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Kulturelles Rahmenprogramm zum Augsburger Hohen Friedensfest vom 18. Juli bis 8. AugustKrieger eröffnen das Augsburger FriedensfestNicole Deitelhoff und Carlo Masala kommen in den Goldenen Saal17.7.2022 Die Friedensforscherin plädiert für eine weitere Eskalation des Krieges
Carlo Masala hat erst kürzlich wieder für Aufsehen gesorgt, als er zusammen mit anderen prominenten Strategen und Militärs eine aggressive Stellungnahme unterzeichnete, die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 14. Juli veröffentlicht wurde. Es heißt auf Seite 1 der FAZ:
Ziemlich unverhohlen geht aus diesem Text hervor, dass das Kommando über den Krieg der Westen hat und die Entscheidung über Fortführung des Krieges oder Verhandlungen nicht in Händen der Ukraine liegt. Eine ganz ähnliche Tonart schlägt Nicole Deitelhoff an, wenn sie im SWR-Gespräch von einem Krieg spricht, „den Russland uns aufgezwungen hat“ ( 2 ). Man beachte die Formulierung „uns“. Also die BRD ist Kriegspartei und „wir“ natürlich auch. Die Friedensforscherin plädiert für eine weitere Eskalation des KriegesAuch Nicole Deitelhoff hält momentan nichts von Verhandlungen und plädiert – ebenso wie auch Carlo Masala – für eine weitere Eskalation des Krieges ( 3 ):
Nach Frau Deitelhoff geht es also darum, die Kosten für den Waffengang weiter hochzutreiben. Wie brutal diese Position ist, geht schon daraus hervor, dass diese „Kosten“ weitere tausende von Toten, vor allem Soldaten auf ukrainischer Seite, bedeuten und zehntausende von Verletzten. Für den Fall, dass es doch zu unerwünschten Friedensverhandlungen kommt, zeichnet Deitelhoff schon einen Ausweg vor. Sie behauptet einfach, Russland werde sich nicht an die Waffenstillstandsvereinbarungen halten. Dabei ist es doch der Westen, der mit der Osterweiterung der NATO alle Vereinbarungen gebrochen hat:
Frau Deitelhoff geht aber noch weiter. Ihrer Ansicht nach müsse man soweit eskalieren, bis Putin stürzt. „Ein Russland nach Putin“ müsse „das Ziel aller gegenwärtigen Politik sein“:
Frau Deitelhoff kommt in besagtem Interview mit dem SWR auch zu der Feststellung „Frieden schaffen ohne Waffen, das hat nie gestimmt …“. Zu diesem berauschenden Ergebnis kommt also die deutsche Friedens- und Konfliktforschung. Deutsche Militärstrategen gegen eine Beendigung des Ukrainekriegs durch VerhandlungenWie am Anfang des Artikels schon erwähnt, haben sich führende deutsche Militärstrategen gegen ein Ende des Ukrainekriegs durch Verhandlungen ausgesprochen, unter ihnen auch Carlo Masala. Auf Seite 8 der FAZ vom 14. Juli – und scheinbar nur dort – findet sich die gesamte Erklärung, einschließlich Unterzeichner, hinter einer Paywall. ( 4 ) Für ein einfaches Leserpublikum ist die Erklärung wohl nicht gedacht. In der Erklärung wird Russland zu einer martialischen Gefahr nicht nur für Nachbarstaaten, sondern für die gesamte NATO und die EU:
Die Autoren entwickeln in sechs Punkten eine Gegenstrategie. Erstens bliebe der westlichen Staatengemeinschaft derzeit keine andere Option, als militärisch und wirtschaftlich massiv in die Ukraine hineinzupulvern. Zweitens wird entgegen der Analysen von prominenten Militärexperten ( 5 ) von einer „russischen Schwäche“ gesprochen, die durch strikte Aufrechterhaltung westlicher Sanktionen verlängert werden könne. Dies betreffe vor allem Exporte von Technologien und Materialien, die für die Rüstungsindustrie Russlands bedeutsam sind. „ Drittens , der Angriff Russlands zeigt, dass auch Mitglieder der NATO Objekt einer militärischen Aggression werden können. Deshalb muss der Aufbau einer Verteidigungsstrategie für den Ostseeraum (insbesondere für Polen und die baltischen Staaten) hohe Priorität haben. Die NATO hat auf ihrem letzten Gipfeltreffen entsprechende Beschlüsse gefasst, die rasch umzusetzen sind. Die Bundeswehr muss hier eine führende Rolle einnehmen. … Viertens , … Die nächsten zwei Jahre werden sehr schwierig werden, es bedarf einer politischen Einstimmung darauf und einer konzertierten Aktion aller relevanten gesellschaftlichen und politischen Kräfte, … Fünftens , … Das beinhaltet die Dekarbonisierung ihrer Wirtschaften im Sinne des Green Deals der EU, alternative Energieträger (LNG, Atomkraft) und Routen/Pipelines (EastMedPipeline, Southstream Lite, TAP, TANAP) sowie die Revitalisierung von Großprojekten wie Desertec. …“ Sechstens wird unter Bezugnahme auf China von „einer Allianz machtvoller autoritärer Regime gesprochen“, die eine „auf der Zusammenarbeit bei der Lösung globaler Probleme beruhende internationale Ordnung beseitigen wollen“. Es wird eine Neuauflage des TTIP zwischen der EU und den USA zur Verstärkung der transatlantischen Wirtschaftszone verlangt. Auch gelte es, „die Arbeitsteilung innerhalb der NATO zu stärken. Europa muss einen größeren Anteil an der Abschreckung russischer Militärmacht übernehmen, weil die USA zunehmend im indopazifischen Raum gefragt sind.“ Eine „neue europäische Friedensordnung“ – was kommt da auf uns zu?Der Titel der Veranstaltung mit Nicole Deitelhoff und Carlo Masala zur Eröffnung des Augsburger Friedensfestes lautet: „Frieden in Europa?! - Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die europäische Friedensordnung“. Im Newsletter des städtischen Friedensbüros Ausgabe 07/2022 heißt es in der Einladung zur Veranstaltung: „Der Zusammenhalt Europas gilt als Voraussetzung für Wohlstand, Sicherheit, Zukunftsfähigkeit und Frieden auf dem Kontinent. Der russische Krieg gegen die Ukraine bedeutet millionenfaches Leid für die betroffenen Menschen und ein Versagen der aktuellen europäischen Friedensordnung. Doch welche Lehren sind daraus abzuleiten, welche Konsequenzen zu ziehen? Auf welcher Grundlage ist in Zukunft der Frieden in Europa zu gewährleisten?“ Die Formulierung „Der Zusammenhalt Europas“ spielt auf das Motto des diesjährigen Friedensfestes an: #Zusammenhalt. Damit wird das Motto des Friedensfestes gleich zu Beginn als Zusammenhalt Europas gegen Russland gemünzt. Hat sich in diesem städtischen Friedensbüro irgendjemand Gedanken gemacht, was das mit Frieden zu tun hat, wie dadurch Frieden in Europa erreicht werden kann? In der Broschüre mit dem Kulturprogramm zum Augsburger hohen Friedensfest wird noch ergänzt: ( 6 ) „Zu diesen Fragen geben Expert*innen differenzierte Antworten und erläutern, was auf dem Weg zu einer neuen europäischen Friedensordnung zu beachten sein wird.“ Wir sollen also von Militärstrateg_innen eingestimmt werden auf eine „ neue europäische Friedensordnung“. Wenn man erfahren will, was die Referent_innen da im Auge haben, muss man zehn Euro Eintritt berappen. Wahrscheinlich nicht, weil diese es nötig hätten. Dürften sie und ihre Einrichtungen doch aus dem Staatshaushalt, auch aus dem Militäretat, reichlich ausstaffiert sein. Mit den Eintrittsgeldern soll wohl eher unerwünschtes Publikum ferngehalten werden. Wie Carlo Masala und Konsorten in ihrem Aufruf in der FAZ verdeutlicht haben, dürfte es bei einer neuen europäischen Friedensordnung auch um eine starke militärische Komponente gehen: „Europa muss einen größeren Anteil an der Abschreckung russischer Militärmacht übernehmen …“. Tatsächlich gibt es keine gesamteuropäische Friedensordnung und Sicherheitsarchitektur, wie Reinhard Mutz im Handbuch Frieden feststellte ( 7 ). Es gibt auch kein europäisches Sicherheitssystem, wie Gregor Schirmer im Jahr 2015 in der jungen Welt betonte unter der Überschrift „Wieder souverän. Vor 25 Jahren begannen die Verhandlungen über den Zwei-plus-vier-Vertrag. An deren Ende stand ein wiedererstarktes, imperialistisches Deutschland“ ( 8 ):
Die vertragswidrige und brandgefährliche NATO-Osterweiterung bedeutete auch, dass die „Grundakte über gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) und der Russischen Föderation“ außer Kraft gesetzt wurde. Professor Anton Latzo schreibt dazu im aktuellen Rotfuchs ( 9 ):
Diese wenigen Anmerkungen sollen vorerst genügen, klarzumachen, dass genau diejenigen, die ein europäisches Sicherheitssystem beziehungsweise eine europäische Friedensordnung systematisch hintertrieben haben, jetzt noch einen Schritt weitergehen wollen und auf eine „neue europäische Friedensordnung“ abzielen. Das kann nichts Gutes bedeuten. Masala, ein erklärter Freund der AtomwaffeZum Schluss sei noch bemerkt, dass Carlo Masala die Atomwaffen-Technologie für „attraktiv“ hält und ein Verbot aller Nuklearwaffen beziehungsweise ihre Abschaffung direkt für „gefährlich“. Nuklearwaffen würden Sicherheit bieten, ja stellten sogar ein „absolutes Maß an Sicherheit dar“ ( 10 ). Einen solchen Menschen lädt die Augsburger Stadtverwaltung zur Eröffnung des Friedensfestes ein, während zwei Wochen später der Ordnungsreferent bei der Friedenstafel am Helmut-Haller-Platz in Oberhausen die Flagge von Mayors for Peace hissen will. Herr Pintsch wird also mit dem Hissen der Flagge genau das demonstrieren, was Herr Masala verhindern will – nämlich eine atomwaffenfreie Welt. Wirklich ernst scheint es der Stadt aber mit diesem Ziel nicht zu sein. In einem langen Interview mit der Augsburger Allgemeinen (15. Juli) erwähnt die Leiterin des städtischen Friedensbüros Mayors for Peace nicht einmal. Genauso skandalös ist, dass sich die Augsburger Linke und speziell auch ihre Stadträt_innen vor einer Stellungnahme gegen den Auftritt von Masala und Deitelhoff drücken, obwohl sie daran erinnert wurden. Das Gleiche gilt für die Augsburger Friedensinitiative (AFI). Somit hat die schwarz-grün geführte Stadtregierung eigentlich freie Hand, das Augsburger Friedensfest für eine konträre Propaganda zu missbrauchen. Die Augsburger Rüstungsindustrie expandiert sowieso. Und die Straßenbahnen kurven im Militärlook herum und werben mit flotten Sprüchen für die Armee. Alles in Butter also – in der „Friedensstadt“. Peter Feininger, 17. Juli 2022 1 Die „Deutsche Stiftung Friedensforschung“ (DSF) wird aus dem Militärhaushalt der Bundesregierung bezahlt und vermittelt für genehme Projekte mehrerer Wissenschaftsinstitute Staatsgelder. Von der Militärfinanzierung profitiert unter anderem die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Weitere Gelder der DSF, die mehrheitlich aus dem Bundesbildungsministerium fließen, gehen an Einrichtungen in Hamburg und Marburg. Nach eigener Aussage will die DSF der deutschen Außenpolitik Möglichkeiten der ,,Intervention"im Fall von „ethnischen Konflikten“ aufzeigen. Renommierte wissenschaftliche Einrichtungen wie das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) und das Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg hängen am finanziellen Tropf der DSF, da sie auf deren Fördermittel angewiesen sind. Aus: German Foreign Policy. „Orwellscher Friede“, 4. März 2005. 2 „Prof. Nicole Deitelhoff. Politikwissenschaftlerin und Konfliktforscherin. Ein Krieg, den Russland uns aufgezwungen hat. SWR1 Leute“. ARD Mediathek , 14. Juni 2022. https://www.ardmediathek.de/video/swr1-leute/prof-nicole-deitelhoff-oder-politikwissenschaftlerin-und-konfliktforscherin-oder-ein-krieg-den-russland-uns-aufgezwungen-hat/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE2NzczNDI . 3 Ebd. 4 Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Ukrainekrieg: Strategiefachleute: Kein Spielraum für diplomatische Lösung, S. 1; Putins Politik nicht belohnen. Was die deutsche Politik angesichts des Krieges in der Ukraine jetzt tun muss. Eine Stellungnahme von Strategiefachleuten, S. 8“, 14. Juli 2022. https://www.faz.net/aktuell/politik/ukraine-krieg-kein-spielraum-fuer-eine-diplomatische-loesung-18169942.html . 5 Siehe zum Beispiel: stern, „Brauchen nicht mehr verhandeln“: Militärexperte Vad sieht Russen militärisch im Vorteil. Die Ukraine will im Süden des Landes eine Offensive gegen die russischen Truppen starten. Brigadegeneral a. D. Erich Vad ist skeptisch, was die Siegchancen der Ukraine angeht., (13. Juli 2022). Zugegriffen: 14. Juli 2022. [Online Video]. Verfügbar unter: https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine-krieg--militaerexperte-vad-sieht-russland-klar-im-vorteil--video--32538400.html stern, „Die halbe Welt unterstützt Russland“ – Militärexperte Thiele zum Ukraine-Krieg. Militärexperte Ralph Thiele zieht im Interview mit ntv eine ernüchternde Zwischenbilanz westlicher Waffenlieferungen an die Ukraine. Er warnt vor einer überlegenen „russischen Dampfwalze“., (8. Juli 2022). Zugegriffen: 10. Juli 2022. [Online Video]. Verfügbar unter: https://www.stern.de/politik/ausland/-halbe-welt-unterstuetzt-russland----militaerexperte-zum-ukraine-krieg-32523082.html stern, „Kriegsverlauf zwingt Putin nicht an Verhandlungstisch“: stern-Experte zu kritischem Punkt im Krieg. „Der Krieg bewegt sich an einen kritischen Punkt“: stern-Militärexperte Gernot Kramper ordnet die aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg ein. Warum feiert Putin so viele Erfolge? Hat die Ukraine im Donbass noch eine Chance gegen Russlands Armee? Eine Analyse., (27. Juni 2022). Zugegriffen: 10. Juli 2022. [Online Video]. Verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=7obxP2cJOec G. E. Fuller, „Wann endlich erwacht Europa? Zeit-Fragen Nr. 14; Quelle: www.globalbridge.ch vom 23.6.2022; das englische Original wurde auf der Internetseite von Graham E. Fuller (https://grahamefuller.com/some-hard-thoughts-about-post-ukraine/ vom 19.6.2022) veröffentlicht.“, Zeit-Fragen, 28. Juni 2022. Zugegriffen: 4. Juli 2022. [Online]. Verfügbar unter: https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2022/nr-14-28-juni-2022/wann-endlich-erwacht-europa Baud, Jacques. „Stand der militärischen Lage in der Ukraine Anfang Juni. Der Beitrag von Jacques Baud wurde am 16, Juni vom Centre Francais de Recherche sur le Reinseignement (French Center for Intelligence Research – CF2R) veröffentlicht https://cf2r.org/analyses/documentation/ Übersetzung Florian Rötzer“, 27. Juni 2022. https://overton-magazin.de/krass-konkret/stand-der-militaerischen-lage-in-der-ukraine-anfang-juni/ . 6 Friedensbüro. „Kulturprogramm zum Augsburger Hohen Friedensfest 2022 #Zusammenhalt“. Friedensstadt Augsburg, Juni 2022. https://www.friedensstadt-augsburg.de/sites/default/files/downloads/AHF22_Programmheft_1.pdf . 7 Mutz, Reinhard (2011): Europäische Friedensordnung. In: Handbuch Frieden, Gießmann, Hans J./Rinke, Bernhard (Hrsg.) (2011). 635 S. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien, 225–235. 8 Schirmer, Gregor (2015): Wieder souverän. Vor 25 Jahren begannen die Verhandlungen über den Zwei-plus-vier-Vertrag. An deren Ende stand ein wiedererstarktes, imperialistisches Deutschland. In: junge Welt, 5. Mai 2015. Text abrufbar unter: https://www.jungewelt.de/artikel/260491.wieder-souverän.html (Zugriff am 17.7.2022). 9 Latzo, Anton. „Grundakte NATO – Russland“. RotFuchs 294 (Juli 2022): S. 6. http://www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2022/RF-294-07-22.pdf . 10 Carlo Masala. „Abschreckung statt Kriege: Warum Nuklearwaffen heute wichtiger sind denn je“. FOCUS Online, 2. September 2015. http://www.focus.de/politik/experten/masala/abschreckung-statt-kriege-wie-nuklearwaffen-einen-langen-frieden-zwischen-den-grossmaechten-garantieren_id_4915817.html .
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