Zum Antikriegstag am 1. September

Bundesweiter Aufruf aus der SPD „Die Waffen müssen schweigen!“

Die SPD-Linke positioniert sich gegen die Kriegsziele der NATO in der Ukraine und gegen die aggressive Außen- und Innenpolitik der Bundesregierung

29.8.2022


Eine angenehm dezente Einladung zum Antikriegstag und …
… ein allgemeiner Meinungsumschwung
Aufruf aus der SPD „Die Waffen müssen schweigen!“
Einer der Erstunterzeichner des Aufrufs: „Es gibt die Skizze für eine Verhandlungslösung“
Der Aufruf des DGB zum Antikriegstag: ambivalent
Der Antikriegstag in Bayern

Anhänge
Dok 1: Aufruf aus der SPD „Die Waffen müssen schweigen!“
Dok 2: Kritische Würdigung des DGB-Aufrufs zum 1. September
DGB-Aktionen am 1.9.2022


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Eine angenehm dezente Einladung zum Antikriegstag und …

Die VVN Augsburg verschickte am 24. August und danach gleichlautend die Augsburger Friedensinitiative (AFI) die folgende Einladung zum Antikriegstag:

„Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Kreisvereinigung Augsburg mit der Regionalgruppe Allgäu

www.vvn-augsburg.de

Liebe Mitglieder,

Auch in diesem Jahr begehen wir in Augsburg den Antikriegstag in Mahnung und Gedenken an den Beginn des Zweiten Weltkriegs. Angesichts der Eskalation des Ukrainekriegs und der massiven Aufrüstung aller beteiligten Mächte ist die Friedensbewegung in diesem Jahr besonders herausgefordert, Flagge zu zeigen und Widerstand zu organisieren. Die akute Gefahr eines atomaren dritten Weltkriegs mit dramatischen Folgen für Mensch und Natur bewegt die Menschen weltweit. Sie wollen nicht für Kriegs- und Krisenlasten bluten! Daher laden wir Euch ein, an der Kundgebung teilzunehmen.

Kundgebung zum Antikriegstag 2022
am Donnerstag, 1. September 2022, 18.00 Uhr auf dem Rathausplatz

Wir bitten, bei der Kundgebung auf Nationalflaggen und -symbole zu verzichten.

Das SprecherInnenteam“

Im Unterschied zum Ostermarschaufruf im April dieses Jahres gibt es bis jetzt weder ein Bündnis von Organisationen noch einen vereinbarten Aufruf. Dennoch unterscheidet sich diese Einladung zum Antikriegstag wohltuend vom Ostermarschaufruf. Denn der Aufruf zum Ostermarsch enthielt eine einseitige Schuldzuweisung an Russland, ohne irgendwie auf die Ursachen des Konflikts und die Historie einzugehen und viele andere verstörende Behauptungen ( 1 ).

Die jetzige Einladung zum Antikriegstag vermeidet dies und stellt zu Recht eine Eskalation des Ukrainekriegs und eine massive Aufrüstung fest, gegen die Widerstand zu organisieren sei. Zu Recht heißt es in der Einladung, dass die Menschen „nicht für Kriegs- und Krisenlasten bluten“ wollen. Es ist auch klug, dass ein Verzicht auf Nationalflaggen und -Symbole bei der Kundgebung gefordert wird. Sonst müsste man damit rechnen, dass vor allem ukrainische Nationalisten mit blau-gelben Fahnen und Transparenten aufmarschieren.

… ein allgemeiner Meinungsumschwung

Es scheint, dass die Augsburger antimilitaristischen Organisationen angesichts der politischen Entwicklung im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg doch etwas umdenken. Auch die bürgerlichen Medien, die seit Kriegsbeginn gegen Russland hetzen, was das Zeug hält, müssen jetzt konstatieren, dass in der Öffentlichkeit ein Umdenken stattfindet. So spricht Die Welt Anfang August von einem regelrechten „Meinungsumschwung“ „in Sachen Ukraine-Politik“ ( 2 ):

„… In Sachen Ukraine-Politik gibt es einen Meinungsumschwung …

Bei der Bewertung der deutschen Ukraine-Politik gibt es eine auffällige Verschiebung im Vergleich zum Juni: Inzwischen geht die Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes mit Waffen 32 Prozent der Befragten zu weit (plus neun Punkte), 23 Prozent hingegen nicht weit genug (minus sechs); das heißt: Die Gruppe der Skeptiker ist jetzt deutlich größer als die der Menschen, die sich mehr Waffen für die Ukraine wünschen. Vor zwei Monaten war es noch umgekehrt. 39 Prozent finden aktuell, die deutsche Unterstützung sei angemessen. Der Zuspruch für Sanktionen gegen Russland hat ebenfalls abgenommen: Zwar ist die Gruppe derer, denen die Strafmaßnahmen nicht weit genug gehen, mit einem Anteil von 37 Prozent immer noch am größten – sie ist aber im Vergleich zu Juni kleiner geworden. Hingegen wächst die Zahl der Menschen, denen die Sanktionen zu weit gehen, deutlich – und zwar um sechs Punkte auf 21 Prozent. Angemessen finden diese derzeit 34 Prozent.“

Auch in der SPD ergibt es in dieser Hinsicht eine frappierende Entwicklung.

Aufruf aus der SPD „Die Waffen müssen schweigen!“

Am 26. August veröffentlichte der Bundestagsabgeordnete der SPD, Jan Dieren, Wahlkreis Krefeld - Wesel NRW ( 3 ), einen „Aufruf zum Anti-Kriegstag 2022 – Die Waffen müssen schweigen!“. Der Spiegel berichtete als erster – hinter einer Paywall – und andere Leitmedien übernahmen. Nur MdB Jan Dieren veröffentlichte als Initiator den vollen Wortlaut (siehe am Ende dieses Artikels Anhänge Dok 1: Aufruf aus der SPD „Die Waffen müssen schweigen!“ ).

Der Aufruf ist von 36 Mitgliedern aus der SPD unterzeichnet. Zu den Erstunterzeichnern zählen unter anderem Vorstandsmitglieder des Forum DL21 Forum Demokratische Linke – Die Linke in der SPD ( 4 ). Das Forum wurde im Jahr 2000 mit dem Ziel gegründet, linke Kräfte i nnerhalb der SPD zu bündeln und ist bundesweit in Landesverbänden organisiert. Ferner ist unter den Erstunterzeichnern vertreten die Geschäftsführung des spw-Verlags. Die Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft spw entstand 1978 in Tradition der marxistischen Strömung der Sozialdemokratie. Heute ist spw das aktuelle Magazin der sozialdemokratischen Linken, die sich unter anderem im Forum DL 21 organisiert sowie in Gewerkschaften, sozialen Bewegungen engagiert. Kooperationspartner von spw sind unter anderem die Jusos, Linksnet e.V., attac und Verlag Westfälisches Dampfboot ( 5 ).

Zu den Erstunterzeichnern zählt auch der frühere DGB-Vorsitzende von Dortmund, der frühere Bremer Bürgermeister, der Bundesvorsitzende der Naturfreunde, der Vorsitzende SJD – D ie Falken NRW und der Friedensbeauftragte der bremischen evangelischen Kirche sowie Mitglieder des Bundestags, von Landtagen und des Europaparlaments. Dabei ist auch der Historiker Peter Brandt, ein Sohn Willy Brandts.

Die Medien und politische Kreise vor allem in der Union und bei den Grünen reagierten aufgeschreckt auf den Aufruf . Oder wie der Deutschlandfunk sendete : „Vertreter von CDU und Grünen äußerten sich entsetzt.“ ( 6 ) Aber auch innerhalb der SPD gibt es massive Kritik. So erklärt der SPD-Außenpolitiker Michael Roth: „Wer den Frieden will, der muss die Ukraine jetzt politisch und militärisch so unterstützen, dass Russland an den Verhandlungstisch gezwungen wird“ ( 7 ). Auch die Jusos gehen angeblich auf Distanz.

Man muss hier aber vorsichtig sein. Die Medien haben wahrscheinlich nur bei bestimmten Spitzenvertretern der Parteien nachgefragt und erwecken damit den Eindruck, dass dies die Parteimeinung sei. Dabei ist es zum Beispiel so, dass ein Antrag des Jugendverbandes der Grünen auf einem Parteitag im April gegen das 100 Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr nur knapp scheiterte. Sogar in der CDU gibt es prominente Positionen, die in Richtung des Aufrufs gehen. So berichtet die taz vom 29. August ( 8 ):

„‚ Sie sind UNERWÜNSCHT. Punkt‘. Dies twitterte am Sonntag der scheidende ukrainische Botschafter Andrij Melnyk. Gemeint ist der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer und seine geplante Reise nach Kiew. ‚Mit Ihrer absurden Rhetorik über das Einfrieren des Krieges spielen Sie in Putins Hände und befeuern Russlands Aggression‘, so Melnyk. Die Einladung an Kretschmer, die Ukraine zu besuchen, sei ‚annulliert‘. Die wie bei Melnyk oft drastisch und undiplomatisch formulierte Ausladung bezieht sich auf Kretschmers schon länger bekannte Position zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Kretschmer fordert einen vom Westen vermittelten Waffenstillstand. In der ZDF-Sendung ‚Markus Lanz‘ vom Mittwoch sagte er, es sei wichtig, dafür ‚einzutreten, dass dieser Krieg eingefroren werden muss, dass wir einen Waffenstillstand brauchen, dass wir Verhandlungen brauchen, um diesen Krieg zu beenden‘. Diese Position komme in der öffentlichen Debatte aber zu wenig vor. Kretschmer ist mit dieser Haltung in der Bundes-CDU isoliert. In der CDU-Sachsen ist Kretschmers Forderung, auf Moskau zuzugehen, umstritten.“

Was die Medien verschweigen ist, dass der Aufruf ausdrücklich zum Antikriegstag am 1. September mobilisiert, zu den Kundgebungen des DGB und der Friedensbewegung.

Die Augsburger Allgemeine verschweigt den Aufruf komplett. Die CSU, Airbus und die Rüstungsindustrie lassen grüßen.

Der Aufruf enthält viele Floskeln und Behauptungen des russophoben Mainstreams, den die Regierung und die Medien verbreiten. Er hält aber in bestimmten Punkten deutlich dagegen, und ist hier auch widersprüchlich. Dennoch wollen wir festhalten, dass es sich um ein außerordentliches Statement des linken Flügels der SPD handelt, das im Wesentlichen in scharfe Opposition zur Bundesregierung geht. Man hat fast den Eindruck, dass die Mainstreamphrasen in den Aufruf eingestreut wurden, um die rechte SPD-Mehrheit etwas zu beschwichtigen.

Die Aufrufer unterstützen „politische, finanzielle, wirtschaftliche und militärische Maßnahmen, die zu einem schnellen Waffenstillstand und einem Ende dieses Kriegs beitragen“. „Die NATO oder einzelne westliche Staaten dürfen nicht zur Kriegspartei werden … Die Eskalationsspirale muss gestoppt werden“. Mit der Lieferung von Kampfpanzern oder Kampfjets oder der Einrichtung von Flugverbotszonen würde eine rote Linie überschritten.

Diese Position steht diametral gegen die Strategie der NATO, heimlich oder unheimlich Waffen und militärische Unterstützung in die Ukraine hineinzupumpen, mögliche Verhandlungen zu verhindern und den Krieg auf Kosten auch der ukrainischen Bevölkerung zu verlängern, bis Russland angeblich in die Knie geht.

Interessant und unterstützenswert auch der Satz: „Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht und steht allen Menschen zu, auch den Ukrainern.“ Diese Forderung wäre ein Albtraum für das Kiewer Regime, das Kriegsdienstverweigerer eher massakriert, als ihnen dieses Recht zuzugestehen.

Im Unterschied zur NATO und auch zur Bundesregierung streben die Unterzeichner des Aufrufs „einen schnellstmöglichen Waffenstillstand als Ausgangspunkt fu¨r umfassende Friedensverhandlungen“ an. Die EU und ihre Mitgliedstaaten werden aufgefordert, „ihre diplomatischen Anstrengungen (zu) verstärken, um eine Waffenruhe zu befördern“. Während die NATO und die EU und auch Deutschland immer heftiger auch gegen China agitieren und zu immer stärkeren militärischen Drohgebärden im Pazifik übergeht, – verlangt der Aufruf, den Austausch mit Indonesien, Indien, Südafrika, aber auch mit China zu intensivieren. Sie sollten für eine Vermittlerrolle zwischen den Kriegsparteien gewonnen werden.

Auch diese Position richtet sich diametral gegen die Globalstrategie Deutschlands und der EU.

Der Aufruf spricht davon, dass auch in Deutschland Inflation und knapper werdende Energieressourcen vor allem die Ärmsten träfen. „Deshalb mu¨ssen wir Kriegsgewinner zur Kasse bitten und hohe Einkommen stärker besteuern.“ Auch um weltweite Hungersnöte, vor allem in Afrika, zu verhindern, müsse der Krieg so schnell wie möglich gestoppt werden. Die Bundesregierung ergreift hier keine wirksamen Maßnahmen.

„Angesichts der Dramatik der globalen Krisen wie die Zunahme des Hungers, der Klimawandel, andere schreckliche Kriege, die Migrations- und Fluchtbewegungen, bedarf es eines neuen Anlaufs einer globalen Entspannungspolitik, die auf der Basis gemeinsamer Interessen die Kooperation sucht …“ „… eine stabile Friedensordnung auf Grundlage internationaler Kooperation und Solidarität steht jedem Versuch entgegen, eine imperiale Ordnung zu errichten oder zu erhalten.“

Der Vorwurf, eine „imperiale Ordnung zu errichten oder zu erhalten“, ist zwar auch gegen Russland gerichtet. Mit einer soliden historischen Betrachtung könnte man das unseres Erachtens widerlegen oder stark relativieren. Auf jeden Fall lastet dieser Vorwurf – in dieser Passage unausgesprochen – vor allem auf den USA und der NATO. Dies wird auch in der folgenden Passage im Grunde bekräftigt, wo es heißt, man wolle nicht „in eine Ära zuru¨ckfallen, die jederzeit an der Schwelle eines Atomkriegs steht, da sowohl Russland als auch die NATO nicht auf einen Ersteinsatz von Atomwaffen verzichten.“

Dies ist so offensichtlich falsch, dass man vermuten kann, die Autoren des Aufrufs wollten hier wiederum – ihren Kritikern zuliebe – eine einseitige Verurteilung der USA und der NATO vermeiden. Bekanntermaßen ist der Ersteinsatz von Atomwaffen („first use“) eine Konstante der amerikanischen Nuklearstrategie. Zur Zeit des Kalten Krieges hatte die Sowjetunion 1982 ihren Verzicht auf den Ersteinsatz erklärt und die Atommächte unter den NATO-Staaten, nämlich die USA, Großbritannien und Frankreich, mehrfach vergeblich zu einer ähnlichen Selbstverpflichtung aufgefordert.

Im Juni 2020 hat der russische Präsident Wladimir Putin ein Dekret unterzeichnet, nachdem sich die Russische Föderation das Recht, Nuklearwaffen einzusetzen, vorbehält als Antwort auf den Einsatz von Nuklearwaffen oder andere Arten von Massenvernichtungswaffen sowie „auch als Folge eines Angriffes gegen die Russische Föderation mit der Hilfe konventioneller Waffen, wenn die Existenz des Staates dadurch gefährdet ist“. ( 9 )

Erst Anfang August hat Wladimir Putin in einem Grußwort an die Teilnehmer der Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York bekräftigt, keinen Atomkrieg starten zu wollen. „Wir gehen davon aus, dass es in einem Atomkrieg keine Sieger geben kann und er niemals begonnen werden darf“. Das Handelsblatt schreibt ( 10 ) :

„… Damit trat Putin seit Kriegsbeginn wachsenden Befürchtungen entgegen, dass Moskau in der Ukraine womöglich Atomwaffen einsetzen könnte.

Die Befürchtungen begründeten sich unter anderem darauf, dass Putin die russischen Atomstreitkräfte kurz nach dem Angriff auf das Nachbarland in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt hatte. Zuvor hatte Russlands Führung einen atomaren Erstschlag stets ausgeschlossen und Einsatzpläne lediglich für einen sogenannten Gegenschlag präsentiert, also die militärische Antwort auf einen Angriff.

Nun betonte Putin, dass Russland seine Verpflichtungen als Gründungsmitglied des Atomwaffensperrvertrags erfülle und auch weiter erfüllen wolle. Zugleich forderte der Kremlchef ‚gleiche und unteilbare Sicherheit für alle Mitglieder der Weltgemeinschaft.‘“

In Sachen Aufrüstung machen die Aufrufer ziemlich klare Aussagen, die man nur unterstützen kann: „Den Aufru¨stungsplänen stehen wir skeptisch bis ablehnend gegenu¨ber. Denn schon jetzt gibt die NATO ein Vielfaches fu¨r Ru¨stung im Vergleich zu Russland aus. Eine ausschließlich auf militärische Konfrontation, Aufru¨stung und Abschreckung setzende Politik ist keine belastbare Grundlage fu¨r Stabilität. … Wir brauchen eine globale Sicherheitsarchitektur auf Basis des Rechts und nicht auf der Basis militärischer Stärke. Wir engagieren uns weiter fu¨r Ru¨stungskontrolle und Abru¨stung.“

Die Aufrufer rechnen mit einer längeren Übergangsphase mit Konflikten, Konfrontation und Kooperation. Trotz allem müsse „mit der russischen Regierung ein Modus Vivendi gefunden werden, der eine weitere Eskalation des Kriegs ausschließt. Am Ende wird es eine Vereinbarung zwischen der Ukraine und Russland geben mu¨ssen. Jetzt muss die Diplomatie die Initiative ergreifen. Die Waffen mu¨ssen schweigen!“

Einer der Erstunterzeichner des Aufrufs: „Es gibt die Skizze für eine Verhandlungslösung“

Einer der Erstunterzeichner des Aufrufs, Peter Brandt, veröffentlicht in der Herbstausgabe der Zeitung gegen den Krieg eine erstaunliche Information ( 11 ): „Der ukrainische Präsident Selenskyj selbst hat in den ersten Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffs mit der Selbstverpflichtung der Ukraine zu ständiger Neutralität, der De-facto-Akzeptierung der Krim-Annexion (denkbar wäre auch eine zweite Volksabstimmung unter UNO- oder OSZE-Kontrolle) und einem Sonderstatus für den Donbass eine naheliegende Kompromisslinie skizziert.“

Offensichtlich hat die NATO den Präsidenten der Ukraine von dieser Position abgebracht, weil die NATO keinen Frieden will, sondern Krieg gegen Russland bis zum bitteren Ende.

Wir zitieren aus der Zeitung gegen den Krieg , die jetzt zum Antikriegstag erschienen ist, noch den Kontext der erstaunlichen Information:

„… Anders als das überaus erfolgreiche und politisch stabile chinesische Modell hat das ökonomische Modell Russlands, hauptsächlich auf Rohstoffexport basierend, auf sich gestellt keine Zukunft, …

Eine paneuropäische Verständigung ist die einzige Alternative zu der Verstetigung der Abhängigkeit EU-Europas von der amerikanischen Supermacht, die ihre zwischenzeitlich weltweit hegemoniale Stellung nur noch aufgrund militärischer Überlegenheit zu verlängern hoffen kann. …

Für die Bewahrung bzw. - nicht allein an die Ukraine denkend – Wiederherstellung des Friedens in der Welt wird es entscheidend darauf ankommen, wieder in eine Phase kooperativer Sicherheit zu gelangen, wofür die Ausgangsbedingungen in den zurückliegenden Jahren deutlich verschlechtert worden sind. Nicht allein, aber hauptsächlich seitens der USA, namentlich während der Präsidentschaft von Donald Trump, hat man Rüstungskontrollverträge, nicht zuletzt den für Europa eminent wichtigen INF-Vertrag, fahrlässig verfallen lassen.

Dass stabiler Frieden in der nördlichen Hemisphäre nicht ohne Russland, nach wie vor eine der beiden weltweit größten Atommächte mit der diesseits des Nordatlantik stärksten konventionellen Landstreitmacht, möglich ist, ist dermaßen banal, dass man sich beinahe scheut, das niederzuschreiben. Eine Friedensordnung, die diesen Namen verdient, beinhaltet mehr als die Abwesenheit von Krieg – und in dieser Perspektive läuft die Rede der NATO-Enthusiasten darauf hinaus, dass es auf absehbare Zeit keine Russland einschließende Friedensordnung geben kann, jedenfalls nicht unter dessen derzeitiger Führung. Weitergedacht bedeutet das – neben der Aufrechterhaltung und dem Anwachsen der zahlreichen Konfliktherde auf der Erde und der Verlängerung der latenten, dann noch zunehmenden Atomkriegsgefahr – die Kapitulation vor der sich abzeichnenden und inzwischen weitgehend erkannten ökologischen Katastrophe. Es ist undenkbar, diese ohne die bevölkerungsreichsten Länder, so China und Indien, wie auch ohne das riesige und rohstoffreiche Russland abzuwenden. …

Selbstverständlich muss die Beendigung des Ukraine-Krieges am Anfang stehen, zunächst durch einen Waffenstillstand. Mehr als jede andere Weltregion hat Europa ein Interesse an einem Ende des Gemetzels dort. Neben der Ukraine selbst, die zerstört wird und ausblutet, sowie Russland, das anhaltend geschwächt wird, verliert EU-Europa dramatisch an weltpolitischem Eigengewicht, während sich die materiellen und sozialen Folgen der Wirtschaftssanktionen erst abzeichnen. Auch wenn es nicht angeht, von der Ukraine ein bedingungsloses Aufgeben zu verlangen, darf daran erinnert werden, dass der Beginn und die Beendigung eines lokalen Krieges keineswegs immer allein die Sache der unmittelbar Kriegführenden gewesen sind. Der ukrainische Präsident Selenskyj selbst hat in den ersten Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffs mit der Selbstverpflichtung der Ukraine zu ständiger Neutralität, der De-facto-Akzeptierung der Krim-Annexion (denkbar wäre auch eine zweite Volksabstimmung unter UNO- oder OSZE-Kontrolle) und einem Sonderstatus für den Donbass eine naheliegende Kompromisslinie skizziert.“

Der Aufruf des DGB zum Antikriegstag: ambivalent

Die linken Aufrufer aus der SPD haben wohl ihre Formulierung aus dem Aufruf des DGB zum Antikriegstag übernommen. Der DGB-Aufruf lautet heuer: „Für den Frieden! Gegen einen neuen Rüstungswettlauf! Die Waffen müssen endlich schweigen!“ ( 12 ). Der Aufruf des DGB ist kritikwürdig, enthält aber auch unterstützenswerte Positionen. So heißt es am Ende des Aufrufs:

„• gegen einen neuen weltweiten Rüstungswettlauf. Gerade der Ukraine-Krieg zeigt, wie wichtig es ist, am Ziel einer weltweit kontrollierten Abrüstung festzuhalten. Die Festlegung der Bundesregierung, den deutschen Rüstungshaushalt dauerhaft auf das Zwei-Prozent-Ziel der NATO oder darüber hinaus aufzustocken, lehnen wir auch deshalb entschieden ab. Außerdem fordern wir die Bundesregierung auf, mit dem angekündigten Rüstungsexportkontrollgesetz umgehend für eine deutliche Beschränkung von Waffenexporten zu sorgen.

• für eine weltweite Ächtung von Atomwaffen. Alle Nuklearmächte modernisieren derzeit ihre Atomwaffenarsenale. Dieser Wahnsinn muss beendet werden! Dabei sehen wir auch die Bundesregierung in der Pflicht: Wir fordern sie auf, an dem im Koalitionsvertrag formulierten Ziel eines atomwaffenfreien Deutschlands festzuhalten, aus der nuklearen Teilhabe auszusteigen und die Lagerung von Atomwaffen in unserem Land zu beenden. Das bedeutet für uns auch, dass Deutschland dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten muss.“

Wir verweisen hier auf die kritische Würdigung des DGB-Aufrufs zum Antikriegstag, der in der Zeitung gegen den Krieg veröffentlicht ist (siehe Anhänge Dok 2: Kritische Würdigung des DGB-Aufrufs zum 1. September )

Der Antikriegstag in Bayern

Für Die Linke in Bayern, das heißt für den Landesvorstand, ist der Antikriegstag im dritten Jahr kein Thema! Der DGB Bayern komplettiert diese trostlose Situation, auch dort wird auf keine Veranstaltung zum Antikriegstag hingewiesen.

Die DGB-Kreisverbände beteiligen sich aber an Kundgebungen zum Antikriegstag, zum Beispiel in Erlangen, Sulzbach-Rosenberg, Aschaffenburg und Nürnberg …

Das Netzwerk Friedenskooperative listet eine ganze Reihe von Veranstaltungen zum Antikriegstag in Bayern auf https://www.friedenskooperative.de/termine/text/bundesland/bayern

Wenn wir richtig gezählt haben, ist der DGB an neun dieser Veranstaltungen in Bayern beteiligt, Die Linke an nur zwei Veranstaltungen (Nürnberg und Regensburg).

Die Augsburger Linke rührt sich nicht, die Teilnahme am Plärrer-Umzug ist ihr wohl wesentlich wichtiger. Aktuell sind die einzigen Termine auf der Homepage der Augsburger Linken dreimal die Sprechstunde mit Bezirks- und Stadtrat Frederik Hintermayr. Auch beim Augsburger DGB, beziehungsweise DGB Region Schwaben ist tote Hose. Auch dafür ist Frederik Hintermayr als Vorstandsmitglied mit verantwortlich.

Die Augsburger SPD spricht öffentlich nicht über den linken Aufruf „Die Waffen müssen schweigen!“, im Gegenteil. Sie beteiligt sich am 24. August an der Ukraine-Kundgebung „Independence in my heart“ auf dem Rathausplatz zusammen mit der Jungen Union, der FDP und dem Ukrainischen Verein. Was dort vertreten wurde, wollen wir lieber nicht wissen.

Peter Feininger, 29.8.2022

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Anhänge

Dok 1: Aufruf aus der SPD „Die Waffen müssen schweigen!“

Jan Dieren
Bundestagsabgeordneter für die Menschen in Moers, Krefeld und Neukirchen-Vluyn

Die Waffen müssen schweigen!

Der völkerrechtswidrige und durch nichts zu rechtfertigende Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine dauert nun schon länger als ein halbes Jahr und hat unermessliches Leid und Zerstörung verursacht. Kriegsverbrechen wie die Angriffe auf Wohnhäuser, Einkaufszentren, Krankenhäuser, Universitäten und andere zivile Einrichtungen zeigen die ganze Abscheulichkeit des russischen Vorgehens.

Deutschland und die EU sind solidarisch mit den Menschen in der Ukraine. Wir betonen das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine und unterstu¨tzen politische, finanzielle, wirtschaftliche und militärische Maßnahmen, die zu einem schnellen Waffenstillstand und einem Ende dieses Kriegs beitragen. Wir bleiben dabei: Die NATO oder einzelne westliche Staaten du¨rfen nicht zur Kriegspartei werden, weil dies unvermeidlich die Ausdehnung des Kriegs zu einem Dritten – möglicherweise atomaren - Weltkrieg bedeutet. Die Eskalationsspirale muss gestoppt werden. Deshalb gilt es bei jeder Lieferung von Waffen sorgfältig abzuwägen und zu bedenken, wo die „rote Linie“ liegt, die als Kriegseintritt wahrgenommen werden und entsprechende Reaktionen provozieren könnte. Die Einrichtung von Flugverbotszonen, die Lieferung von Kampfpanzern oder Kampfjets wu¨rden diese Grenze sicher u¨berschreiten.

Wir stehen an der Seite jener Russ*innen, die sich mutig gegen den Krieg stellen. Zunehmend wollen Russen den Kriegsdienst verweigern oder sie desertieren. Sie weigern sich, Teil eines völkerrechtswidrigen Kriegs zu sein. Ihnen muss in der EU Aufenthalt gewährt werden. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht und steht allen Menschen zu, auch den Ukrainern.

Zeit der Diplomatie

Dieser Krieg wird keine militärischen Sieger kennen. Eine Fortsetzung des Kriegs wird nur noch mehr Tote und Zerstörung zur Folge haben. Wir brauchen einen schnellstmöglichen Waffenstillstand als Ausgangspunkt fu¨r umfassende Friedensverhandlungen.

Deshalb: Es ist die Zeit der Diplomatie. Die EU und ihre Mitgliedstaaten mu¨ssen ihre diplomatischen Anstrengungen verstärken, um eine Waffenruhe zu befördern. Dazu muss der Austausch mit bisher neutralen Ländern wie Indonesien, Indien oder Su¨dafrika, aber auch mit China intensiviert werden, um sie fu¨r eine Vermittlerrolle zwischen den Kriegsparteien zu gewinnen. Auch die Vereinten Nationen mu¨ssen neue Initiativen starten.

Der Krieg droht die Welt in eine Rezession mit wachsender Arbeitslosigkeit zu stu¨rzen. Schon jetzt gibt es weitgehende Auswirkungen auf den Alltag, auch hier in Deutschland. Inflation und knapper werdende Energieressourcen treffen vor allem die Ärmsten. Deshalb mu¨ssen wir Kriegsgewinner zur Kasse bitten und hohe Einkommen stärker besteuern. Das stärkt nicht nur den Sozialstaat, sondern ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Weitaus dramatischer sind die Auswirkungen auf die Länder Afrikas. 50 Millionen Menschen stehen laut UN-Welternährungsprogramm kurz vor einer Hungersnot, 750.000 drohen in einigen Ländern Afrikas zu verhungern. Auch um diese Hungersnöte zu verhindern, muss der Krieg so schnell wie möglich gestoppt werden.

Globale Sicherheitsarchitektur auf Basis des Rechts

Russland hat mit dem Krieg den Glauben vieler Menschen an eine kooperative Sicherheitsarchitektur in Europa zerstört. Diese Hoffnung wurde auch getragen von der Entspannungs- und Friedenspolitik, fu¨r die Willy Brandt den Friedensnobelpreis erhielt. Sie hat viel Positives bewirkt. Angesichts der Dramatik der globalen Krisen wie die Zunahme des Hungers, der Klimawandel, andere schreckliche Kriege, die Migrations- und Fluchtbewegungen, bedarf es eines neuen Anlaufs einer globalen Entspannungspolitik, die auf der Basis gemeinsamer Interessen die Kooperation sucht und zugleich robust imperiales Vorgehen wie das Russlands in der Ukraine zuru¨ckweist. Denn eine stabile Friedensordnung auf Grundlage internationaler Kooperation und Solidarität steht jedem Versuch entgegen, eine imperiale Ordnung zu errichten oder zu erhalten.

Wir wollen nicht - nach einem hoffentlich baldigen Ende des Kriegs in der Ukraine - in eine Ära zuru¨ckfallen, die jederzeit an der Schwelle eines Atomkriegs steht, da sowohl Russland als auch die NATO nicht auf einen Ersteinsatz von Atomwaffen verzichten. Sicherheit und Frieden können nicht gegenseitig erru¨stet werden. Den Aufru¨stungsplänen stehen wir skeptisch bis ablehnend gegenu¨ber. Denn schon jetzt gibt die NATO ein Vielfaches fu¨r Ru¨stung im Vergleich zu Russland aus. Eine ausschließlich auf militärische Konfrontation, Aufru¨stung und Abschreckung setzende Politik ist keine belastbare Grundlage fu¨r Stabilität. Das zeigt z. B. die Zeit des Kalten Kriegs, in der Ru¨stungswettläufe und Stellvertreterkriege vorherrschten und die Welt mehrmals kurz vor dem atomaren Abgrund stand. Wir brauchen eine globale Sicherheitsarchitektur auf Basis des Rechts und nicht auf der Basis militärischer Stärke. Wir engagieren uns weiter fu¨r Ru¨stungskontrolle und Abru¨stung.

Es ist eine längere Übergangsphase mit Konflikten, Konfrontation und Kooperation zu erwarten. Letztlich wird eine grundsätzliche Verbesserung der Beziehungen zwischen Russland und der EU und dem Westen erst in einer Nach-Putin-Ära möglich sein. Aber solange muss auf der Basis der Zurkenntnisnahme von Realitäten, die einem nicht gefallen, mit der russischen Regierung ein Modus Vivendi gefunden werden, der eine weitere Eskalation des Kriegs ausschließt. Am Ende wird es eine Vereinbarung zwischen der Ukraine und Russland geben mu¨ssen.

Jetzt muss die Diplomatie die Initiative ergreifen. Die Waffen mu¨ssen schweigen! Wir rufen

zu zivilgesellschaftlichen Aktivitäten auf, um dem Frieden eine Chance zu geben. Der Antikriegstag am 1. September mit den Kundgebungen des DGBs und der Friedensbewegung ist dazu eine gute Möglichkeit.

Willy Brandt hatte Recht: Der Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.

ERSTUNTERZEICHNER*INNEN

Jan Dieren (MdB),

Prof. Dr. Dietmar Köster (MdEP),

Jens Peick (MdB),

Dr. Joachim Schuster (MdEP),

Dr. Andreas Bach (Geschäftsfu¨hrung spw-Verlag),

Volkan Baran (MdL),

Dr. Abdul Bari,

Prof. Dr. Peter Brandt (Historiker und Publizist, Berlin),

Michael Buckup (Vorstandsmitglied Forum DL21 e.V.),

Anja Butschkau (MdL, Frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion NRW),

Eberhard Fandrey (Ehrenvorsitzender SPD Stadtverband Wetter/Ruhr),

Friedhelm Hilgers (Bundesvorstandsmitglied AG 60 plus),

Heinz-Rudolf Hönings (Städtepartnerschaftsverein Köln-Bethlehem),

Maja Iwer (Vorsitzende SJD - Die Falken NRW),

Rainer Keller (MdB),

Dietrich Kessel (MdL a. D.),

Alma Kleen (Stellvertretende Vorsitzende Forum DL21 e.V.),

Constanze Krehl (MdEP),

Jasper von Legat (Friedensbeauftragter der Bremischen Evangelischen Kirche),

Helmut Meyer (Schatzmeister Forum DL21 e.V. ),

Michael Mu¨ller (Bundesvorsitzender der NaturFreunde, MdB und Parl. Staatssekretär a. D.),

Carlo Parisel (SPD OV Offenburg),

Gerd Philipp (Vorsitzender SPD-OV Schwelm),

Johann-Peter Porten (Berater fu¨r Berufsbildung),

René Röspel (MdB a. D.),

Kira Rudolph (Wiss. Mitarbeiterin Ruhr-Universität Bochum),

Tina Rudolph (MdB),

Dr. Carsten Sieling (Mitglied der Bremischen Bu¨rgerschaft, Bremer Bu¨rgermeister a. D.),

Stefan Stache (Geschäftsfu¨hrung spw-Verlag),

Dr. Carolin Wagner (MdB),

Falk Wagner (Mitglied der Bremischen Bu¨rgerschaft),

Eberhard Weber (DGB-Vorsitzender Dortmund a. D.),

Thomas Westphal (Oberbu¨rgermeister der Stadt Dortmund),

Reinhold Wetjen (SPD-Landesvorsitzender Bremen),

Serdar Yu¨ksel (MdL),

Burkhard Zimmermann (Ortsvereinsvorsitzender SPD Dahlem)

Dieren, Jan. „Die Waffen müssen schweigen! Aufruf zum Anti-Kriegstag 2022“. Jan Dieren, SPD-Bundestagsabgeordneter für die Menschen in Moers, Krefeld und Neukirchen-Vluyn, 26. August 2022. https://www.jan-dieren.de/post/die-waffen-müssen-schweigen .


Dok 2: Kritische Würdigung des DGB-Aufrufs zum 1. September

DGB-Aktionen am 1.9.2022

Am 1. September 1939 überfiel NS-Deutschland den Nachbarn Polen und begann den bislang verheerendsten aller Kriege. Seit Anfang der 50er Jahre sind es v.a. die Gewerkschaften, die den Antikriegstag gemeinsam mit der Friedensbewegung begehen, meist unter dem Motto „Nie wieder Krieg! – Nie wieder Faschismus!“

Im vergangenen Jahr formulierte der DGB unmittelbar vor den Bundestagswahlen: „Wir brauchen eine Politik, die auf Abrüstung und Entspannung setzt, statt auf Aufrüstung und Abschreckung. … eine Bundesregierung, die sich dafür mit aller Entschlossenheit einsetzt.“ Ein Jahr später stellen wir ernüchtert fest, dass die neu gewählte Regierung das genaue Gegenteil dessen betreibt. Sie rüstet in einem nie gekannten Ausmaß auf und begründet dies mit der notwendigen „Abschreckung Russlands“. Diese „tiefe Zäsur“ zwinge „uns, neue Antworten zu finden.“ Bundeskanzler Scholz nannte diese Zäsur am 27.02. eine „Zeitenwende“.

Wurde 2021 der NATO noch vorgeworfen „gezielt auf Konfrontation gegenüber Russland und China“ zu setzen, ist es jetzt das „autokratische Regime Russlands“, welches eine „Politik der Konfrontation und Eskalation“ betreibe. Dieses Narrativ kennen wir zur Genüge aus den Verlautbarungen von Regierung und NATO und aus den Hauptmedien. Dies ist die negative Seite der diesjährigen Erklärung zum Antikriegstag, mit der der DGB „die Friedensbewegung mit seiner gewerkschaftlichen Kraft unterstützen“ will.

Es gibt auch die positive Seite, die v.a. in der Ablehnung des „Irrglaubens, Friede ließe sich mit Waffen schaffen“ zu finden ist. Vor der „weiteren Militarisierung der Debatte“ wird ausdrücklich „gewarnt“. Die „Festlegung der Bundesregierung, den deutschen Rüstungshaushalt dauerhaft auf das Zwei-Prozent-Ziel der NATO oder darüber hinaus aufzustocken“, wird weiterhin entschieden abgelehnt. Eine „deutliche Beschränkung von Waffenexporten“ wird gefordert, ebenso der „Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag“.

Nehmen wir in den bevorstehenden Aktionen den DGB beim Wort. Fordern wir den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften auf, mit der Friedensbewegung auf die Straße zu gehen, um die genannten friedenspolitischen Ziele gemeinsam durchzusetzen. Dazu wird es den berühmten „langen Atem“ brauchen, gerade nach „Zäsur“ und „Zeitenwende“

Christof Ostheimer, Neumünster, ver.di OV und LbzV Nord

In: zeitung gegen den krieg. „Zeitung gegen den Krieg. Downlaod der Ausgabe 52“, Herbst 2022. https://zeitung-gegen-den-krieg.de/ . Zum Download: http://zeitung-gegen-den-krieg.de/wp-content/uploads/2022/08/zgk_52-web.pdf

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1 Feininger, Peter. „Ostermarsch 2022: Die Augsburger Friedensinitiative verfehlt den Frieden. Lühr Henken: Eine immense Herausforderung für die deutsche Friedensbewegung – ‚Dark Eagle‘ muss verhindert werden“. Forum solidarisches und friedliches Augsburg, 14. April 2022. https://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Antimil/220414_ostermarsch-2022/index.htm .

2 Wiedemann, Johannes. „FDP bricht in der Wählerzufriedenheit ein – Lindner stürzt ab. Im Deutschlandtrend ist nicht einmal ein Viertel der Befragten mit der Arbeit der Liberalen zufrieden. In Sachen Ukraine-Politik gibt es einen Meinungsumschwung“. Die Welt, 5. August 2022.

3 Jan Dieren. „Jan Dieren Bundestagsabgeordneter. Sozial. Demokratisch. Für Uns Im Bundestag.“ Zugegriffen 28. August 2022. https://www.jan-dieren.de .

4 Forum DL21 e.V. „Forum DL21 e.V. | Die Linke in der SPD“. Zugegriffen 28. August 2022. https://www.forum-dl21.de/ .

5 „spw Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft“, 11. Februar 2022. https://www.spw.de/xd/public/content/index.html?sid=spwverlag .

6 Deutschlandfunk. „Öffentlicher Appell - Mehrere SPD-Politiker rufen dazu auf, ‚Modus vivendi‘ mit Russland zu finden“, 26. August 2022. https://www.deutschlandfunk.de/mehrere-spd-politiker-rufen-dazu-auf-modus-vivendi-mit-russland-zu-finden-100.html .

7 Reinecke, Stefan. „Unerwünschter Vorstoß. Sächsischer CDU-Ministerpräsident und SPD-Linke wollen Verhandlungen mit Russland“. taz, 29. August 2022

8 Ebd.

9 Der russische Präsident Wladimir Putin hat am 2. Juni 2020 ein Dekret unterzeichnet und veröffentlichen lassen, das die Prinzipien der nuklearen Abschreckungspolitik Russlands zusammenfassend zum Ausdruck bringt. In diesem Dekret werden unter anderen folgende Bedrohungen für Russland aufgelistet, denen durch eine nukleare Abschreckung zu begegnen ist:

Stationierung durch einen potenziellen Gegner von konventionellen Streitkräften, die über Einsatzmittel von Nuklearwaffen verfügen, auf dem Territorium von Staaten, die der Russischen Föderation und ihren Alliierten benachbart sind sowie in den an diese angrenzenden Gewässern

Stationierung von Raketenabwehrsystemen und -mitteln, Mittel- und Langstreckenmarschflugkörpern und ballistischen Flugkörpern, nichtnuklearen Präzisions- und Überschallwaffen, unbemannten letalen Luftfahrzeugen und Hochenergiewaffen durch Staaten, die die Russische Föderation als potenziellen Gegner betrachten

Entwicklung und Stationierung von Raketenabwehreinrichtungen und Angriffssystemen im Weltraum

Gemäß des Dekrets behält sich die Russische Föderation das Recht vor, Nuklearwaffen einzusetzen

als Antwort auf den Einsatz von Nuklearwaffen oder anderer Arten von Massenvernichtungswaffen gegen jeden Akteur und/oder seine Bundesgenossen,

wie auch als Folge eines Angriffes gegen die Russische Föderation mit der Hilfe konventioneller Waffen, wenn die Existenz des Staates dadurch gefährdet ist.

Zitiert nach: DeWiki. „Verzicht auf den Ersteinsatz“. Zugegriffen 29. August 2022. https://dewiki.de/Lexikon/Verzicht_auf_den_Ersteinsatz .

10 Handelsblatt. „Nuklearwaffen: Putin bestätigt Moskaus Verzicht auf Erstschlag mit Atomwaffen“, 2. August 2022. https://www.handelsblatt.com/finanzen/nuklearwaffen-putin-bestaetigt-moskaus-verzicht-auf-erstschlag-mit-atomwaffen/28566400.html .

11 Brandt, Peter. „Es gibt die Skizze für eine Verhandlungslösung: Kein stabiler Frieden in Europa ohne Russland“. In zeitung gegen den krieg, Ausgabe 52 Herbst 2022 . http://zeitung-gegen-den-krieg.de/wp-content/uploads/2022/08/zgk_52-web.pdf .

12 DGB. „Für den Frieden! Gegen einen neuen Rüstungswettlauf! Die Waffen müssen endlich schweigen! - Aufruf des DGB zum Antikriegstag 2022“. Zugegriffen 28. August 2022. https://www.dgb.de/termine/++co++8acfd9f4-01e1-11ed-8b48-001a4a160123 .


   
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