Ostermarsch 2023

Aufruf: Frieden statt „Zeitenwende“

Kein Einbruch bei den Teilnehmerzahlen – Spaltung vermieden

12.4.2023

Aufruf: Frieden statt „Zeitenwende“

Anhänge

Anhang 1: Aufruf zum Augsburger Ostermarsch 2023
Frieden statt „Zeitenwende“
Versagt hat die militärische Machtpolitik
Verhandeln statt kämpfen
Rüstungsexporte beenden!
Anhang 2: Rede Augsburger Friedensinitiative (AFI)
Deutschland ist Kriegspartei, der Krieg auf dem Boden der Ukraine ist zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Nato und Russland geworden.
Anhang 3: Rede von pax christi
Die Waffenhilfe der Nato seit 2018 hat diesen … Krieg überhaupt erst ermöglicht. Andernfalls hätte sich die Ukraine dem Minsker Abkommen unterwerfen müssen …
Anhang 4: Rede der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)
Wer gewinnt, wer verliert bei diesem Krieg?
Exkurs: Internationaler Friedenskongress zu Basel, 1912 – die Lösung? Für uns heute?!

Fotogalerie


zur Druckversion  


Aufruf: Frieden statt „Zeitenwende“

Zum diesjährigen Ostermarsch in Augsburg am 8. April versammelten sich bei der Kundgebung am Moritzplatz 330 Menschen, etwas mehr als letztes Jahr. Eine dpa-Meldung erwähnte die Augsburger Kundgebung und wurde in allen bayerischen Medien und sogar bundesweit verbreitet. In München waren es laut Veranstalter um die 1000 Teilnehmer mit dem Motto „Verhandeln statt schießen“. Parallel dazu demonstrierten rund 1.500 Menschen unter dem Motto „Macht Frieden“, organisiert vom Bündnis „München steht auf“. Die stärkste Ostermarschkundgebung Bayerns fand wohl in Nürnberg statt mit 1200 Menschen, nach einem Sternmarsch von Fürth und Erlangen.

Die Stimmung in Augsburg war gut, man traf alte Bekannte, aber auch neue Leute und hatte Gelegenheit zu interessanten Gesprächen. Die erfolgreiche Kundgebung und Demonstration sind der bewährten Organisation der Augsburger Friedensinitiative (AFI) zu verdanken, organisatorisch auch durch die VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) unterstützt.

Auch der Aufruf zur Kundgebung mit dem Titel Frieden statt „Zeitenwende“ ist unseres Erachtens besser als der letztjährige ( 1 ). (Siehe Anhang 1 in diesen Artikel)

Letztes Jahr wurde noch von einem Angriff Russlands auf die territoriale Integrität der Ukraine gesprochen, der durch nichts zu entschuldigen sei, und Russland eine brutale Kriegsführung vorgehalten. Außerdem wurden im Aufruf des Bündnisses von 2022 nicht die Aufhebung der Sanktionen gefordert, sondern ausdrücklich nur die Abschwächung ihrer Folgen. Präsident Putin wurde unterstellt, mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen. Mit der Formulierung einer seit Jahren forcierten Konfrontationspolitik zwischen der NATO und Russland wurde diese Konfrontationspolitik auch Russland unterstellt.

Der Aufruf des Bündnisses 2023 vermeidet diese Behauptungen weitgehend. Zwar wird Russland nach wie vor der größte Teil der Verantwortung für den Krieg in der Ukraine zugeschoben, aber eben nur ein Teil. Es wird heuer die Torpedierung des Minsk-II-Abkommen durch die Vertragspartner und die Bedrohung Russlands durch die NATO-Osterweiterung und die enorme Aufrüstung des westlichen Militärbündnisses angesprochen:

„Mit verantwortlich ist aber auch die Ukraine selbst durch die Nichtbefolgung des Minsk-II-Abkommens, sowie Frankreich und Deutschland als Vertragspartner, die hier bewusst keinen Druck auf die Ukraine ausgeübt haben. Die Erweiterung der NATO nach Osten und die enorme Aufrüstung des westlichen Militärbündnisses haben Russland nicht vom Angriff auf die Ukraine abgehalten, sondern waren sogar mit ein Auslöser für den Krieg.“

Schade das heuer die Sanktionen gegen Russland überhaupt nicht thematisiert werden. Denn sie sind ein illegales und fürchterliches Mittel der Kriegsführung, das in diesem Fall weniger die russische Bevölkerung als die europäische ausbaden muss. Schade auch, dass die Vorgeschichte des Krieges seit 2014 nur erwähnt wird: „… von Regierung, CDU/CSU und weiten Teilen der Medien ebenso unter den Teppich gekehrt, wie die Vorgeschichte des Krieges seit 2014“. Mehr wird dazu nicht gesagt.

Nur wenn man die Vorgeschichte des Krieges seit 2014 (oder noch früher) weglässt, kann man so apodiktisch von einem russischen Angriffskrieg sprechen. Je mehr man sich mit der Vorgeschichte befasst – und die Dinge sind inzwischen ja eigentlich bekannt –, desto mehr kommt die Bedrohung der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine, die Bedrohung russischen Territoriums auf der Krim und eine massive Bedrohung Russlands selbst, also der russischen Bevölkerung, in den Blick. Siehe zum Beispiel die neueste Ausgabe des RotFuchs ( 2 ) oder auch den Redebeitrag von Lühr Henken für den Ostermarsch Berlin ( 3 ).

Es werden im diesjährigen Aufruf auch die dringend notwendigen Sicherheitsgarantien, auch der NATO gegenüber Russland, angesprochen und die Interessen aller Menschen auch derer im Osten der Ukraine und auf der Krim thematisiert. Außerdem wird deutlich zu Kooperation statt Konfrontation mit Russland und China geraten:

„Nur Diplomatie, Dialog und Kooperation können den Krieg in der Ukraine durch gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen allen Beteiligten – auch der NATO gegenüber Russland – beenden. Dabei müssen die Interessen aller Menschen auf dem Gebiet der Ukraine berücksichtigt werden, auch denen im Osten des Landes und auf der Krim.

Statt mit Hunderten Milliarden Euro für das Militär die Konfrontation mit Russland und auch China zu verstärken, sollte das Geld in weltweite Investitionsprogramme für Soziales, Umwelt, Gesundheit und Bildung investiert werden. Die Klimakatastrophe kann nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller Länder abgewendet werden – ohne China und Russland geht es nicht. Gleichzeitig müssen Verhandlungen über Rüstungskontrollen, Abrüstung und die Abschaffung von Atomwaffen wieder aufgenommen werden.“

Klaus Stampfer vertieft dies in seiner Rede für die AFI (siehe Anhang 2 ):

„Es macht uns Angst, wenn in den Medien nicht mehr die Frage gestellt wird, wie können Kriege verhindert werden, sondern ‚Kann Deutschland Krieg‘. Es macht Angst, wenn statt über Entspannung und Völkerverständigung debattiert wird, wie Deutschland schnell kriegsbereit gemacht und militärisch aufgerüstet werden kann, wie Russland und China wirtschaftlich und militärisch besiegt werden können.“

Und dann sagt Klaus Stampfer noch zwei entscheidende Sätze: „Immer schwerere Waffen bis hin zu Kampfpanzern wurden geliefert und ohne den Nachschub von Munition durch die Nato wäre der Krieg in wenigen Tagen vorbei. Deutschland ist Kriegspartei, der Krieg auf dem Boden der Ukraine ist zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Nato und Russland geworden.“

Aus dieser Aussage folgen im Grunde schwerwiegende Dinge. Erstens könnte der Westen den Krieg sofort beenden, wenn er seine Waffenlieferungen einstellen würde. Zweitens wären bei einem Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland die Vorzeichen umgekehrt: in diesem Stellvertreterkrieg wäre nämlich nicht Russland der Aggressor, sondern die NATO. Denn Russland greift kein NATO-Land an oder bedroht es, wird aber von der NATO bedroht und angegriffen.

Ähnliche Aussagen macht auch Jost Eschenburg von Pax Christi, als er sagt: „Die Waffenhilfe der Nato seit 2018 hat diesen langandauernden Krieg überhaupt erst ermöglicht. Andernfalls hätte sich die Ukraine dem Minsker Abkommen unterwerfen müssen und es hätte keinen Kriegsanlass gegeben.“ Dafür bekommt der Redner genauso viel Beifall wie Klaus Stampfer. Auch Jost Eschenburg macht den Westen und die Bundesrepublik für das Andauern des Krieges verantwortlich:

„Heute, nach mehr als einem Jahr Krieg, müssen wir schaudernd erkennen, dass unsere führenden Politiker:innen bei der jetzigen Kriegslage keinen Waffenstillstand wollen. Sie wollen nicht, dass die Waffen schweigen, dass das Morden unterbrochen wird, dass nicht mehr jeden Tag hunderte hoffnungsvoller junger Menschen in diesem ‚Abnutzungskrieg‘ zermalmt werden …“

In Anhang 4 dokumentieren wir noch die Rede der DKP (Deutsche Kommunistische Partei), die sich mit der Frage befasst: Wer gewinnt, wer verliert bei diesem Krieg? Hier wird konkret nachgewiesenen und agitiert, welche Gewinne die Firmen im Energiesektor machen, in der Rüstungsproduktion und der Lebensmittelproduktion. Dagegen wird die rapide Verschlechterung der Lage für Millionen von Rentnern gehalten, wo die Heizung kalt bleibt und die Wände schimmeln, und für Millionen Kinder, die am Monatsende nichts Ordentliches mehr zu essen bekommen. Für diese Rede gab es mit den meisten Beifall, obwohl sie sich gar nicht mit den Kriegsursachen befasste, sondern nur mit den Folgen. (siehe hierzu auch den Exkurs: Internationaler Friedenskongress zu Basel, 1912 – die Lösung? Für uns heute?! )

Sieht man sich den Aufruf zum Augsburger Ostermarsch an ( Anhang 1 ), so stellt man fest, dass einige Organisationen zwar den Ostermarsch unterstützen, aber nicht den Aufruf. Dazu gehören unter anderem die VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) und Pax Christi. Nach Rücksprache mit beiden Organisationen mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass sie so gespalten sind in der Frage des Ukrainekriegs, dass sie den Aufruf nicht unterstützen können. Grob gesagt, ist einem Teil der Mitglieder der Aufruf zu russlandfreundlich, beziehungsweise nicht russlandfeindlich genug. In unseren Augen ist das eine Rechtsentwicklung, die sehr bedenklich ist.

Was auch noch auffällt: Die Linke in Augsburg unterstützte weder den Aufruf noch den Ostermarsch. Und das, obwohl der Landesvorstand mit einem eigenen Aufruf bayernweit zur Teilnahme an den Ostermärschen aufrief und auch den Augsburger Ostermarsch ausdrücklich erwähnte. Auch Fridays for Future unterstützte den Ostermarsch nicht. Ebenso ließen sich auch eine ganze Reihe anderer junger und eigentlich kämpferischer politischer Organisationen nicht sehen.

Es gab aber auch nicht wenige Teilnehmer auf der Kundgebung, denen der Aufruf nicht weit genug ging, und denen vor allem einige Reden gar nicht gefallen haben. Auf den Fotos unten haben wir einige Tafeln und Transparente dokumentiert, die zeigen, wie progressiv die Teilnehmer vielfach waren und was sie eigentlich erwartet hätten.

Bundesweit dürfte es genauso sein wie in Augsburg, die Teilnehmerzahlen sind wenn überhaupt nur minimal gestiegen gegenüber dem letzten Jahr. Angesichts der massiven Militarisierung, die seitdem in Deutschland stattgefunden hat, ist das kein berauschendes Ergebnis und die Organisatoren scheinen heilfroh zu sein, dass ihnen die Bewegung nicht ganz zusammenbricht. 2500 Menschen in Berlin nach Veranstalterangaben werden der eskalierenden Lage in keiner Weise gerecht. Nach der Großkundgebung in Berlin mit mehreren 10.000 Teilnehmern für ein Manifest für Frieden am 25. Februar wurde von den Organisatoren von einem Auftakt für eine neue Friedensbewegung gesprochen. Dies ist offensichtlich nicht eingetreten. Zum Teil ist dies auch dem katastrophalen Zustand der Linkspartei geschuldet. In Berlin gab es im Vorfeld Streit zwischen der Partei Die Linke und der klassischen Friedensbewegung, in Hamburg hatten Linkspartei und DGB erstmals nicht zum Ostermarsch mobilisiert. Auch in Bremen distanzierte sich Die Linke wegen mangelnder Solidarität mit der Ukraine …

Die Friedensbewegung ist teilweise politisch gespalten, teilweise regional und wird teilweise von früheren Bündnispartnern isoliert. Und die Friedensbewegung wird auch immer stärker diffamiert. „Willi van Ooyen, Sprecher des Ostermarschbüros, erklärte, ‚trotz der an Umfang und Schärfe erheblich aggressiveren Diffamierungen der Friedensbewegung‘ habe eine stärkere Mobilisierung nicht verhindert werden können. … Die Ostermarschierer hätten sich nicht durch ‚medial aufgeblähte Abgrenzungsdebatten‘ ablenken lassen, sondern seien ‚eindeutig gegen die fortschreitende Militarisierung und Kriegspropaganda aufgetreten‘“ ( 4 ).

Man kann nur hoffen, dass das so war und so bleibt und uns auch die Augsburger Friedensinitiative erhalten bleibt.

Peter Feininger, 12. April 2023

zur Druckversion  

Anhänge

Anhang 1: Aufruf zum Augsburger Ostermarsch 2023

Frieden statt „Zeitenwende“

Seit mehr als einem Jahr herrscht nun Krieg in der Ukraine. Den Angriff Russlands auf das Land hat Bundeskanzler Scholz als Anlass genommen, eine „Zeitenwende“ auszurufen. Tatsächlich hat aber gar keine Wende stattgefunden, sondern nur eine Verstärkung einer schon vorher bestehenden Politik der Aufrüstung und Konfrontation. Allerdings hat der Krieg Russlands gegen die Ukraine der Ampelkoalition die Möglichkeit gegeben, Bedenken gegen einen gigantischen Militäretat der 100 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden und zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschlingt, beiseitezuschieben. Dass es schon vor dem russischen Überfall völkerrechtswidrige Kriege auch des Westens gab – Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien – wird dabei von Regierung, CDU/CSU und weiten Teilen der Medien ebenso unter den Teppich gekehrt, wie die Vorgeschichte des Krieges seit 2014. Die Grenzen der viel beschworenen „westlichen Werte“ zeigt das Schweigen von Bundesrepublik und EU nach dem Angriff Aserbaidschans auf Armenien oder dem Krieg der Türkei gegen die Kurden im Norden Syriens (Rojava).

Versagt hat die militärische Machtpolitik

Jeder Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Den größten Teil der Verantwortung für den Krieg in der Ukraine trägt Russland durch den völkerrechtswidrigen Angriff am 24.2.2022. Mit verantwortlich ist aber auch die Ukraine selbst durch die Nichtbefolgung des Minsk-II-Abkommens, sowie Frankreich und Deutschland als Vertragspartner, die hier bewusst keinen Druck auf die Ukraine ausgeübt haben. Die Erweiterung der NATO nach Osten und die enorme Aufrüstung des westlichen Militärbündnisses haben Russland nicht vom Angriff auf die Ukraine abgehalten, sondern waren sogar mit ein Auslöser für den Krieg.

Angesichts des Leids und der Zerstörung in der Ukraine müssten nun alle politischen Anstrengungen und auch öffentlichen Debatten das Ziel verfolgen, den Krieg schnellstmöglich zu beenden. Das ist aber nicht der Fall: Es werden immer mehr und immer zerstörerische Waffen in den Krieg gepumpt und die Bedingungen für Verhandlungen werden in nicht zu erfüllende Höhen geschraubt – von allen Seiten. Nachdenkliche oder mahnende Stimmen, auch aus der Friedensbewegung, werden moralisierend verurteilt, Pazifist*innen beschimpft.

Heribert Prantl, ehemaliges Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, schreibt dazu in einem Kommentar für den NDR: „Es ist fatal und unendlich töricht, dass hierzulande schon die Wörter „Waffenstillstand“, „Friedensappell“ und „Frieden“ als anrüchig gelten, wenn sie im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine gebraucht werden. Es ist fatal, wenn das Werben für eine diplomatische Offensive fast schon als Beihilfe zum Verbrechen bewertet wird.“

Verhandeln statt kämpfen

Waffen zu liefern, anstatt Wege zu einem Verhandlungsfrieden zu suchen, ist falsch. Sie verlängern den Krieg, mehr Menschen werden getötet oder verletzt, die Zerstörung von Wirtschaft und Infrastruktur in der Ukraine geht weiter. Echte Solidarität ist die Rettung von Menschenleben und die Aufnahme von Geflüchteten. Zudem müssen Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland und der Ukraine problemlos einreisen können und Asyl in der EU erhalten. Die AFI begrüßt die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge in der EU. Die rassistische Ausgrenzung von Flüchtenden mit anderer Nationalität an den EU-Grenzen muss gestoppt werden.

Nur Diplomatie, Dialog und Kooperation können den Krieg in der Ukraine durch gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen allen Beteiligten – auch der NATO gegenüber Russland – beenden. Dabei müssen die Interessen aller Menschen auf dem Gebiet der Ukraine berücksichtigt werden, auch denen im Osten des Landes und auf der Krim.

Statt mit Hunderten Milliarden Euro für das Militär die Konfrontation mit Russland und auch China zu verstärken, sollte das Geld in weltweite Investitionsprogramme für Soziales, Umwelt, Gesundheit und Bildung investiert werden. Die Klimakatastrophe kann nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller Länder abgewendet werden – ohne China und Russland geht es nicht. Gleichzeitig müssen Verhandlungen über Rüstungskontrollen, Abrüstung und die Abschaffung von Atomwaffen wieder aufgenommen werden. Die Gefahr eines Atomkrieges durch eine Eskalation des Krieges in der Ukraine ist heute so groß wie niemals seit der Kuba-Krise 1962.

Rüstungsexporte beenden!

Im vergangenen Jahr hat die Regierung aus SPD, Grünen und FDP Rüstungsexporte für mehr als acht Milliarden Euro genehmigt, die zweithöchste Summe in der Geschichte der Bundesrepublik. Etwa ein Viertel davon waren Waffenlieferungen an die Ukraine. Der Rest ging in andere Länder, darunter Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten.

Für Jürgen Grässlin, Sprecher der Aktion Aufschrei und Bundessprecher der DFG-VK zeigt sich hier die Heuchelei der Bundesregierung: „Während sie von mehr Restriktionen, Menschenrechten und Kontrolle spricht, genehmigt sie zugleich Kriegswaffentransfers an menschenrechtsverletzende und kriegführende Regierungen.“ Die AFI ist Teil der Aktion Aufschrei und unterstützt deren Forderung nach einem Verbot aller Rüstungsexporte - aufschrei-waffenhandel.de .

Der Aufruf zum Ostermarsch wird unterstützt von:

attac-augsburg, Augsburger Friedensinitiative (AFI), Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Augsburg, DKP Augsburg, Internationalistisches Bündnis, Öko-Sozial-Projekt, ZAM e.V. Zusammenschluss Augsburger Migranten(selbst)organisationen

Den Ostermarsch unterstützen zusätzlich:

MPLD Augsburg, pax christi Augsburg, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Kreisvereinigung Augsburg


 

 

Anhang 2: Rede Augsburger Friedensinitiative (AFI)

Deutschland ist Kriegspartei, der Krieg auf dem Boden der Ukraine ist zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Nato und Russland geworden.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, wir verurteilen den Krieg in der Ukraine als Verbrechen an der Menschheit. Wir verurteilen diesen Krieg in gleicher Weise wie die völkerrechtswidrigen Angriffskriege westlicher Länder gegen Jugoslawien, Afghanistan, Irak und Libyen und wie wir alle anderen Kriege verurteilen, die auf dieser Erde stattfinden.

Vor einem Jahr haben wir hier beim Ostermarsch prophezeit, dass die Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet den Krieg nicht beenden, sondern verlängern, dass der Krieg weiter eskaliert und noch mehr Menschen sterben. Jetzt, ein Jahr später, sehen wir, dass dies eingetroffen ist. Der Krieg in der Ukraine ist nicht beendet. Hunderttausende Menschen wurden getötet, große Teile der Infrastruktur der Ukraine sind zerstört. Immer schwerere Waffen bis hin zu Kampfpanzern wurden geliefert und ohne den Nachschub von Munition durch die Nato wäre der Krieg in wenigen Tagen vorbei. Deutschland ist Kriegspartei, der Krieg auf dem Boden der Ukraine ist zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Nato und Russland geworden. Die Gefahr, dass der Krieg nicht auf die Ukraine begrenzt bleibt, war noch nie so groß wie jetzt.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, eigentlich müssten jetzt Millionen Menschen auf die Straße gehen, um für einen sofortigen Waffenstillstand und für Verhandlungen zur Beendigung des Krieges zu demonstrieren. Warum tun sie es nicht? Wenn ich mich umschaue und hier viele Bekannte sehe, die seit Jahrzehnten in der Friedensbewegung aktiv sind, dann fällt mir eine von mehreren Erklärungen ein. Wir, damit meine ich unsere Generation, hatten Eltern, die den Krieg und seine Schrecken erlebt haben. Mein Vater wurde 1939 als 17-Jähriger zum Arbeitsdienst und danach zur Wehrmacht eingezogen und kam als 26-Jähriger aus der Kriegsgefangenschaft heim. Wir wurden damit sozialisiert, welche Schrecken Krieg und Militarismus bedeuten und auch, dass die eigene Regierung zu den Verbrechern und nicht zu den sogenannten Guten gehören kann, auch wenn sie es behaupten. Die Generation unserer Kinder und Enkel wurden anders sozialisiert. Für sie ist ein Krieg keine große Bedrohung. Sie geben anderen Gefahren, wie dem Klimawandel, die zweifellos vorhanden sind, eine höhere Priorität. Uns jedoch macht es Angst, wenn Menschen, die sich für Frieden einsetzen, wieder als Lumpenpazifisten verunglimpft werden. Es macht uns Angst, wenn in den Medien nicht mehr die Frage gestellt wird, wie können Kriege verhindert werden, sondern „Kann Deutschland Krieg“. Es macht Angst, wenn statt über Entspannung und Völkerverständigung debattiert wird, wie Deutschland schnell kriegsbereit gemacht und militärisch aufgerüstet werden kann, wie Russland und China wirtschaftlich und militärisch besiegt werden können.

Berthold Brecht hat 1952 beim Wiener Kongress gesagt; „Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer. Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben. Laßt uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zuwenig gesagt wurde! Laßt uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.“ – Soweit Berthold Brecht.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, ich komme zum Schluss. Ich sehe es als unsere Pflicht der jüngeren Generationen gegenüber, aufzuklären und alle Kräfte zu mobilisieren,

• um politischen Druck auf unsere Regierung auszuüben,

• den Krieg in der Ukraine durch die Lieferung von Waffen und Munition nicht weiter zu verlängern,

• den Krieg und das Töten dort zu beenden,

• die Konfrontations- und Eskalationspolitik zu verlassen und zu einer Politik der Entspannung zurückzukehren, um die Gefahr eines Weltkrieges zu bannen, um abzurüsten und damit die Ressourcen und Mittel für die Bekämpfung des Klimawandels, des Hungers in der Welt, die soziale Ungleichheit frei zu machen.

Deshalb stehen wir heute hier. Deshalb finden in 122 Städten die Ostermärsche statt.

Ich danke Euch.



Anhang 3: Rede von pax christi

Die Waffenhilfe der Nato seit 2018 hat diesen … Krieg überhaupt erst ermöglicht. Andernfalls hätte sich die Ukraine dem Minsker Abkommen unterwerfen müssen …

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Eigentlich ist doch alles klar beim Ukrainekrieg: Russland hat sein Nachbarland überfallen, da gehört es sich, Waffenhilfe zu leisten, damit das angegriffene Land sich verteidigen kann. Natürlich wird der Krieg dadurch härter, besonders für den Angreifer; gut so!

Aber nein, anders herum: Die Waffenhilfe der Nato seit 2018 hat diesen langandauernden Krieg überhaupt erst ermöglicht. Andernfalls hätte sich die Ukraine dem Minsker Abkommen unterwerfen müssen und es hätte keinen Kriegsanlass gegeben.

„Du sollst nicht töten“, so hallt und verhallt es seit Jahrtausenden durch die Zeiten. Deshalb hat es jemand präzisiert: „Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.“ Er wurde am Karfreitag als politischer Aufrührer hingerichtet.

Heute, nach mehr als einem Jahr Krieg, müssen wir schaudernd erkennen, dass unsere führenden Politiker:innen bei der jetzigen Kriegslage keinen Waffenstillstand wollen. Sie wollen nicht, dass die Waffen schweigen, dass das Morden unterbrochen wird, dass nicht mehr jeden Tag hunderte hoffnungsvoller junger Menschen in diesem „Abnutzungskrieg“ zermalmt werden, Gottes geliebte Kinder, in Liebe und Schmerz geboren und aufgezogen. Einige hundert Meter Landgewinn sind wertvoller als das Leben von beliebig vielen Menschen. Das neue Verdun heißt Bachmut.

Es geht um Werte, die uns allen wichtig sind: Gerechtigkeit und Solidarität. Diese Begriffe, die auch wir selbst so wohlfeil benutzen, müssen sehr genau behandelt werden, wenn sie nicht zu furchtbaren Konsequenzen führen sollen. Ich möchte nur auf einen Gesichtspunkt eingehen, der für mich noch wichtiger ist als die politische Bewertung: Es sind nicht die Politiker, die die Sache ausfechten, die sie ihren Völkern eingebrockt haben. Sie bedienen sich dazu der Menschen, über die sie herrschen. Die werden in den Krieg geschickt, und wie viele von ihnen umgebracht oder für ihr Leben verkrüppelt werden, geht nicht ein in die Gerechtigkeitsbilanz. Das Leben dieser Menschen hat den Wert Null. Das lässt sich mathematisch beweisen: Niemand weiß genau die Zahl der Toten dieses Krieges. Sind es hunderttausend? Eine Viertelmillion? Oder noch mehr? Es spielt keine Rolle. Keine Entscheidung wird davon abhängig gemacht, wie viele Menschen dadurch um ihr Leben gebracht werden, solange nur genug „Reserven“ vorhanden sind. Die Bewertung ist unabhängig von der Anzahl, also Null.

Diese schlichte Tatsache versucht man durch „Heldengedenken“ zu kaschieren. Erich Kästner beschrieb es 1927 so („Stimmen aus dem Massengrab“):

Ihr dürft die Angestellten Gottes loben.

Sie sprachen schön am Massengrab von Pflicht.

Wir lagen unten, und sie standen oben.

„Das Leben ist der Güter höchstes nicht.“

Die Toten der Gegenseite sind keine Helden. Im Gegenteil, man war vor ein paar Monaten sehr stolz darauf, mit einem Schlag hundert junge russische Rekruten ermordet zu haben. Als Christ bin ich zutiefst erschüttert, dass wieder auch Vertreter der großen christlichen Kirchen (zum Glück nicht alle) diese Art von „Solidarität“ fordern. Auf Jesus von Nazareth können sie sich dabei nicht berufen.


 

 

Anhang 4: Rede der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)

Wer gewinnt, wer verliert bei diesem Krieg?

Ich möchte hier zu den Kriegsursachen sprechen. 4 Minuten sind dafür aber eigentlich zu kurz. Deswegen möchte ich nur Hinweise geben, indem ich frage: Wer gewinnt, wer verliert bei diesem Krieg?

Dazu habe ich mir die Aktienkurs-Entwicklung in Deutschland für das Jahr 2022 angesehen. Insgesamt verlor der Aktienwert der deutschen DAX-Konzerne 2022 über 12%.

Aber es gab auch Gewinner, z.B. den Energiesektor:

• Der Aktienkurs der Firma PNE gewann sagenhaft 152%. PNE investiert in Windparks. Nach der Sprengung der Nord-Stream-Pipeline ist deren Aktienkurs geradezu explodiert.

• Die Firma PNE ist relativ klein, sehr viel größer ist da RWE.

Immerhin ein Plus von über 15%. Also Braunkohleverstromung ist nicht nur dreckig. Es ist auch sehr rentabel, wenn das äußere Umfeld stimmt.

Als zweiter profitabler Sektor muss natürlich die Rüstungsproduktion genannt werden.

• den Namen Rheinmetall kennt jeder: Plus 133% und die Kursrally geht weiter.

• Weniger bekannt, das Firmenkonglomerat Heroldt, immerhin satte 78%. Diese Firma beschäftigt sich mit Luftkampf-Systemen. Dieser Krieg verlieh dem Aktienkurs geradezu Flügel. Weitere gute Geschäftsjahre werden erwartet.

Gehen wir zum dritten Sektor: Der Lebensmittel-Produktion

• der Konzern K+S produziert Kalisalze für Düngemittel. Zwar wird behauptet, der bisherige Hauptlieferant von Kalisalzen, die russische Föderation, werde diesbezüglich nicht sanktioniert. Die Spekulanten wissen es besser. Der Aktienkurs stieg um 21%.

Aber es gab nicht nur Gewinner. Da wäre z.B. der Konzern BASF zu nennen. BASF produziert z.B. Stickstoffdünger. Dazu benötigt man große Mengen Erdgas. Schlecht für deren Aktionäre: minus 24%.

Aber ein Lichtblick. Der Konzernvorstand schläft nicht und lässt jetzt die Produktion nach China verlagern.

Als weniger flexibel erweisen sich die Mitarbeiter: 4200 werden durch die Produktionsverlagerung entlassen.

Aber nicht nur diese Mitarbeiter gehören zu den Verlierern: Millionen Rentner hierzulande wissen nicht mehr, wie sie die Heizkosten begleichen sollen. Die Heizung bleibt kalt. Die Wände schimmeln. Millionen Kinder in diesem Land bekommen statt gesundem Essen am Monatsende nur noch Spagetti mit Tomatensoße. Sie müssen nicht hungern, Nudeln haben einen hohen Nährwert. Und die Folgeschäden tauchen in keiner Konzernbilanz heute auf.

Es ist die alte Geschichte: Den Krieg zahlen die kleinen Leute, nicht nur in Deutschland. Soweit zu den Gewinnern und Verlieren dieses Krieges.

Was kann man dagegen tun?

Die Deutsche Kommunistische Partei hält den Beschluss der Ersten Internationale von 1912 immer noch für richtungsweisend. Ich zitiere:

„Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind die arbeitende Klasse und deren parlamentarische Vertretung … verpflichtet, alles aufzubieten … den Ausbruch des Krieges zu verhindern.

Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es Pflicht, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen.“

So der Beschluss der Ersten Internationale 1912 in Basel.

Die DKP weiß, hierzulande sind wir noch weit davon entfernt, solche Beschlüsse umzusetzen. Dennoch sind wir der Meinung, das es der einzige Weg ist, künftige Kriege zu verhindern.

Arbeiten wir gemeinsam daran

Danke
 


Exkurs: Internationaler Friedenskongress zu Basel, 1912 – die Lösung? Für uns heute?!

Die von der DKP in ihrem Redebeitrag zitierten Losungen stammen aus dem Manifest des Internationalen Sozialistenkongresses (oder Internationaler Friedenskongress) zu Basel, 24. und 25. November 1912 der Zweiten Internationale. Quelle: Internationaler Sozialistenkongress zu Basel 19121125 Manifest. Sozialistische Klassiker 2.0, 24. November 1912, https://sites.google.com/site/sozialistischeklassiker2punkt0/lenin/1912/internationaler-sozialistenkongress-zu-basel-manifest .

Es war der letzte Versuch, den Ersten Weltkrieg zu verhindern. In den Januar-Wahlen 1912 ging die sozialdemokratische Partei Deutschlands als stärkste Partei hervor und sie war auch die stärkste Partei der II. Internationale. Allerdings zeigten sich in ihr zunehmend nationalistische Tendenzen. Zwei Jahre später brach die Zweite Internationale zusammen, die übrigens gar nicht international war, sondern rein europäisch.

Die SoZ schreibt: „Keine zwei Jahre später ‚vergaß‘ der wesentliche Teil der damaligen Sozialdemokratie alle Schwüre und stimmte angesichts des politischen Drucks der kriegswilligen Herrscher in den Parlamenten den kriegsnotwendigen Krediten zu. Die Arbeiter wurden als Soldaten in das blutige Kriegsgemetzel um imperiale Macht und koloniale Rohstoffe geschickt. Hunderttausende kamen dabei um.“

Gysin, Hans-Peter. „Der Basler Friedenskongress 1912“. SoZ - Sozialistische Zeitung, 8. Januar 2013, https://www.sozonline.de/2013/01/der-basler-friedenskongress-1912/ .

Die SoZ stellt die Frage: „Wie kam es zu diesem katastrophalen Scheitern der damaligen Arbeiterbewegung?“ Wir können das hier nicht vertiefen, wollen aber darauf hinweisen, dass man sich dieser Problematik bewusst sein muss, und nicht einfach die wohltönenden Deklamationen des Internationalen Kongresses in Basel als Lösung oder Leitparolen in der heutigen Situation vorschlagen kann.

Auch die Mitgliederzeitung der sozialdemokratischen Partei der Schweiz wirft die Frage auf:

Hoffnungsschimmer im Kriegstreiben

Der Basler Friedenskongress markierte zweifelsohne einen Höhepunkt der Zweiten Internationale. In Basel präsentierten sich die führenden Sozialisten trotz Meinungsdifferenzen über die Mittel zur Kriegsprävention als geschlossene Bewegung, die sich energisch für den Erhalt des Friedens einsetzte. Bereits eine Woche zuvor hatten in zahlreichen europäischen Städten mehr als 300.000 Personen an sozialistischen Friedenskundgebungen teilgenommen. Auch im Anschluss an den Basler Kongress kam es zu verschiedenen Massendemonstrationen in ganz Europa. Die ständige Agitation zeigte letztlich Wirkung, denn der von der Zweiten Internationale eingeforderte Friedensgedanke fand nicht nur in sozialistischen Kreisen breiten Anklang. …

Dennoch war der pazifistische Hoffnungsschimmer nur von kurzer Dauer. Im August 1914 stand ganz Europa im Kriegsrausch. Der Versuch der Zweiten Internationale, an die Solidarität der europäischen Arbeiterschaft zu appellieren, misslang kläglich. Die deutschen Sozialdemokraten standen ihrem Kaiser bei und schenkten dem angeblichen Defensivkrieg gegen Russland Glauben. In Frankreich wie auch anderswo eilten Arbeiter in Scharen zum bewaffneten Kampf gegen die verbündeten Kaiserreiche in Mitteleuropa. Was war geschehen?“

Maeder, Pascal. „«Krieg dem Kriege!» – 100 Jahre Friedenskongress“. SP Links - Zeitschrift der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, 17. September 2012, https://issuu.com/spschweiz/docs/links.ch_130-2012 .

Der Friedensforscher und Professor der Universität Mannheim geht in seiner Buchreihe P olitische Streitfragen ebenfalls auf die Problematik ein:

„Vor hundert Jahren, am 24./25. November 1912, fand in Basel ein kurzfristig einberufener Außerordentlicher Kongress der Zweiten Sozialistischen Internationale statt, der sich ausschließlich mit der durch den Ersten Balkankrieg ausgelösten Weltkriegsgefahr auseinandersetzte. Dies war die letzte große, gemeinsame Friedensdemonstration der internationalen Arbeiterbewegung vor dem Ersten Weltkrieg, und sie ist es bis zum heutigen Tage geblieben. Obwohl die Arbeiterbewegung ungleich stärker war als die weitgehend von ihr getrennt wirkende und traditionsreichere bürgerlich-aristokratische Friedensbewegung, erwies sie sich im August 1914 als ohnmächtig nicht nur gegenüber den Regierungen und Militärapparaten, sondern auch gegenüber der Kriegsbegeisterung in großen Teilen der Bevölkerung und in den gesellschaftlichen Organisationen, die nationale Gewalt- und Expansionspolitik unterstützten.

Bedeutsamer als die Schwäche der Arbeiter- und der Friedensbewegung waren die Unvereinbarkeiten ihrer Friedensvorstellungen und -strategien, die im Grunde bis heute bestehen. Einerseits sahen die Sozialisten die Abschaffung des Kapitalismus als Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden an, andererseits wollten sie Kriege bereits in der bestehenden Gesellschaft verhindern. Sechs Mittel standen hierzu zur Debatte: Antikriegspropaganda, Massenkundgebungen, Verweigerung von Kriegskrediten, Generalstreik, Militärstreik und Aufstand.

Für den politisch-moralischen Bankrott der Sozialistischen Internationale beim Kriegsbeginn 1914 sind die Diskrepanz zwischen internationalistischer Rhetorik und Kriegsvorbehalt für den Fall der vermeintlichen nationalen Verteidigung und für den relativen gesellschaftlichen Fortschritt sowie die asymmetrische Stärke der Arbeiterbewegung verantwortlich. …“

Jahn, Egbert. Politische Streitfragen: Band 4: Weltpolitische Herausforderungen. Springer VS, 2015.


zur Druckversion  

Fotogalerie









zur Druckversion  

1 Der Aufruf zum Ostermarsch vom vergangenen Jahr in diesen Artikel dokumentiert und analysiert: Feininger, Peter. „Ostermarsch 2022: Die Augsburger Friedensinitiative verfehlt den Frieden. Lühr Henken: Eine immense Herausforderung für die deutsche Friedensbewegung – ‚Dark Eagle‘ muss verhindert werden“. Forum solidarisches und friedliches Augsburg, 14. April 2022, https://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Antimil/220414_ostermarsch-2022/index.htm .

2 Der Krieg in der Ukraine wurde nicht am 24.2.22 von Rußland, sondern bereits 2014 nach dem Maidan-Putsch durch die USA und die ASOW-Nazis begonnen. Der kollek­tive Westen hat mit der Aufnahme Polens 2014 und weiterer 11 Staaten in die NATO sein Nichterweiterungsversprechen ge­brochen.

Verhandlungen zwischen den Kriegspar­teien sind möglich, wie die Ergebnisse bei den März-Verhandlungen 2022 in Istanbul bewiesen, wobei die USA und GB deren Ab­bruch anordneten.

Die USA könnten den Krieg ohne Kredite, Waffenlieferungen und Aufklärungsdaten für die Ukraine sofort beenden.

Grenzverschiebungen in Europa hat es be­reits 1999 nach dem Jugoslawienkrieg des Westens gegeben und nicht nur durch die RF.

Die USA zwingen die EU-Länder der Ukraine Geld, Waffen, Munition, militä­rische Leistungen und Söldner bereit­zustellen (militärische Lieferungen und Leistungen der USA 0,37 % des BIB, Polen 2,1 % und Deutschlands 7,2 %).

zitiert nach Giese, Gerhard. „Ansichten und Aktionen zum NATO-RF-Krieg und zu Chinas Friedensplan, Oberst a.D. Gerhard Giese“. RotFuchs, Nr. 303, April 2023, https://www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2023/RF-303-04-23.pdf .

3 Ich glaube, dass wir die Sicherheitsinteressen nicht nur der Ukraine, sondern auch die Russlands sehr ernst nehmen müssen. Wir haben als Bundesausschuss Friedenratschlag seit mindestens 25 Jahren den Stopp der NATO-Osterweiterung gefordert, weil sie Sicherheit auf Kosten anderer schafft und Russland einkreist. Die Friedensbewegung hat Raketenabwehrsysteme und die NATO-Aufrüstung verurteilt und für Entspannung statt Konfrontation geworben. Dem diente auch der Appell „Abrüsten statt Aufrüsten.“ Es hat nichts genützt: Die NATO setzte ihre friedensgefährdende Politik verstärkt fort. Die Osterweiterungen verschafften der NATO neue Stationierungsräume für Truppen, Waffen und Raketen, die immer näher an die russische Hauptstadt und die Silos der russischen Interkontinentalraketen herankommen. Gar nicht unwichtig: Russlands Zustimmung für die Osterweiterungen wurde durch ein nicht eingelöstes Versprechen erkauft. Russland stimmte einst der Erweiterung zu, wenn zugleich nationale Obergrenzen für Waffen und Soldaten in den Staaten Europas vertraglich festgelegt werden. Russland ratifizierte diesen AKSE –Vertrag, die USA nicht. Folglich gibt es keinen. Trotzdem wurde die NATO nach Osten erweitert. Das Vertrauen Russlands in die Vertragstreue des Westens dürfte nicht all zu groß sein. Auch der Grundsatz in der NATO-Russland-Akte von 1997, in einem Raum gemeinsamer Sicherheit nicht die eigene Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer zu gestalten, wurde durch die NATO verletzt. Schon 2008 hat Russland die NATO aufgefordert, ihren Beschluss, die Ukraine in den westlichen Militärblock aufzunehmen, zurückzunehmen. Russlands Anliegen wurde ignoriert: Noch im November 2021 bekräftigten USA und Ukraine ihr strategisches Ziel: die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Nach 2014 rüstete die NATO massiv auf, Russland rüstete ab. Das Verhältnis der Militärausgaben zu Gunsten der NATO veränderte sich bis 2021 von 11 zu 1 auf 18 zu 1. Diese Fakten stehen im Widerspruch zu dem hierzulande gepflegten Narrativ, der russische Imperialismus setze mit dem Krieg seit langem gehegte Eroberungspläne durch.

Auszug aus: Henken, Lühr. „Lühr Henken, Berlin, Redebeitrag für den Ostermarsch Berlin am 8. April 2023“. Netzwerk Friedenskooperative, 7. April 2023, https://www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2023/reden/l%C3%BChr-henken-berlin .

4 Stemmler, Kristian. „Gegen die Kriegspropaganda. Trotz medialer Diffamierungen vielerorts gut besuchte Ostermärsche. Konflikte zwischen Linkspartei und Friedensbewegung“. junge Welt, 11. April 2023, https://www.jungewelt.de/artikel/448508.friedensbewegung-gegen-die-kriegspropaganda.html .


   
nach oben