antifaschistische Symbole und sowjetische Lieder, die im Krieg entstanden sind, bei den Gedenkfeiern untersagt wurden. Die repressive und russophobe Stimmung bewirkten allerdings heuer in Augsburg und wahrscheinlich in ganz Bayern, dass sich die Nachkommen und Freunde der russischen Veteranen nicht mehr auf die Straße trauen oder keine Lust mehr haben, gegen selbstverständlich erlaubte ukrainische Flaggen anzutreten, oder – wenn doch – solche Aktionen lieber nicht mehr öffentlich ankündigen.

Erklärung des Suryoye-Aktivisten Sami Bayda

Augsburger Gericht gibt nach einjährigem Rechtsstreit um sowjetische Fahne nach!

Das politische Verfahren gegen den Suryoye-Aktivisten Sami Baydar wurde eingestellt, nachdem er am 9. Mai bei einer Kundgebung eine sowjetische Fahne getragen hatte.

In Augsburg wurde letztes Jahr (2022) ein Verbot sowjetischer Fahnen und Symbole während der Gedenkfeiern aus Anlass des Tages der Befreiung vom Faschismus (8. Mai) bzw. Tag des Sieges über den Nazi-Faschismus (9. Mai) durch die städtischen Behörden verboten.

Die rote Fahne mit Hammer und Sichel könne als Unterstützung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ausgelegt werden, hatte die Polizei ihren ebenso antikommunistischen wie geschichtsrevisionistischen Erlass, begründet. Der Erlass verbietet das Zeigen der Fahne der UdSSR ausdrücklich. Sie sei im „aktuellen Kontext“ „ein Symbol der territorialen Expansion des russischen Staats“.

Anlässlich des 77. Jahrestages des Sieges über den Hitlerfaschismus haben sich unter dem Motto „Sieg über den Hitlerfaschismus“ rund 200 Menschen, am 9, Mai 2022 an einem Demonstrationszug des „Unsterblichen Regiment“ durch die Augsburger Innenstadt beteiligt. An der Kundgebung, die um 18 Uhr am Königsplatz startete, nahmen auch Verwandte und Angehörige der sowjetischen Soldaten teil, die im Großen Vaterländischen Krieg gegen Nazideutschland gekämpft haben. Viele von ihnen trugen rote Blumen und erinnerten mit Schwarz-Weiß-Fotos an die gefallene Soldaten der Roten Armee. An der Kundgebung beteiligte sich auch der Sprecher des Volksrats der Suryoye in Europa und Theologe der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien, Sami Grigo Baydar.

Gegen Sami Baydar wurde am 12. Januar 2023 von der Staatsanwaltschaft Augsburg ein Bußgeldverfahren mit einer Geldstrafe in Höhe von 150 Euro eröffnet. Konkret wird ihm darin vorgeworfen, dass er am 9. Mai 2022 die Fahne der Sowjetunion auf einer Kundgebung in Augsburg getragen und davon ein Beitrag in Facebook veröffentlicht hat. Baydar und sein Rechtsanwalt Mathes Breuer von der Münchner Kanzlei Wächtler und Kollegen sind dagegen rechtlich vorgegangen.

Rechtsanwalt Breuer wies in seiner schriftlichen Beschwerde vom 28. Februar 2023 an das Amtsgericht Augsburg daraufhin, dass die Versammlung inhaltlich nicht mit dem russischen Angriffskrieg, sondern dem Tag der Befreiung vom Faschismus zu tun hatte. So wurde auch betont, dass klar ersichtlich sei, dass die Russische Föderation nicht die Sowjetunion ist. Bei dem Beitrag, den Baydar in Facebook veröffentlicht und die sowjetische Fahne trägt, ist ein Zitat von Ernest Hemingway zu lesen: »Jeder Mensch, der die Freiheit liebt, verdankt der Roten Armee mehr als er ihr jemals im Leben zurückzahlen kann.«

Am 21. April 2023 hat Baydar ein Schreiben vom Amtsgericht Augsburg erhalten. In den Beschluss wird mitgeteilt, dass nun das Verfahren wegen BayVersG-Owi gegen Baydar Sami gemäß § 47 Abs. 2 OwiG ( 3 ) eingestellt wird. Das Gericht hält eine weitere Ahndung angesichts der zweifelhaften Auflage, die ein Verbot des Zeigens sowjetischer Symbole bestimmte, für nicht erforderlich.

Was aber ist die „Siegesfahne der Roten Armee“?

Es ist die Rote Fahne mit Hammer und Sichel, wie sie nach dem Sieg über Nazideutschland auf dem Reichstag gehisst wurde. Es ist die rote Fahne, das wirkmächtigste und emblematischste Symbol der kommunistischen Freiheits- und Arbeiterbewegung. Die deutschen Imperialisten haben kommunistische Symbole schon immer gehasst. Die Siegesfahne der Roten Armee erinnert sie daran, dass es insbesondere die Rote Armee war, die im Bündnis mit den Alliierten den Hitlerfaschismus zerschlagen und die Expansionspläne des deutschen Imperialismus im II. Weltkrieg zunichtegemacht hatte.

Bald ist der 8. Mai, an dem sich die Befreiung Deutschlands vom Hitlerfaschismus und das Ende des 2. Weltkriegs in Europa jährt. Der Roten Arme, die die Hauptlast des Krieges trug, gebührt der Hauptverdienst für diesen Sieg, den Millionen Menschen auf der ganzen Welt zu Recht am 8. und 9. Mai feiern.

Dieses Fahnen-Verbot ist antikommunistisch motiviert. Wenn es durchkommt: Wie weit ist es da noch bis zu einem allgemeinen Verbot kommunistischer Symbole, wie es in der Ukraine schon seit 2015 gilt? Aktuell wird in Bayern bereits verschärft das Tragen und Zeigen von Fahnen der Linken Suryoye-Organisationen wie der Kommunistischen Suryoye Mesopotamiens ( 4 ), Internationaler Rat der Suryoye und des Volksrats der Suryoye in Europa verfolgt und kriminalisiert. Und das in einer Situation, in der die offene Krisenhaftigkeit des Kapitalismus nach einem sozialistischen Ausweg schreit.

Anmerkungen

Der Russische Botschafter in Deutschland kritisiert das Berliner Flaggenverbot zum Tag der Befreiung. RT Deutsch schreibt ( 5 ):

„Die Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland hat am Sonnabend auf das Berliner Verbot russischer und sowjetischer Flaggen und antifaschistischer Symbole beim am 8. und 9. Mai anstehenden Gedenken an den sowjetischen Sieg über den Hitlerfaschismus und die Befreiung Deutschlands vom Naziregime im Jahr 1945 reagiert. In einem in den sozialen Netzwerken veröffentlichten Kommentar des russischen Botschafters in Deutschland, Sergei Netschajew, heißt es unter anderem:

‚Wir lehnen die Entscheidung der Berliner Behörden entschieden ab, wonach es den Besuchern der großen sowjetischen Kriegsgedenkstätten am 8. und 9. Mai 2023 verboten ist, russische Staatsflaggen sowie Symbole zu zeigen, die untrennbar mit dem Tag des Sieges und der Befreiung Deutschlands und Europas vom Nationalsozialismus verbunden sind, darunter das Siegesbanner, die Flagge der UdSSR, das ‚St.-Georgs-Band‘, Elemente historischer Militäruniformen und sogar Kriegslieder. Wir betrachten dieses Vorgehen als unmoralisch und inakzeptabel. Wir fordern die vollständige Aufhebung dieser Verbote.‘

Der Botschafter erinnerte in seiner Erklärung daran, dass die Sowjetunion für die Befreiung des deutschen Volkes und einen friedlichen Himmel über Europa mit dem Leben von 27 Millionen ihrer Bürger bezahlte, die auf den Schlachtfeldern fielen, und die an Zwangsarbeit, Hunger und Krankheiten starben oder während Hitlers Vernichtungskrieg gefoltert, erschossen und verbrannt wurden.

Parolen von Nazi-Kollaborateuren ertönen auf Friedens-Demonstrationen in Deutschland Parolen von Nazi-Kollaborateuren ertönen auf Friedens-Demonstrationen in Deutschland Heute erlebe man, heißt es in dem Statement weiter, wie ‚die Nazis und ihre Schergen in Europa in den Rang von Nationalhelden erhoben werden‘. Die Leistung der Roten Armee werde diskreditiert, sowjetische Kriegsgräber werden geschändet, Gedenkstätten zerstört und abgerissen. Die Geschichte werde verfälscht, um sie der aktuellen politischen Lage ‚anzupassen‘, und es werde versucht, ‚die Opfer und die Henker, die Sieger und die Besiegten gleichzusetzen‘. Das könne, so Netschajew, nicht hingenommen werden. Der Nationalsozialismus dürfe ‚keine Chance haben, wieder aufleben zu können‘, auch nicht in Form von Russophobie.“

Das ursprünglich ebenfalls ausgesprochene Verbot des Zeigens der ukrainischen Staatsflagge wurde hingegen durch das Berliner Verwaltungsgericht wieder aufgehoben. Die luxemburger Zeitung vum Letzebuerger Vollek bemerkt dazu ( 6 ):

„Gegen die Verfügung der Berliner Polizei hatte noch am Freitag der ukrainische »Bildungs- und Kulturverein ‚Vitsche‘« per Eilantrag geklagt.

Anwalt Patrick Heinemann, der die Eilantragsteller unterstützt, sagte der »Berliner Zeitung«: »Das Verwaltungsgericht hat unsere Rechtsauffassung bestätigt: Das Verbot ukrainischer Flaggen ist – mit den Worten des Gerichts – 'offensichtlich rechtswidrig'. Wer von seinem Grundrecht Gebrauch macht, sich öffentlich zur ukrainischen Nation und ihren historischen Opfern bei der Niederringung des Nationalsozialismus zu bekennen, ist keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.«

Ein deutsches Gericht erklärt es somit zu einem »Grundrecht«, sich zu den »Opfern der ukrainischen Nation zu bekennen«, während die Würdigung und Ehrung der Opfer, die der russischen und den anderen Nationen der Sowjetunion angehörten, verboten bleibt.

Dieses Urteil öffnet nicht nur einer verschärften antisowjetischen und antirussischen Hetze Tür und Tor. Gleichzeitig wird den Unterstützern des Kiewer Regimes, einschließlich der Anhänger der profaschistischen Bandera-Verehrer und faschistischer Parteien wie dem »Rechten Sektor« die Möglichkeit eingeräumt, das Andenken an die gefallenen Soldaten der Sowjetischen Armee – Angehörige aller Nationen der Sowjetunion – mit ihren blau-gelben und rot-schwarzen Fahnen zu verhöhnen.“

In diesem Zusammenhang muss schon daran erinnert werden, dass es die Rote Armee war, die die Ukraine von den deutschen Faschisten befreit hat. Der russische General Georgi K. Shukow schrieb darüber in seinem wichtigen Buch Erinnerungen und Gedanken. Die Zeitschrift Rotfuchs brachte 2015 einen lesenswerten Auszug daraus, der online zur Verfügung steht ( 7 ). Georgi K. Shukow ist für die einen schlicht »der beste General des Zweiten Weltkriegs« (Eisenhower) und der Mann, der nach dem deutschen Überfall 1941 die wankende Westfront stabilisierte, Berlin eroberte und die deutsche Kapitulation entgegennahm.

Soweit ein kleines Schlaglicht von uns zum Thema.

Peter Feininger, 7. Mai 2023

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1 „Suryoye“. Wikipedia, 2. März 2023. Wikipedia, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Suryoye .

2 Feininger, Peter. „9. Mai in Augsburg: Das ‚Unsterbliche Regiment‘ ist doch marschiert. Die Nachkommen der russischen Veteranen kommen friedlich und zahlreich“. Forum solidarisches und friedliches Augsburg, 11. Mai 2022, https://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Osteuropa/220511_9-mai-in-augsburg-das-unsterbliche-regiment-ist-doch-marschiert/index.htm .

3 Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, § 47 Ordnungswidrigkeitengesetz § Zweiter Teil - Bußgeldverfahren (§§ 35 - 110e), Zweiter Abschnitt - Allgemeine Verfahrensvorschriften (§§ 46 - 52) (o. J.). https://dejure.org/gesetze/OWiG/47.html .

Bayern.Recht Bayerische Staatskanzlei. „Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) Vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 421) BayRS 2180-4-I (Art. 1–28) - Bürgerservice“, 22. Juli 2008. https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayVersG08/true .

4 „Kommunistische Suryoye Mesopotamiens“. EverybodyWiki de, 29. November 2022, https://de.everybodywiki.com/Kommunistische_Suryoye_Mesopotamiens .

5 „Russischer Botschafter in Deutschland kritisiert Berliner Flaggenverbot zum Tag der Befreiung“. RT DE, 6. Mai 2023, https://de.rt.com/inland/169423-russischer-botschafter-in-deutschland-kritisiert/ .

6 dpa/BZ/ZLV/bro. „Politischer Skandal in Berlin. Gericht erlaubt ukrainische Fahnen am 8. und 9. Mai – sowjetische und russische Fahnen und Symbole sind am Jahrestag der Befreiung vom Faschismus verboten“. Zeitung vum Letzebuerger Vollek, 7. Mai 2023, https://www.zlv.lu/db/1/1434610269394 .

7 Shukow, G. K. „Wie es wirklich gewesen ist - RotFuchs. Marschall Shukow zur Befreiung der Ukraine von den Hitlerfaschisten; Auszug aus dem Buch Shukow: Erinnerungen und Gedanken, 1969“. RotFuchs, Bd. 207, April 2015, https://www.rotfuchs.net/rotfuchs-lesen/wie-es-wirklich-gewesen-ist.html .


   
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