Der
Betriebsratsvorsitzende Peter Schönfelder führte bei der Podiumsdiskussion
der AFI am 29.07.2004 an, dass der Belegschaft bei EADS in erster Linie
die Arbeitsplätze wichtig seien und sonst gar nichts. Er persönlich
habe nichts gegen Konversion, fände sie sogar gut. Er müsse aber die
Belange der Belegschaft berücksichtigen.
Das
Standardargument rückständiger Gewerkschaftsfunktionäre war schon immer
eine rückständige Belegschaft. Dieses Argument ist so platt wie die
SPD alt ist. Aber hausbackene Schlitzohrigkeit hilft Schönfelder in
diesem Falle nicht weiter.
Denn
erstens dürfte es auch Schönfelder nicht entgangen sein, dass
z.B. die Mahnminuten für den Frieden während des Irakkriegs, die die
IG Metall vergangenes Jahr am 14. März in ihren Betrieben organisierte,
gerade auch in den Rüstungsbetrieben breit befolgt wurden. Zweitens
braucht eine Belegschaft gerade bei Konversion nicht um ihre Arbeitsplätze
bangen, denn Konversion bedeutet Umwandlung militärischer Produktion
in zivile - also Sicherung von Arbeitsplätzen und nicht ihre Vernichtung.
Es ist also einfach ein plumper und schmutziger Trick Schönfelders,
"Konversion" und "Belange der Belegschaft" gegeneinander zu stellen.
Und Drittens hat gerade EADS Augsburg, sprich DASA, MBB, Messerschmitt
eine lange Tradition der Konversion und Re-Konversion hinter sich, vom
Dritten Reich bis in die 90er Jahre, über die man sich als Mitglied
des Aufsichtsrats von EADS Deutschland schon mal auslassen könnte.
Das
muss Schönfelder auch bekannt sein, denn sein Vorgänger im Amt des Betriebsratsvorsitzenden,
Manfred Zitzelsberger, war stark engagiert im Projekt PUR, Programm
zur Umweltverbesserung und Ressourcenschonung bei MBB. Wir nehmen nicht
an, dass Schönfelder mit den Thesen Zitzelsbergers unterm Kopfkissen
schläft. Aber kann er bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Augsburg
Friedensstadt - Augsburg Stadt der Rüstungskonversion?" diese für die
Stadt eminent wichtige Initiative einfach übergehen, obwohl das Projekt
PUR Anfang der 90er Jahre sogar bundesweite Beachtung fand?
Es
ist schon erstaunlich, wie rasant die Augsburger Betriebe im 3. Reich
auf Rüstung umstellen konnten, darunter gerade auch die beiden größten,
MAN und Messerschmitt. Die 1938 gegründete Messerschmitt-AG baute mit
der Me 108 das erste Reiseflugzeug der Welt. Aber als Lieferant der
faschistischen Luftwaffe verlagerte Wilhelm Emil Messerschmitt die Produktion
auf die Me 109, das meistgebaute Jagdflugzeug der Welt (35.000 Stück
bis 1945). Dieses radikale Programm mit über 18.000 Beschäftigten im
vorletzten Kriegsjahr - darunter fast die Hälfte Zwangsarbeiter und
KZ-Häftlinge -wurde durch Bombardierung der Werke im Jahre 1944, Befreiung
der Zwangsarbeiter 1945 und Internierung des Inhabers als Kriegsverbrecher
sowie absolutem Verbot von Rüstungsproduktion durch die Alliierten konsequent
beendet. Dennoch war die Belegschaft von Messerschmitt zu Konversion
fähig und baute eine Produktion selbst entwickelter Fertighäuser, Nähmaschinen
und Klein-Kraftfahrzeuge (Kabinenroller) auf.
Die
Remilitarisierung der Bundesrepublik Deutschland und die Rehabilitierung
der Nazi-Konstrukteure führte zu einer neuerlichen Abwendung von der
Konversion in Richtung Militärproduktion bei Messerschmitt, die bis
heute nicht abgeschlossen ist, aber inzwischen schon fast unheimliche
Dimensionen angenommen hat. Markante Zwischenstationen waren die Fusion
mit Bölkow und Blohm 1969 zu MBB. Damit war die Firma gerüstet zur Produktion
des Jagdbombers Tornado zusammen mit British Supermarine und Fiat, die
noch im gleichen Jahr eingeleitet wurde. Der Tornado war seinerzeit
das "größte Rüstungsvorhaben seit Menschengedenken", wie der Bundesverband
der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie feststellte.
Es
gab allerdings Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre eine Phase, wo die
Rüstungsproduzenten durchhingen. Die Ausrüstung der Bundeswehr mit hunderten
von Tornados war 1987 abgeschlossen und andere große Rüstungsprogramme,
z.B. Fregatten und Leopard-Panzer, liefen aus. Gleichzeitig wurde die
nächste Rüstungsrunde, die Waffengeneration der neunziger Jahre geplant
und entwickelt, darunter auch der Jäger 90, später umdefiniert in Eurofighter.
Herbert Wulf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung
und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, schrieb seinerzeit:
"Doch für die Rüstungsindustrie hat die jetzige Planung zwei Haken:
Erstens helfen gute Geschäftsaussichten für das nächste Jahrzehnt heute
nicht, Kapazitätsüberhänge auszulasten und zweitens ist die Rüstungsrunde
in den neunziger Jahren längst noch nicht finanziell abgesichert." [i] Die sinkende Kaufkraft
der Entwicklungsländer bremste das rasante Wachstum des Waffenhandels
und Waffenexports und die neuen Rüstungsprojekte schienen die nationalen
Mittel zu überfordern. Der Jäger 90 zum Beispiel galt bis in die Spitzen
der Politik als unfinanzierbar.
Konfrontiert
mit drohender Arbeitslosigkeit, haben Arbeitnehmer in Rüstungsunternehmen
Arbeitskreise "Alternative Fertigung" gegründet, die konkrete Vorschläge
zur Umstellung der Rüstungsindustrie vorlegten. Zahlreiche ökologisch
und auch ökonomisch sinnvolle Produkte sind vorgeschlagen worden. [ii] Für diese Konversionsbewegung
gab es natürlich auch politische Gründe, die die Politikwissenschaftlerin
Michaela Simon so charakterisierte:
"Das
plötzliche Ende des Kalten Krieges, die bereits erzielten Abrüstungserfolge
und die in jüngster Vergangenheit verkündeten Abrüstungsabsichten der
SU und der USA haben euphorische Erwartungen ausgelöst, dass die riesigen
und ungeheuer kostspieligen Waffenarsenale abgebaut und auch ihre Produktion
verringert bzw. drastisch eingeschränkt werden könnte. Die dadurch frei
werdenden Ressourcen könnten dann für Projekte und Produkte eingesetzt
werden, die die Welt, die Länder und Regionen weit dringlicher benötigen
als Waffen mit - in der Summe - zigfacher overkill-Kapazität." [iii]
Die
Militaristen sprachen natürlich nicht von "Konversion". Sie nannten
es "Transformation" und hatten dabei eine noch modernere und effizientere
Armee im Auge. Bei den Gewerkschaften und den Parteien der damaligen
Opposition, SPD und Grünen, dann auch der PDS, war Konversion allerdings
schon ein großes Thema. So kam es in Augsburg zu PUR, Produkte für
den Umwelt- und Ressourcenschutz, einer Projektinitiative der Stadt
Augsburg und des Unternehmens MBB. Der damalige Betriebsratsvorsitzende
Manfred Zitzelsberger publizierte dieses Projekt 1989 unter dem schon
schwungvollen Titel Vom Tornado in die Umwelttechnik. [iv]
Ursprünglich handelte es sich um eine Arbeitnehmerinitiative, die sich
als ständiger Arbeitskreis "Alternative Produkte" des Vertrauenskörpers
von MBB konstituierte.
Dieser
Arbeitskreis, angeschoben vom Vertrauenskörperausschuss und Betriebsrat,
wurde mit einem einstimmigen Beschluss der Vertrauensleute 1982 eingerichtet.
Der Arbeitskreis sollte immerhin "die friedenspolitischen Zielsetzungen
der IG Metall" umsetzen und lt. Grundsatzerklärung "eine schrittweise
Abrüstung (bei entsprechenden strukturpolitischen Programmen)" anstreben.
Für
die Unternehmensleitung war das mehr als eine Laus im Pelz. Ein Vertrauenskörper,
der geschlossen die "schrittweise Abrüstung" anstrebt und das mit Rückendeckung
des Betriebsrats und der IG Metall, bis hinauf zur Hauptverwaltung in
Frankfurt, - das konnte schon gefährlich werden für einen Rüstungskonzern
mit dieser Tradition. Auch aufgrund der notorischen Geheimhaltung bei
der Rüstungsproduktion und der Mitbestimmungsansprüche der Arbeitnehmer
bahnte sich ein größerer Konflikt an, der sich über das Augsburger Werk
hinaus im Gesamtkonzern verbreiten konnte. Daher ließ die Geschäftsleitung
sämtliche Vorschläge über Produktdiversifizierung, die der Arbeitskreis
im Laufe von vier Jahren machte, stranden.
Die
angedachten Produktbereiche formulierte der Arbeitskreis so: "Für alternative
Produkte kommen Bereiche in Frage, in denen gegenwärtig oder in Zukunft
ungenügend befriedigter Bedarf vorhanden ist bzw. ein Bedarf aufgrund
gegebener Verhältnisse nicht befriedigt wird.
Zu
denken ist insbesondere an Bereiche des Umweltschutzes, der Rohstoffrückgewinnung,
universell anwendbarer Energieerzeugungsanlagen, Anlagen für die dritte
Welt, Notfallmedizin und Medizinanlagen, sowie Produkte für den öffentlichen
Nahverkehr."
Zuletzt
ließ die Betriebsführung 1986 die Gespräche über eine Betriebsvereinbarung
mit dem Gesamtbetriebsrat des Konzerns scheitern. Und das, obwohl die
Stadt Augsburg, damals noch unter sozialdemokratischer Führung, hatte
Bereitschaft gezeigt, das Projekt mit drei Stellen zu unterstützen!
Manfred Zitzelsberger schreibt: "Die Stadt Augsburg hatte demgegenüber
in der Zwischenzeit ihre Unterstützungsbereitschaft für das Projektvorhaben
erklärt und zugesagt, hierfür drei ABM-finanzierte Mitarbeiterstellen
bereitzustellen. Die Durchführungsbasis für die Potentialanalyse, deren
Förderung die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung zugesagt hatte,
sofern eine Betriebsvereinbarung zum Abschluss kommt, war jedoch durch
deren Scheitern hinfällig geworden."
In
den Folgejahren versuchte die Geschäftsleitung von MBB die Initiative
zurückzugewinnen mit einem Pilotmodell des MBB-Unternehmensbereichs
Energie- und lndustrietechnik und einer unternehmenseigenen Sockel-Finanzierung,
für die 150.000 DM bereitgestellt wurden. Damit kassierte die Geschäftsleitung
im doppelten Wortsinne das Arbeitnehmerprojekt Potentialanalyse und
trat dann selbständig an die Stadt heran. Das ganze mündete im September
1989 in einen "Partnerschaftsvertrag" zwischen dem MBB-Unternehmensbereich
Energie- und lndustrietechnik und der Stadt Augsburg mit ihren Ämtern
für Wirtschaftsförderung und Umweltschutz. Für die wissenschaftliche
Begleitung wurde das Münchner IMU-Institut gewählt. Die "paritätische"
Leitung des Projekts lag bei MBB und der Stadt. Der Betriebsrat und
vor allem die Arbeitnehmerinitiative waren faktisch ausgebootet. Zu
so was war der sozialdemokratische Oberbürgermeister Breuer, der sich
in seinen drei Amtsperioden nicht gerade zum Arbeitnehmerfreund entwickelt
hatte, schon fähig. Aber mit dem 3. Bürgermeister Arthur Fergg, bis
1984 IG Metall-Bevollmächtigter, glaubte die IG Metall, etwas Rückendeckung
zu haben.
Das
IMU-Institut würdigte die nach wie vor positiven Ansätze der Projekts:
"Mit der bisher einmaligen Kooperationsform zwischen einem Rüstungsbetrieb,
einer Kommune und einem wissenschaftlichen Institut (Umwelt- und Technologieforschung)
sollen konkrete Ansätze zur Verwirklichung der jeweiligen Ziele der
einzelnen Vertragspartner gefunden werden.
So
erwartete die Stadt Augsburg praktikable Lösungsvorschläge zur Bewältigung
kommunaler Umweltprobleme, während sich MBB von der Zusammenarbeit die
Ausdehnung ziviler Fertigungsbereiche und damit eine rüstungsunabhängige
Sicherung von Arbeitsplätzen versprach." [v]
Dass
der Bericht des Betriebsratsvorsitzenden Zitzelsberger von 1989 trotz
aller genannten Umstände so euphorisch ausfiel [vi], lag vor allem an
der Hoffnung auf einen Sieg in der anstehenden Kommunalwahl, wo Karl-Heinz
Schneider - seit 1989 neuer IG Metall-Bevollmächtigter - als Spitzenkandidat
zur OB-Wahl antrat. Sein Scheitern gegen den Kandidaten der CSU, Menacher,
war in vielerlei Hinsicht eine Katastrophe. Im hier behandelten Zusammenhang
vor allem eine Katastrophe für das Projekt PUR.
Peter
Menacher, 1990 als Oberbürgermeister von Augsburg gewählt, ist ehemaliger
Offizier der Luftwaffe. Unter seiner Regentschaft wurde 1991 der "Fliegerbrunnen"
an der Prof.-Messerschmitt-Straße des Universitätsviertels
errichtet. Er soll am Ort des Alten (Nazi-)Flugplatzes
an die Produktionsstätten der Messerschmitt-Werke und die Glanzleistungen
des Unternehmers erinnern. Willy Messerschmitt sei ein "leidenschaftliche[r]
Konstrukteur schneller und leichter Ganzmetallflugzeuge" gewesen, heißt
es auf der Gedenktafel. [vii]
Ein
Schwerpunkt des Tätigkeitsfeldes der ARGE-PUR sollte ursprünglich im
Textilviertel liegen. Das passte gar nicht zur wüsten Konzeption der
CSU in diesem Viertel und ihrer abartigen Hörigkeit gegenüber Ignaz
Walter, der seine Blütenträume jetzt reifen sah. Selbstverständlich
mauerte die Stadtverwaltung jetzt in jeder Hinsicht. Und je konkreter
die Projekte wurden, desto dreister. 1991 mußte Zitzelsberger einräumen,
dass "bis heute" kein Projekt der ARGE-PUR realisiert werden konnte.
Das
IMU-Institut schreibt in einer Zwischenbilanz:
"Bereits
der erste Versuch, das energiesparende MBB-Gebäudeleitsystem «BASYS»
im Augsburger Stadttheater zu installieren, scheiterte, da bei Auftragsvergabe
von städtischer Seite anderen Firmen der Vorzug gegeben wurde.
Auch
das zweite Vorhaben im Energiebereich, das Leitsystem im Augsburger
Stadtbad am Leonhardsberg einzubauen, konnte nicht verwirklicht werden,
wobei die Gründe hier in grundlegenden Missverständnissen bezüglich
Finanzierung, Koordination und Organisation zu suchen sind, was Zitzelsberger
mit den Worten, er sei «ausgebremst» worden umschreibt.
In
diesem konkreten Fall wurde von städtischer Seite argumentiert, dass
es Sache von MBB sei, im Wettbewerb mit anderen mit der Stadt ins Geschäft
zu kommen, d.h. "möglichst unter Selbstkosten" anzubieten bzw. billiger
zu sein als die Konkurrenz.
Als
«Flop» erwies sich auch das dritte Pilotprojekt im Bereich der Abwassertechnik.
Wie beschrieben, wollte man den traditionsreichen Augsburger Textilbetrieben
neue Abwasserreinigungssysteme mit dem Ziel anbieten, zu demonstrieren,
«dass Umweltschutz in diesem Bereich (bei steigenden Abwasserkosten)
sogar rentabel sein kann.»
Zitzelsberger
räumt hier konzerninterne Probleme ein, die sich u.a. aus der neuen
Kompetenz- und Hierarchiestruktur aufgrund der Fusion der MBB GmbH mit
dem Daimler-Benz-Konzern ergeben haben." [viii]
Diese
Fusion zur Deutschen Aerospace AG (DASA), die Ende 1989 zustande kam,
verwandelte MBB von einem doch noch stark regional verankerten Unternehmen
in einen Global Player auf dem Gebiet der Rüstung, Luft- und Raumfahrt.
[ix] Damit schwand der
Einfluss der Stadt auf das Unternehmen und das Unternehmen begann seinerseits,
gegenüber der Stadt zu mauern. Es scheint so gewesen zu sein, dass eine
verdeckte Allianz von Militaristen in der CSU-Stadtverwaltung und DASA-Managern
das Projekt PUR kalt stellten.
Die
begleitende Wissenschaftlerin Michaela Simon analysierte 1991 ein faktisches
Scheitern des Projekts. Eine Ist-Analyse der städtischen Defizitbereiche
auf der einen Seite und die Analyse der Möglichkeiten des Technologie-
und Produkteinsatzes des Rüstungsbetriebs MBB auf der anderen Seite
wurde vom IMU-Institut zwar vorgelegt, aber nur in "qualitativer" Form.
Zu einer "Quantifizierung" der Potentialanalyse kam es nicht. Aber erst
diese Quantifizierung der Beschäftigungs- und Umwelteffekte bestimmter
Produkte, Abschätzung von Kosten, Zeitaufwand und Bedarf an Folgeleistungen
hätte aus dem Reich der schönen Möglichkeiten konkrete regionale Projekte
gemacht. Auch die angestrebte "quantitative Einschätzung des genauen
Bedarfes im kommunalen und regionalen Bereich" wäre fast eine Revolution
gewesen. Man stelle sich vor, eine Kommune oder regionale Gebietskörperschaft
fängt an, ihren Bedarf festzustellen - der im ökologischen Bereich auch
stark von Industriefolgen geprägt ist - und verlangt von einem Großkonzern,
seine Produktion auf diesen regionalen Bedarf umzustellen!
In
diesem Stadium des PUR-Projekts wurde der Geldhahn zugedreht, offensichtlich
von beiden Seiten, also Stadt und MBB bzw. DASA - sozusagen paritätisch.
Die Wissenschaftler durften ja nur "begleiten" und die Gewerkschafter
nur beobachten - wenn überhaupt. Michaela Simon bestätigt das und nennt
noch einen weiteren Grund für das Scheitern: Der Rüstungskonzern war
nicht bereit, seine F&E-Möglichkeiten - also Forschung und Entwicklung
- offenzulegen:
"Die
quantitative Fortführung der IMU-Studie als Ansatz für qualitatives
Wachstum in der Region Augsburg scheiterte vornehmlich an der Finanzierung.
Obwohl
von wissenschaftlicher Seite mehrmals Bereitschaft zur Anfertigung einer
derartigen Untersuchung signalisiert wurde, war keiner der Vertragspartner
bereit, diese zu finanzieren. Der ohnehin zu knapp bemessene Finanzrahmen
des Programms bot hier keinen Spielraum mehr.
Ein
weiterer Grund für die Ablehnung dieser Untersuchung dürfte in der immer
noch bestehenden »Geheimhaltungsmanie« der Rüstungsunternehmen liegen.
Voraussetzung für die qualitative und quantitative Analyse der Konversions-
und Diversifikationsmöglichkeiten ist die Offenlegung der Produktlinien
und ihrer jeweiligen Beschäftigtenzahlen sowie der vorhandenen F&E-Möglichkeiten
u.ä.. Die Bereitschaft zur Transparenz und Zusammenarbeit war weder
von der Stadt Augsburg noch von der MBB-Geschäftsleitung bzw. DASA-Geschäftsleitung
ausreichend vorhanden."
Hinzu
kamen überregionale negative Entwicklungen. Im gleichen Jahr 1991, wo
das PUR-Projekt faktisch scheiterte, findet die Endmontage der ersten
Prototypen des Eurofighters statt. Trotz großer politischer Widerstände
gegen den Jäger 90 bzw. Eurofighter, die so weit gingen, dass Verteidigungsminister
Rühe bei seinem Amtsantritt den Jäger noch ablehnte, wurde das Projekt
systematisch entwickelt und forciert - wenn auch zunächst verdeckt.
Schon 1983 wurden erstmals von den Stabschefs der beteiligten Nationen
die Zielwerte veröffentlicht, die Projektdefinitionsphase war 1986 abgeschlossen.
1988 wurden die Entwicklungsverträge mit der "Eurofighter" GmbH und
der "Eurojet" GmbH geschlossen. 1990 fand der Probelauf des ersten Entwicklungstriebwerks
statt, 1991 die Endmontage des ersten Prototypen. [x]
Leider
hieß die Parole dann nicht mehr "Vom Tornado in die Umwelttechnik",
wie sie die Augsburger IG Metall 1989 noch ausgab, sonder eher "Vom
Tornado zum Eurofighter" oder "Mit dem Eurofighter gegen die Umwelttechnik
und den Rest der Welt". An dieser Entwicklung waren der militärisch-industrielle
Komplex und die CSU maßgeblich beteiligt. Aber auch die örtliche SPD
ist nicht unschuldig. Martin Pfaff wurde im "Schicksalsjahr" des PUR-Projekts
1991 SPD-Vorsitzender in Augsburg. Was das für die Augsburger Konversionspolitik
bedeutete, wurde spätestens 1997 klar. Bei der Kampfabstimmung im Bundestag
über den Eurofighter wollte sich Pfaff entgegen der Marschrichtung seiner
Fraktion nicht zu einer Ablehnung des Eurofighters durchringen. Er "enthielt"
sich und ist damit zusammen mit über 30 anderen Abweichlern oder unentschuldigt
fehlenden Abgeordneten von SPD und Grünen direkt verantwortlich, dass
das Regierungslager die Abstimmung gewann.
Ein
grundsätzliches Problem bei dem Augsburger PUR-Projekt war wohl, dass
es keine staatliche Förderung gab. Die bayerische Staatsregierung schloss
sich dem "Standpunkt" der Bundesregierung an, dass Konversion eine Sache
der betroffenen Unternehmen sei, in die sich die Regierung nicht einmische.
Tatsächlich hat sich die Bundesregierung hinter den Kulissen massiv
eingemischt und finanziert, aber eben für Zwecke der Transformation
und nicht der Konversion. Wenn die öffentliche Hand private Unternehmen
dazu bringen will, auf öffentliche Güter oder öffentlich benötigte Güter
umzustellen, muss sie auch Geld geben. Wenn die staatlichen Stellen
hier mauern, ist eine Kommune gegenüber einem Großkonzern wie MBB bzw.
DASA hoffnungslos im Hintertreffen. Um auch die Zulieferer, also praktisch
ganze Branchen, umzustimmen, braucht es ein positives öffentliches Klima
für Konversion in der ganzen Region, ja sogar dem ganzen Bundesland.
[xi] Das war bei dem
doch relativ isolierten Projekt PUR nicht gegeben.
Trotz
allem wollen wir uns der Aussage von Dr. Hendrik Bullens, Leiter der
damaligen Forschungsstelle Konversion und Friedenswissenschaften, Universität
Augsburg, und des SISYFOS-Instituts, München-Augsburg aus dem Jahre
1994 anschließen: "Trotzdem wäre es falsch zu sagen, dass die Rüstungskonversion
gescheitert sei: Richtig ist vielmehr, dass sie hierzulande im großen
und ganzen nie wirklich versucht wurde - und darin liegt nach wie vor
eine Chance. Wann kommt die neue Konversionsoffensive?" [xii]
Die
Diskussion über Rüstungskonversion in dieser Stadt kann an dem Projekt
PUR nicht vorbeigehen, sondern müsste daran anknüpfen. Dazu wäre einer
ganzen Reihe von Fragen nachzugehen, die sich aus dem oben gesagten
ergeben. Z.B. auch, ob das umwelt- und regionalpolitische Konzept von
Regenbogen in irgendeiner Weise auf das PUR-Projekt rekurriert?
Und
es wären Dokumente nötig, die uns nicht vorliegen, z.B.:
- die Grundsatzerklärung des MBB-VK mit den regionalen und friedenspolitischen Zielsetzungen
- die Vorschläge des Vertrauenskörper-Arbeitskreises im Einzelnen
- die qualitative Defizit- und Potentialanalyse des IMU-Instituts
- der Partnerschaftsvertrag mit der Stadt
- die Kündigung des Partnerschaftsvertrages
- die wissenschaftliche Auswertung des Projekts nach seinem Ende bzw. der Abschlussbericht des IMU-Instituts
- die abschließende oder nachträgliche Bewertung durch die Stadt
- die abschließende oder nachträgliche Bewertung durch die IG Metall
In
einem Folgeprojekt wollen wir uns zunächst mit der Geschichte des Eurofighters
befassen, in die auch die regionale und vor allem bayerische Politik
und Wirtschaft enorm verstrickt ist.
Peter
Feininger, 2.9.2004
[ii] Herbert Wulf, Rüstungswirtschaft. ebd.
[iv] Ursula Richter,
M. Zitzelsberger, PUR-Augsburg - Produkte für den Umwelt- und Ressourcenschutz,
eine Projektinitiative der Stadt Augsburg und des Unternehmens MBB,
in: "Die Mitbestimmung", Hans-Böckler-Stiftung 12/89, Frankfurt,
M. Bund-Verl. In der juristischen Teilbibliothek der Universität
Augsburg unter PF 152 online hier
[v] Michaela Simon: Eine
kommunale Initiative zur Rüstungskonversion a.a.O
[vi] Richter, Zitzelsberger,
PUR-Augsburg. a.a.O.
[vii] Der Fliegerbrunnen
steht im Zirbelhof an der Prof.-Messerschmitt-Straße des Universitätsviertels.
Dieser Brunnen soll an den Alten Flugplatz erinnern, auf dessen Gelände
das heutige Universitätsviertel entstanden ist.
Der
Fliegerbrunnen wurde im Jahre 1991 von den Künstlern Hans Heichele
und Urban Ehm aus Augsburg entworfen und von Auszubildenden der Firma
MBB (heute EADS) errichtet.
Auf
Tafeln am Fliegerbrunnen ist die Geschichte der Luftfahrt in folgender
Weise dokumentiert:
Sir
George Caleigh, 1773 bis 1857, der Vater der Luftfahrt, legte die
Struktur von Flugzeugen theoretisch fest, erkannte die Zusammenhänge
zwischen strömender Luft und Wölbung.
Otto
Lilienthal, bedeutendster Pionier des Gleitflugzeuges; 1. Flug 1891.
Ohio
1903: 1. Motorflug durch die Gebrüder Wright.
21.
Mai 1927: Charles Lindbergh landet nach der Atlantiküberquerung in
Paris.
Louis
Blériot überbrückt 1909 mit seinem Flug als erster den Ärmelkanal.
Claude
Dornier, 1884 - 1969. Er erschloss mit seinen Flugbooten den Luftverkehr über See.
13.
April 1928: Hermann Köhl und G. Hünefeld J. Fitz Maurice fliegen mit
der Junkers W33 zum ersten Mal von Europa nach Nordamerika.
Willy
Messerschmitt, 1898 - 1978, der leidenschaftliche Konstrukteur schneller
und leichter Ganzmetallflugzeuge.
Ernst
Heinkel, 1888 - 1958. Er war der große Förderer der Schnell- und Stahlflugzeugentwicklung
in den 30er Jahren.
Augsburg,
27. Mai 1931: Piccard und Kipfer erreichen als erste die Stratosphäre
in einer Höhe von 16000 m mit einem Heissluftballon der einen Durchmesser
von 46 m hatte.
1900
- 1906: die gasgefüllten Luftschiffe von Zeppelin und Parseval erhielten
Vortrieb und Steuerbarkeit durch den Motor.
Heinrich
Focke, 1890 - 1979: Seine FW61 war der erste praktisch verwendbare
Hubschrauber.
Leonardo
da Vinci, 1452 - 1519: Universalgenie der Renaissance, erkannte auch
das Prinzip des Helikopters.
Statt
zu ruhen, statt zu liegen,
reißt's
mich aus den alten Gleisen.
Wegzustürzen,
wegzufliegen,
ins
Unendliche zu reisen.
Schirm
und Robert fliegen dort
durch
die Wolken immer fort.
von
Hermann Hesse
1939
- 1945: Vergessen wir nicht die Menschen, die bei Angriffen aus der
Luft ums Leben kamen.
Ludwig
Berblinger:
Der
Schneider von Ulm hat's Fliegen probiert,
da
hat ihn der Teufel in die Donau neugführt.
So
geschehen am 31. Main 1811
http://www.augsburger-brunnen.de/Brunnen/Fliegerbrunnen.htm
[viii] Michaela Simon:
Eine kommunale Initiative zur Rüstungskonversion a.a.O
[ix] 1985 erfolgte ein
weiterer Schritt zur Konsolidierung der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie.
Der Daimler-Benz Konzern erwarb die Maschinen und Turbinen Union (MTU).
Zwei Jahre später sprach die Bundesregierung den Wunsch an einer Beteiligung
des Konzerns an Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) aus. Die nationale
Konkurrenz - beispielsweise zwischen Dornier und MBB - hemmte die
internationale Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Industriezweiges.
Nur durch eine noch stärkere Bündelung war der Anschluss an den Weltmarkt
zu halten.
Im
Mai 1989 kam es so zur Gründung der Deutschen Aerospace AG (DASA)
durch Daimler-Benz. Darin waren zunächst Dornier, MTU und zwei Teilbereiche
der AEG zusammengeschlossen. Ende 1989 kamen MBB, 1990 die Deutsche
Airbus GmbH und später dann die Elbe Fugzeugwerke in Dresden hinzu.
Gleichzeitig lief seit Anfang 1990 eine Neuordnung der Aktivitäten
jener einstigen Konkurrenten. Es entstanden die Geschäftsbereiche
Luftfahrt, Raumfahrt, Verteidigungstechnik und Antriebe. Daneben begann
die schrittweise Internationalisierung des Konzerns. So wurden beispielsweise
die Hubschrauberaktivitäten mit der französischen Aerospatiale im
neugegründeten Tochterunternehmen Eurocopter zusammengelegt.
Dem
weltweiten Auftragseinbruch im Luftfahrt- und Verteidigungssektor
Anfang der neunziger Jahre sowie der Streichung von Fördermitteln
begegnete die DASA durch Strukturanpassung und verstärkte Internationalisierung.
Unter anderem geschah dies mit der Mehrheitsübernahme am holländischen
Fokker-Konzern im Jahr 1993. Um im harten internationalen Konkurrenzkampf
noch besser zu bestehen, firmierte der Konzern ab 1. Januar 1995 unter
dem Namen Daimler-Benz Aerospace AG (DASA); nach dem Zusammenschluss
des Mutterkonzerns Daimler-Benz mit dem US-Konzern Chrysler als DaimlerChrysler
Aerospace AG (DASA). Am 10. Juni 2000 schließlich ging die DASA in
der EADS European Aeronautic Defence and Space Company auf.
BDLI Bundesverband der Deutschen Luft-und Raumfahrtindustrie e.V., Firmengeschichte, online nicht mehr verfügbar
[x] auf bundeswehr.de online nicht mehr verfügbar
[xi] Vgl. hierzu die
relativ beachtlichen Konversionserfolge in der Region Bremen in den
90er Jahren.
Die
Ausgangsbedingungen in Bremen waren gut für die Konversion: starke
Unterstützung durch die Politik (SPD), der Hauptsitz der meisten regionalen
Rüstungsbetriebe war zu diesem Zeitpunkt am Ort ansässig, vielfältige
Aktivitäten von gewerkschaftlichen Netzwerken, universitäre Konversionsdebatte.
Die
Unternehmen brauchen Sicherheit, das geht nicht durch Insellösungen
sondern nur durch eine breit angelegte Konversionsfront und Unterstützung
aus der Politik (verlässliche, qualifizierte Politik - von der in
Augsburg keine Rede sein konnte). Siehe: Wolfram Elsner Rüstungskonversion
als lokale Industriepolitik. Das Beispiel des Stadtstaates Bremen
(1991-2001) http://www.planungsrundschau.de/planungsrundschau07/texte/werali.htm
[xii] Bullens, Hendrik. „Abrüstung und Konversion. Was und wohin treibt die deutsche Rüstungsindustrie? Hendrik Bullens Dr. phil. Dr. oec. arbeitete an der Forschungsstelle Konversion und Friedenswissenschaften Univ. Augsburg; SISYFOS – Institut München – Augsburg“. Wissenschaft & Frieden , Nr. 1 (1994). https://www.wissenschaft-und-frieden.de/seite.php?artikelID=1037 .