Ansprachen von Harald Munding und Roberto Armellini
Begrüssung zur Gedenkveranstaltung für
die Opfer des Faschismus 1. November 2004
Liebe Freunde, Freundinnen
und Gäste
1950 wurde von der
Stadt Augsburg hier ein Denkmal für die Opfer des Faschismus errichtet.
235 Opfer des faschistischen Terrors fanden hier ihre letzte Ruhe. Sie alle
sind Vorbilder des aktiven Widerstands gegen den deutschen Traum eines 1000jährigen
Reiches.
Heute, fast 60 Jahre
nach der Befreiung, ist die Erinnerung an Menschen – und für manche der
lebenden Zeitzeugen die Erinnerung an Freunde und Freundinnen – ein wichtiger
Augenblick der Erinnerung an die gemeinsame Geschichte. Unabhängig der
Parteizugehörigkeit oder der Konfession verbindet das erlittene Leid und
der Widerstand gegen das faschistische Grauen die Opfer des Faschismus.
Für die hier Ruhenden stehen
stellvertretend
Leonhard Hausmann (1933 in Dachau ermordet)
Josefa Miller (1937 im Frauengefängnis
in Aichach)
Innozenz Rehm (1938 durch medizinische
Versuche umgebracht)
Sepp Weichenberger (im Zuchthaus)
Anni Weichenberger (26. Juli 1942 ermordet,
KZ Ravensbrück)
Michael
Wiedemann
(10.8.1942
ermordet, KZ Dachau)
Fritz Pröll (Selbstmord, kurz
bevor man ihn im KZ Dora umgebracht hätte)
Josef
Graf (November 1942 hingerichtet)
Bebo Wager (Hinrichtung am 12. August
1943 in München Stadelheim)
Herman Frieb (Hinrichtung am 12. August
1943 in München Stadelheim)
Pfarrer Dr. Max Josef Metzger (1944
hingerichtet),
Clemens Högg (Verbleib 1945 ungeklärt)
Paula Frieb (1945 umgekommen)
Hans Adelhoch (entkräftet im Lager
1945 gestorben)
Jakob Pesold (im KZ Dachau)
Karl Hitzler (im KZ Buchenwald ermordet)
...
Sie alle sind Opfer
aus dem Arbeiterwiderstand wie er in den Gewerkschaften, in den kommunistischen,
sozialistischen, sozialdemokratischen und religiösen Organisationen
gewachsen war. Meist brutal mißhandelt früher oder später ermordet
oder aus Verzweiflung in den Selbstmord getrieben, ist ihre Lebens- und Leidensgeschichte
bei vielen heute vergessen.
Aus der Geschichte
für die Zukunft lernen, sollte ihr Vermächtnis sein. Eine Erkenntnis,
die mit Grundlage unseres Handelns in der VVN/BdA wurde. Gedenktage wie heute
sind ein Bestandteil, gerade nicht der Forderung mancher nachzukommen „die
Nazivergangenheit endlich ruhen“ zu lassen.
Eine Vergangenheit
die für einen wachsenden Teil in Deutschland wieder zum Vorbild wird.
Vor 40 Jahren wurde die NPD gegründet. Aus formalen Gründen scheiterte
ein Parteiverbot im Jahr 2002. Ein neues Verbot wird seitens der Bundespolitik
nicht angestrebt. Die Demontage der sozialen Stabilität, die hohe Arbeitslosigkeit
usw. verstärken den Nährboden für die braunen Ideologien. Schon
formiert sich eine “Volksfront von Rechts“. Der Schulterschluss zwischen parteiunabhängigen
Neonazis zeigte sich dieses Wochenende auf dem NPD-Parteitag. Neonaziführer
Thorsten Heise (geb. 1969) – im September 2004 in die NPD eingetreten – wurde
in den Vorstand gewählt. Der Neuaufbau eines Dritten Reiches ist ihr Ziel.
An dieser Stelle würde
unser Kamerad Martin Löwenberg (Münchner, 79 Jahre; ehem. KZ-Häftling)
erklären „Es ist legitim, ja legal, sich den Totengräbern der Demokratie
entgegenzustellen“. Für diesen Ausspruch wurde er wegen „öffentlicher
Aufforderung zur Straftat“ rechtskräftig verurteilt.
Der Neuaufbau des
Dritten Reiches bleibt straffrei!
Dem braunen Sumpf
entgegenzutreten ist die Aufgabe aller. Es darf in dieser Auseinandersetzung
keine Aus- bzw. Abgrenzung von Antifaschisten und Antifaschistinnen geben.
Das Erbe der Opfer sollte uns Ermahnung sein, gemeinsam an der „Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln“(1) zu arbeiten. Nur wenn dies gelingt haben wir eine Chance auf eine Zukunft ohne rassistischer, antisemitistischer und/oder neofaschistischer Grundlage.
Die gemeinsame Anstrengung
liegt in der Entwicklung einer solidarischen und friedlichen Zukunft. Antifaschismus
ist unsere und auch eine kommunale Aufgabe. .
Gedicht
von Innozenz Rehm verfaßt am 24.10.1935:
Trotzig Widerstand ich allen Stürmen.
Mutig zeigte ich dem Sturm den Weg.
Und siehe da - er ging den Weg,
den ich ihm wies - darum sei unverzagt
und trotze dem jetzigen Wind.
Nach dem Winter kommt der Frühling.
Nach dem Regen wieder Sonnenschein.
Nach jeder Nacht erglüht sogar
auf
Erden ein schönes, neues Morgenrot.
(1) aus
dem Schwur von Buchenwald
Ansprache von Roberto Armellini, IG Metall Augsburg
Liebe
Kameradinnen und Kameraden, liebe Freunde,
wir schreiben das Jahr 2004. Fast 60 Jahre nach Ende des Faschismus
in Deutschland sind wir auf dem Weg in ein neues Europa. Es gibt eine europäische
Verfassung, eine gemeinsame Währung und eine gemeinsame Rechtsprechung.
Der Zusammenschluss Europa soll auf Dauer den Frieden untereinander sichern.
Ein historischer Schritt! Man sollte meinen Fremdenhass und Diskriminierung
gehören der Vergangenheit an. Leider ist das nicht so. Wir haben als Europäer
in Italien eine rechtskonservative Koalition mit Nationalsozialisten, in Österreich
ein Bündnis mit der FPÖ und in Deutschland Wahlerfolge rechtsextremer
Parteien in den Landtagswahlen. Ein Europa in dem rechtes Gedankengut wieder
fruchtet und immer mehr rechte Saat ausgestreut wird, denn sie fällt momentan
auf sehr fruchtbaren Boden. Im September waren die Landtagswahlen in Sachsen
und Brandenburg. Gewinner waren die rechtsextremen Parteien DVU und die NPD.
Bei den Erstwählern erreichte die NPD 27 % aller Stimmen, ein erschreckendes
Ergebnis! Mit Sicherheit sind die Wähler dieser Parteien keine Überzeugungstäter,
aber es ist unsere Aufgabe für diese Menschen Antworten zu finden. Antworten
im sozialen Bereich, Antworten im Arbeitsbereich, aber auch Antworten im politischen
Bereich.
Die Menschen haben Angst, Angst um Ihren Arbeitsplatz, Angst um
Ihre Rente, Angst wenn sie krank werden, Angst vor der Zukunft. Die sozialen
Einschnitte des Staates treffen die schwächeren dieses Landes zunehmend.
Das Solidaritätsprinzip der Gesellschaft löst sich Stück für
Stück immer mehr auf. Die Privatisierung der Sozialsysteme ist weiter
auf dem Vormarsch, angefangen bei der Rentenversicherung über das Gesundheitssystem
bis hin zu privaten Arbeitsvermittlern auf dem Arbeitsmarkt. Das Ergebnis ist überall
das Gleiche, es wird auf dem Rücken der sozial Schwächeren ausgetragen.
Durch Hartz IV werden hunderttausende Menschen auf Sozialhilfeniveau fallen,
die vorher Arbeitslosenhilfe bezogen haben. Menschen die teilweise ein Leben
lang in die Sozialsysteme einbezahlt haben. Durch die neuen Zumutbarkeitsregeln
werden Menschen gezwungen Jobs anzunehmen. Es darf nicht sein, dass Menschen
nach 12 Monaten Arbeitslosigkeit, bundesweit jeden Job, egal zu welchen Konditionen
annehmen müssen weil sie sonst keine Unterstützung mehr von Seiten
des Staates bekommen. 600000 arbeitslosen Jugendlichen unter 25, davon die
Hälfte ohne Berufsausbildung wir zugemutet, dass sie eine neue Existenz
in einer fremden Stadt, fern von Ihrer Familie, von Freunden und Bekannten
gründen. Wenn sie ablehnen bekommen auch sie keine Unterstützung
mehr, da sie ja keine Arbeit wollen. Im Endeffekt werden hier Opfer zu Täter
gemacht. Was wir brauchen sind keine Sanktionen sondern sichere Arbeits- und
Ausbildungsplätze, so dass die Menschen in diesem Land wieder eine Zukunft
haben.
Die Menschen haben Angst vor der Altersarmut, eine reine Privatisierung
der Renten wird immer lauter gefordert, leisten können sich das nur diejenige,
die auch über genügend Kapital verfügen. Sinnvoller wäre
es, dass alle Menschen in die Rentenversicherung miteinbezogen werden. Das
heißt auch Selbständige, Beamte und Freiberufler. Anstatt das Solidaritätsprinzip
auszuhöhlen muss es weiter ausgebaut werden.
Solche Punkte wie diese dienen rechtsextremen Parteien als Grundlage.
Die Menschen sind enttäuscht von der Politik und haben Angst. Alternativen
haben rechtsextreme Kräfte keine. Sie gehen mit Parolen auf Stimmenfang!
Die rechten Kräfte in diesem Land benutzen dabei mehrere Strategien. Ein
Teil sind die Einzüge in die Parlamente, ein anderer Teil die Eroberung
der Stammtische und der Kampf auf der Straße mit zunehmender Gewaltbereitschaft.
Das Erschreckende dabei, ist vor allem mit welchen Positionen sie vor die Öffentlichkeit
treten. Mittlerweile werden die linken Positionen benutzt um auf Stimmenfang
zu gehen. Massive Kritik an den Hartz Gesetzen, Generationengerechtigkeit bis
hin zu einer Vermögenssteuer im Zuge der Umverteilung von oben nach unten.
Auf rechtsextremen Internetseiten finden sich immer wieder Aussagen von linken
Gruppierungen die eins zu eins kopiert worden sind. Ihr Ziel ist aber eine
reine Volksgemeinschaft ins Leben zu rufen. Keine Mitgliedszahlungen mehr an
die EU, Abschottung des Arbeitsmarktes und die Vision eines ausländerfreien
Staates. Es wird versucht Bürgernähe zu zeigen, die NPD war maßgeblich
an den Montagsdemonstrationen im Osten beteiligt und auch in den Stammtischen
bei der ländlicheren Bevölkerung will man eine Vorherrschaft erreichen.
Die rechten als das soziale Ohr der Gesellschaft, das ist das Bild das versucht
wird darzustellen. Gleichzeitig wird der Kampf aber auch auf der Straße
ausgetragen. National befreite Zonen nehmen zu, in allen Regionen finden Aufmärsche
statt. Wie auch hier in Augsburg am 9. Oktober. Dort waren wir zahlenmäßig
weit überlegen und haben unserer Meinung Nachdruck gegeben. „Kein Fußbreit
den Nazis“! Fragen muss man sich allerdings dabei warum die Stadt Augsburg
ohne jeglichen Widerstand die Demonstration des rechten Bündnisses genehmigen
konnte.
Genau dort liegt auch die große Gefahr, nämlich die
der Verharmlosung. Unter dem Deckmantel als demokratische Partei getarnt, mit
linken Positionen führen sie Ihre Geschäfte. Es ist an der Zeit die
Menschen in diesem Land wieder aufzuklären. Aufzuklären über
rechte Strukturen und ihrer Gruppierungen. Die Gewaltbereitschaft nimmt zu
und die Hemmschwelle nimmt ab. Ein massiver Zuwachs an rechten Kameradschaften
ist zu verzeichnen.
Zur Verdeutlichung:
Zwischen 1999 und 2002 fand man in Deutschland bei Rechtsextremen
Personen 178 Spreng- und Brandvorrichtungen, unter anderem bei den Gruppierungen
Skinheads sächsische Schweiz und Combat 18. Martin Wiese, Mitglied der
Kameradschaft Süd, bei ihm fand die Polizei 14 kg Sprengstoff und 1,7
Kilo TNT. Angedacht war das Sprengmaterial für den Spatenstich der Synagoge
St. Jacobsplatz in München am 9. November 2003. Im Visier stand nicht
nur der politische Hintergrund, sondern auch das gezielte töten von linken
Gruppierungen und Personen, unter anderem Franz Mageth, aber auch Johannes
Rauh war anwesend. Die Wiese Gruppe hat Kontakte zu Demokratie Direkt, wie
zum Beispiel mit Roland Wuttke aus Mering, diese finden Ihre Anhänger
unter CSU Sympathisanten und Republikaner Stadträte. 4500 Nazi-Demonstranten
waren dieses Jahr in Wunsiedel dabei, dabei sind das nur die offiziellen Zahlen.
Laut Aussagen der Polizei war die Personenzahl weit aus höher. Bei einer
Razzia im Juni 2003 wurde in Niedersachsen und Sachsen einer der größten
Waffenfunde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gemacht. Insgesamt
wurden 210 Waffen- und Waffenteile sichergestellt, darunter kistenweise Maschinengewehre,
Panzergranaten und Panzerminen.
Insgesamt gesehen hat die rechtsextreme Szene in der Bundesrepublik-
weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit – in gefährlichem Ausmaß an
organisatorischer Stärke und politischem Selbstbewusstsein gewinnen können,
was sich nicht nur in Drohgebärden, sondern auch in erschreckenden Taten
gezeigt hat.
Der Staat lässt sich immer wieder vorführen, wenn Demonstrationen
verhindert werden sollen, Entscheidungen dann aber viele juristische Stationen
durchlaufen und am Ende die braunen Kameradschaften doch hochoffiziell marschieren
dürfen. Die Propagandamöglichkeiten der gegenwärtigen Nationalsozialisten – kurz
Nazis – könnten beschnitten, die Schriften eingezogen und die Aufmärsche
verboten werden. Denn der Neonazismus ist eben keine Meinung, sondern steht
außerhalb der geschützten Meinungsfreiheit und ist somit ein Verbrechen.
Ein Verbot der Kameradschaften ist also nicht aus einem besonderen
Law-and-order-Denken, sondern aus einem klaren Verfassungsverständnis
heraus möglich.
Doch Neonazismus ist nicht allein ein juristisches Konflikt. Es
ist vor allem wie anfangs erwähnt ein politisches Problem. „Um tolerant
zu sein, muss man die Grenzen, was nicht tolerierbar ist, festlegen.“ Diese
Grenze sollte nicht erst beim militanten Neonazismus liegen, sondern bei den
rechten unterschwelligen Abneigungen, dem Abwerten und Ausgrenzen von Flüchtlingen,
Behinderten, Homosexuellen, Obdachlosen, Muslime und Juden beginnen. Durch
die gestiegene gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft
fühlen sich die Rechten als die „wahren Volksvertreter“ bestätigt
weiter für „Volk und Vaterland“ zu marschieren.
Nicht nur moralische Appelle, sondern ständiger Widerspruch
gegen rechte Alltäglichkeiten sind notwendig
Die rechte Szene muss als das erkannt werden, was sie ist; ein
militantes Netzwerk von Gesinnungsgenossen, das aus politischen Motiven nicht
vor kriminellen Aktionen zurückschreckt.
Und vielerorts trifft die Schuld, die, die die Verharmlosung militanter
rechter Kräfte in unserer Gesellschaft übersehen und akzeptieren.
Nicht die Antifaschisten und Antifaschistinnen müssen von
seitens der Polizei und dem Verfaschungsschutz kriminalisiert und beobachtet
werden, sondern diese Organisationen die unsere Verfassung bedrohen und gefährden.
Die Geschichte hat uns gezeigt, was das Ziel der rechten Parteien und deren
Organisationen ist und darum stehen wir hier und Gedenken den Opfern des Faschismus.