Demonstrationen des DGB am 1. Mai, Teil 1

Was wird in Bayern gefordert?

Steht die Tariftreue tatsächlich im Zentrum ernsthaften gewerkschaftlichen Handelns?

6.6.2023

Augsburg
München
Nürnberg
Schweinfurt
Der bayerische DGB fordert ein „Faire-Löhne-Gesetz“
Startschuss für die Kampagne des DGB Bayern zur Landtagswahl
Aussicht
Weitere Themen

Augsburg

Die Kundgebung des DGB am 1. Mai in Augsburg war mit 400-500 Teilnehmern eher kläglich ( 1 ), die anschließende revolutionäre Maidemonstration mit 150-200 Teilnehmern eher stark ( 2 ).

Das muss nicht heißen, dass die Gewerkschaftsbewegung schwach ist, im Gegenteil. Das nachfolgende Bild von der Großkundgebung von verdi während des Tarifstreiks im öffentlichen Dienst auf dem Augsburger Rathausplatz ist beeindruckend. Ver.di hatte am 7. März in zwei Zügen vom Kongress am Park und von der City Galerie zum Rathausplatz mobilisiert. Bezeichnenderweise bringt die Augsburger Allgemeine nur ein Bild vom Marsch über die Gögginger Brücke ( 3 ) und verschweigt den anderen Demonstrationszug von der City Galerie, der noch deutlich größer war. Von der anschließenden Großkundgebung am Rathausplatz gibt es in der AZ kein Bild, die Kundgebung wird nicht einmal erwähnt! Auch eine Methode, die Arbeiter_innenbewegung in der Öffentlichkeit niederzuhalten.

Die magere 1. Mai-Kundgebung des DGB zeigt nur, dass die Arbeiter_innenbewegung kein großes Interesse hat an einer Veranstaltung, die von Sozialdemokrat_innen beherrscht wird. Sozialdemokrat_innen, die die Waffenindustrie ankurbeln und uns in den Krieg treiben, die uns über eine selbst inszenierte Inflation ausplündern und für anhaltende Reallohnsenkungen auf breiter Front sorgen! Wer will schon mit solchen Leuten den 1. Mai als internationalen Kampftag der Arbeiter_innenklasse feiern?

In ganz Schwaben kommt der DGB nach eigenen Angaben gerade mal auf 2000 Teilnehmer. Dennoch ist es sehr wichtig, was auf den Maikundgebungen des DGB auch in Augsburger von den Rednern vertreten wurde, zumal der DGB selbst sich nicht die Mühe macht, darüber zu berichten. Und für die Augsburger Allgemeine war es wie letztes Jahr ein willkommener Anlass, sich in einem großen Artikel fast ausschließlich damit zu befassen, dass die Oberbürgermeisterin bei ihrem Grußwort ausgepfiffen wurde ( 4 ). Was bei den Reden am 1. Mai gesagt wurde, blendete die AZ vollständig aus, gerade dass noch die Redner_innen genannt wurden. Dies auch eine Methode, die Gewerkschaftsthemen in der Öffentlichkeit zu unterdrücken.

Aber auch beim DGB und den Einzelgewerkschaften scheint es eine Absprache zu geben, nichts zu berichten, sondern nur Bilder zu bringen – und das gilt für alle Gewerkschaftsebenen in Bayern und für alle Branchen. Es fällt direkt auf, endlose Bildergalerien ohne Text. Der DGB scheint einen auf pittoresk zu machen und ansonsten auf die Medien zu vertrauen. Wenn diese aber – wie in Augsburg – die Inhalte der Mai-Kundgebung völlig ausblenden, so kriegen das Gesagte nur die Teilnehmer mit, sofern sie nicht ratschen. Eine Öffentlichkeit gibt es praktisch nicht mehr und man muss ernsthaft die Frage stellen, ob der DGB das so will.

Großkundgebung von verdi, Rathausplatz Augsburg, 7.3.2023        

 

München

Ganz anders als die AZ zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung in einem seriösen Bericht über den 1. Mai in München. Schon die Überschrift spricht ein zentrales Thema der Münchner an: „Viele Menschen können sich diese Stadt nicht mehr leisten“. ( 5 ) Die Sorge über hohe Mietpreise sei spürbar, ebenso die Streikbereitschaft. Der Veranstalter spricht von 4500 Teilnehmer_innen, trotz Nieselregen. Linke Beobachter bestätigen, es seien deutlich mehr Demo-Teilnehmer als in den Jahren zuvor gewesen, darunter auch beachtlich viele junge Leute.

Es sind elementare Probleme und Fragen, die auf der Münchner Kundgebung angesprochen wurden, die natürlich nicht nur in München virulent sind. Deshalb hier ein ausführlicheres Zitat aus der Süddeutschen :

„‚Ungebrochene Solidarität‘ hatte der DGB als Motto für den diesjährigen Tag der Arbeit gewählt. Um das gleich zu Beginn zu demonstrieren, begrüßte die Münchner DGB-Vorsitzende Simone Burger Vertreter jener Teilgewerkschaften, die momentan in Tarifverhandlungen stehen: die Bahn, die MVG, den Groß- und Außenhandel, den Einzelhandel und die Brauereien. Später forderte Burger, ernsthaft über die 35-Stunden- und Vier-Tage-Woche zu diskutieren.

Münchens dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) sprach über den Anspruch der Stadtregierung, ‚die Stadt zu gestalten, die Stadt gerechter zu machen‘. Viele Menschen fragten sich, ‚ob sie sich die Wohnung noch leisten können, ob sie sich den Kita-Platz leisten können, ob sie überhaupt einen Kita-Platz haben, damit sie ihrer Arbeit nachgehen können‘. Die Ansicht, solche Probleme würden durch Kapitalismus und freien Markt gelöst, nannte Dietl ‚ein Märchen‘: ‚Der Markt löst keine Probleme.‘ Zuvor hatte die DGB-Chefin Simone Burger gefordert: ‚Staatliche Grundstücke dürfen in dieser Stadt nicht mehr verkauft werden und auf diesen Grundstücken müssen bezahlbare Wohnungen entstehen. Apple braucht keine Hilfe – wir schon.‘

Zwei ehrenamtliche Gewerkschaftsmitglieder berichteten von der Stimmung in ihrer jeweiligen Branche: Julia Stenzniewski, die bei der S-Bahn arbeitet und Mitglied in der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ist, nannte die Arbeitgeber-Angebote in den derzeit laufenden Tarifverhandlungen eine ‚Verhöhnung, die schwer zu ertragen ist‘ und drohte: ‚Wenn das so weitergeht, werden wir weiterstreiken.‘ …

Der Arzt Peter Hoffmann, seit vielen Jahren bei der München Klinik beschäftigt, berichtete vom Fachkräftemangel und den daraus resultierenden Arbeitsbedingungen nicht nur in seinem Krankenhaus: Man wisse schon zu Beginn der Schicht, dass man unzufrieden nach Hause gehen werde. ‚Das laugt einen aus.‘

Mareile Siegmund von der IG Bergbau, Chemie, Energie hielt die Jugendrede und erzählte, wie kompliziert es sei, in München mit einem Ausbildungsgehalt über die Runden zu kommen: ‚730 Euro kostet durchschnittlich ein WG-Zimmer hier, eine Tankfüllung 100 Euro. Es wird immer schwieriger, sich die Dinge leisten zu können, die man zum Leben braucht.‘ Wenn dann die Arbeitgeber in Tarifverhandlungen Angebote machten, die nicht einmal die Inflationsrate erreichten, dann sei die Grenze erreicht: ‚Wir lassen uns nicht mehr verarschen.‘

Über Versuche der Arbeitgeber, das Streikrecht einzuschränken, sprach zunächst Maike Finnern, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und Hauptrednerin der Kundgebung: ‚Das Streikrecht ist ein zentrales Instrument, um für die Beschäftigten gute Gehälter und gute Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Die schenken uns die Arbeitgeber nicht.‘ Die Angriffe der Arbeitgeber auf das Streikrecht seien ein Angriff auf die demokratische Verfasstheit unserer Gesellschaft.

Finnern sprach sich dafür aus, mehr staatliche Einnahmen zu generieren, zum Beispiel zur Finanzierung der Kinder-Grundsicherung. ‚Wir brauchen eine Vermögenssteuer, wir brauchen Umverteilung‘, rief sie aus. ‚Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten.‘ Ein Mietenstopp gerade in Großstädten wie München sei notwendig. …“

In der Münchner DGB-Demo marschierte auch ein „roter Antikriegs-Block“ mit, der anschließend noch eine eigene Aktion „Waffen runter Löhne rauf!“ durchführte.

Nürnberg

In Nürnberg wollte der DGB wie auch letztes Jahr mit 5500 Teilnehmern zur stärksten Maidemonstration in Bayern mobilisieren, die auch bundesweit zu den meistbesuchten zählte. Laut IMAGO waren es heuer aber nur rund 1000 Menschen, die auf die Straße gingen ( 6 ), BR24 spricht von 1500 Personen. ( 7 ) Die revolutionäre 1. Mai-Demonstration der Initiative „Organisierte Autonomie“ in Nürnberg mit über 2500 Teilnehmer_innen war da etwas wuchtiger als das „Familienfest“ des DGB, auch inhaltlich ( 8 ):

„In den Reden wurden unter anderem die massive Aufrüstung der Bundeswehr kritisiert, als auch das Großmachtstreben des deutschen Imperialismus. Die Notwendigkeit der Solidarität unter den Lohnabhängigen wurde in vielen Reden betont. Die Initiative Gesundheit statt Profit skandalisierte, dass die Servicekräfte des Klinikums Nürnberg, die sich die Wiedereingliederung in den Tarif öffentlicher Dienst erkämpft hatten, nun keinen Inflationsausgleich bekommen sollen. Kinder einer Gruppe der Falken machten deutlich, wie sehr immer mehr Kinder aus lohnabhängigen Familien unter den Preissteigerungen leiden. In vielen Reden wurde auch die Notwendigkeit betont, sich zusammenzuschließen und zu organisieren.“

Im Fall Nürnberg zeigt sich eine echte Zeitenwende. Die organisatorische Kraft des DGB schwindet und linke Kundgebungen werden zum Teil stärker als die des DGB. In Nürnberg ist es ein Bündnis aus über 30 Gruppen, das seit drei Jahrzehnten eine gemeinsame Demo nach der Veranstaltung des DGB organisiert. „Das Revolutionäre 1.-Mai-Bündnis setzt sich jedes Jahr neu zusammen. Grundlage ist ein Aufrufentwurf von uns, der dann im Bündnis diskutiert wird. Das Spektrum reicht dieses Jahr von Marxisten-Leninisten bis zu undogmatisch-anarchistischen Gruppen. Mit dabei sind auch Jugendverbände, Gewerkschaftsgliederungen und Bürgerinitiativen. Alle teilen das Bedürfnis, eine möglichst große und inhaltlich gute Demonstration an unserem Kampftag zu organisieren. Dementsprechend gut und solidarisch ist auch die Zusammenarbeit.“ ( 9 )

Die Onlinezeitung Perspektive gibt einen Überblick über zahlreiche revolutionäre Aktionen am 1. Mai in Deutschland ( 10 ). Augsburg ist da noch nicht einmal dabei.

Schweinfurt

Der bayerische DGB-Vorsitzende Bernhard Stiedl sprach in Schweinfurt, einer traditionsreichen Industriestadt, die aktuell mit 6,6 Prozent die höchste Arbeitslosenquote in ganz Bayern aufweist. BR24 berichtet ( 11 ):

„‚Solidarität forderte der DGB-Chef vor allem für Arbeitnehmer. In einer nie dagewesenen Energie- und Kostenkrise, in der vor allem die Beschäftigten die Hauptlast tragen müssen. Deshalb dürften Unternehmen gerade jetzt keine Beschäftigten entlassen oder ins Ausland abwandern und gleichzeitig von staatlichen Hilfen profitieren, so Bernhard Stiedl. Man müsse der Profitgier in Krisenzeiten entschlossener entgegentreten.

‚ Die einen lassen die Champagner-Korken knallen, den anderen droht die Suppenküche. Was für eine schreiende Ungerechtigkeit‘, so Stiedl. ‚Warum handelt hier nicht die Politik? Besteuert endlich die, die uns die Preise erhöhen. Das muss jetzt Handeln der Politik sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.‘ Deshalb fordert der bayerische DGB-Vorsitzende eine Umverteilung von Reichtum und mehr Gerechtigkeit im Steuersystem. Außerdem fehle es an fairen Arbeitsbedingungen.

Die Tarifbindung nehme immer weiter ab, viele Betriebe bauten ihr Geschäftsmodell auf schlecht bezahlte Arbeit auf. Das könne man nicht hinnehmen. ‚Allein in Bayern arbeiten rund eine Million Beschäftigte im Niedriglohnsektor. Das ist eine Arbeitswelt wie sie die Arbeitgeber wünschen, aber die Mehrheit der Menschen wollen diese Arbeitswelt nicht‘, sagt der bayerische DGB-Chef. ‚Das ist und bleibt eine Schande für eines der reichsten Länder dieser Erde. Das muss auch geändert werden.‘“

1. Mai-Demonstration des DGB in Augsburg vom Gewerkschaftshaus zum Königsplatz, 2023

 

Der bayerische DGB fordert ein „Faire-Löhne-Gesetz“

Der DGB-Vorsitzende Bernhard Stiedl fordert von der bayerischen Staatsregierung ein „Faire-Löhne-Gesetz“ – also ein Vergabegesetz – wie es alle anderen Bundesländer haben. Nur noch für die Hälfte der Beschäftigten gelte in Bayern ein Tarifvertrag. Damit sei unter den westdeutschen Bundesländern die Tarifbindung in Bayern am niedrigsten ( 12 ). Die bayerischen Arbeitgeber dagegen lehnen ein Tariftreuegesetz ab und fordern noch dazu eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes. Sie wollen den Acht-Stunden-Tag als Regel aus dem Gesetz streichen um die 48-Stunden Höchstarbeitszeit in der Woche flexibler verteilen zu können.

Ende März hat der bayerische DGB unter openPetition eine Petition gestartet: „Wir retten die Löhne! Gemeinsam für ein Faire-Löhne-Gesetz in Bayern“ ( 13 ). Mit einer Zeichnungsfrist bis 1. Januar 2024 soll die Petition an den Petitionsausschuss des bayerischen Landtags gehen:

Wir wollen ein Faire-Löhne-Gesetz für Bayern!

Öffentliche Aufträge und staatliche Wirtschaftsförderung sollen in Bayern künftig nur noch an Unternehmen vergeben werden, die ihre Beschäftigten fair bezahlen. Das kann und muss der Landtag endlich per Gesetz festlegen und so aktiv faire Arbeit in Bayern fördern. 

Begründung

Menschen, die im öffentlichen Auftrag für unsere Kinder Schulgebäude bauen, Essen kochen, die Klassenzimmer sauber machen oder den Müll abholen, werden in Bayern nicht fair bezahlt. Das ist ungerecht!

Das kommt daher, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge in Bayern im Gegensatz zu fast allen anderen Bundesländern nicht landesgesetzlich geregelt ist. Stattdessen werden öffentliche Aufträge meistens an den billigsten Anbieter vergeben. Lohndumping mit Steuergeld ist die Folge – auf dem Rücken von Beschäftigten und Steuerzahler*innen und der öffentlichen Kassen.

Diese Geiz-ist-Geil-Mentalität bei öffentlichen Aufträgen muss aufhören!

Allein im ersten Halbjahr 2021 haben Freistaat, Gemeinden und Kommunen für öffentliche Aufträge rund 15 Milliarden Euro ausgegeben, insbesondere in den Bereichen Bau, Reinigung, Müllabfuhr, öffentlicher Personennahverkehr und Catering. Mit so viel Geld hätte der Staat Gewicht auf dem Markt. Das muss er endlich nutzen, um gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne nach Tarif in Bayern aktiv zu fördern!

Dafür braucht es ein  Faire-Löhne-Gesetz , das vorschreibt, dass Beschäftigte, die im Staatsauftrag arbeiten, auch fair und nach Tarif bezahlt werden. Wir wollen mit unserem Steuergeld gute Arbeit fördern. Das ist gerecht!“

Im Landtag haben heuer sowohl die Grünen als auch die SPD Anträge gestellt für ein „Gesetz zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung und Auftragsvergabe (Bayerisches Vergabegesetz)“ beziehungsweise für ein „Bayerisches Gesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestlohn bei öffentlichen Auftragsvergaben (Bayerisches Tariftreue- und Vergabegesetz)“ ( 14 ). In der parlamentarischen Beratung sicherten sich die Grünen und die SPD gegenseitig Unterstützung zu, während sich die CSU, die Freien Wähler, die FDP und die AfD mit heftiger Kritik an den Gesetzesentwürfen überschlugen.

In einer Pressemitteilung zum 1. Mai trat die Landtagsfraktion der SPD noch einmal nachdrücklich für einen Tariftreue- und Vergabegesetz für Bayern ein ( 15 ). Das Landtagswahlprogramm der Grünen ist noch nicht veröffentlicht, aber den Antragsbüchern zur Landesdelegiertenkonferenz kann man entnehmen, dass die Grünen ein Vergabegesetz für öffentliche Aufträge fordern wollen ( 16 ). Interessant dabei ist, dass die Grünen nicht nur mit einem Tariftreuegesetz faire Beschaffung und gute Arbeitsbedingungen realisieren und Tarifflucht bekämpfen wollen, sondern auch die Vergabekammern personell aufstocken und die Kommunen bei der Umsetzung unterstützen wollen. In einer klugen Begründung des grünen Antrags heißt es ( 17 ): „Die Kommunen besitzen im Rahmen kommunaler Vergaben wesentlich mehr Steuerungsmöglichkeiten zur Anwendung von sozialen, ökologischen und arbeitsmarktpolitischen Kriterien, als diese es bisher wahrgenommen haben und müssen entsprechend beraten und unterstützt werden.“

Auch die katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) übt Kritik an der CSU, weil sie sich nicht christsozial verhält, und fordert ausdrücklich die Einführung eines Tariftreuegesetzes für den Freistaat ( 18 ).

Startschuss für die Kampagne des DGB Bayern zur Landtagswahl

Am 25. Mai war dann der Startschuss für die Kampagne des DGB Bayern zur Landtagswahl für ein „Faire-Löhne-Gesetz“ ( 19 ). Der Vorsitzende des DGB Bayern, Bernhard Stiedl, sagte bei der Pressekonferenz: Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen, müssten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen bevorzugt werden. Bundesländer wie zum Beispiel das Saarland und Berlin zeigten, dass das möglich ist. Es sei „‚eine schreiende Ungerechtigkeit‘, dass Menschen, die für Kinder Schulgebäude bauen, Essen kochen, die Klassenzimmer sauber machen oder den Müll abholen, aktuell mit Dumpinglöhnen abgespeist werden. ‚Deshalb, ganz gleich, welche Parteien nach dem 8. Oktober in Bayern in Regierungsverantwortung stehen: Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen ist eine Frage der Gerechtigkeit für die hart arbeitenden Beschäftigten in Bayern! …‘“

Startschuss für die Kampagne des DGB Bayern zur Landtagswahl für ein „Faire-Löhne-Gesetz“, 25. Mai 2023. Veranstalter der Pressekonferenz: links hinten Matthias Birkmann, Geschäftsstellenleiter mit Landesaufgaben, EVG Bayern; mitte Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern; zweiter von rechts Karl Bauer, Regionalleiter IG BAU Bayern; rechts Mustafa Öz, Landesbezirksvorsitzender NGG Bayern

In der Pressemitteilung des DGB Bayern heißt es weiter:

„Ein elementarer Bestandteil eines ‚Faire-Löhne-Gesetzes‘ muss aus Sicht des DGB Bayern eine rechtssichere, praktikable und wirksame Tariftreueregelung sein, wie sie schon im Saarland praktiziert und für den Bund diskutiert wird. ‚Dazu gehören dann regelmäßige Kontrollen und Sanktionen, die weh tun‘, erklärt Stiedl. Daher fordert der DGB Bayern die Einrichtung einer staatlichen ‚Prüfstelle Tariftreue‘ auf Landesebene, die darüber hinaus auch beratend für Kommunen und Unternehmen tätig werden kann.

Dass es höchste Zeit für eine gesetzliche Regelung ist, zeigt das Auftragsvolumen bei öffentlichen Aufträgen in Bayern. Allein im ersten Halbjahr 2021 haben Freistaat und Kommunen in Bayern rund 15 Milliarden Euro für öffentliche Aufträge ausgegeben. Einige Branchen sind davon besonders betroffen.“

Gerade Kontrollen und Sanktionen auf Landesebene sind ein rotes Tuch für die zuständigen Landtagsabgeordneten von CSU, FW, FDP und AfD, die selbst zum Teil Bauunternehmer sind. Bei den Debatten über die Gesetzentwürfe von SPD und Grünen betonten diese Abgeordneten immer wieder, zuständig für die Kontrollen sei der Bund und das sei schon in Ordnung so. Was Grüne und SPD im Landtag vorlegen, sei ein „Bürokratiemonster“.

Auch für den Personennahverkehr sei ein solches Landesgesetz unabdingbar, wie ein Funktionär der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Bayern auf der Pressekonferenz des DGB betonte:

„Mit Blick auf den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) erklärt Matthias Birkmann, Geschäftsstellenleiter mit Landesaufgaben EVG Bayern: ‚Bei heutigen Ausschreibungen im SPNV ist zwar jedes Sitzmuster und jede Toiletteneinrichtung genauestens vorgegeben, es spielt jedoch überhaupt keine Rolle, ob die Beschäftigten nach Tarifvertrag bezahlt werden. Auch im Busbereich werden die Unternehmen mit guten Tarifverträgen immer weiter durch Lohn- und Sozialdumping vom Markt gedrängt. Das muss endlich ein Ende haben!‘“

Aussicht

Nach den obigen Recherchen kann man sagen, dass die Kampagne des bayerischen DGB für ein Faire-Löhne-Gesetz lange und gründlich vorbereitet wurde und in der bayerischen Politik wichtige Partner hat. Dennoch sind die Aussichten eher betrüblich. Wenn die schwarz-orange Koalition im bayerischen Landtag ihre hohen Umfragewerte hält, wird sie nach der Landtagswahl am 8. Oktober weiterregieren ( 20 ). Und wenn die schwarz-orange Koalition noch einen Partner braucht, kann der FDP heißen, und ein Faire-Löhne-Gesetz hätte keinerlei Chance. Und selbst wenn die SPD oder die Grünen mit in die Regierung kommen, würden sie wahrscheinlich schon bei den Koalitionsverhandlungen mit einem Faire-Löhne-Gesetz auf Granit beißen.

Der Weg, den der DGB eingeschlagen hat, über eine Kampagne und den Petitionsausschuss im Landtag, ist wohl das einzige, was bleibt. Allerdings muss das eine kräftige und radikale Kampagne sein im Stile der französischen oder britischen Gewerkschaften. Und danach sieht es nicht aus. Im Gegenteil, bei der OnlinePetition des DGB, die schon seit über zwei Monaten läuft, ist das Ergebnis gleich null ( 21 ). Es ist unfassbar: 526 Unterstützende am 5. Juni, Das sind 2 Prozent des Quorums von 24.000.

Wie kann das sein? Auch bei der Augsburger Kundgebung des DGB hat die Vorsitzende auf die Möglichkeit hingewiesen, die Petition am Stand zu unterschreiben. Der Autor dieses Artikels war wahrscheinlich der einzige, der sie dort unterschrieben hat. Jetzt ist es ja so, dass die Gewerkschaftsbewegung auch in Bayern nicht lahmt. Die Streikbereitschaft ist eher groß und wird in der Regel von der Gewerkschaftsführung ausgebremst mit unzureichenden Tarifabschlüssen, die den Reallohn schon lange nicht mehr sichern.

Es kann eigentlich nur so sein, dass die Gewerkschaftsfunktionäre in Bayern, vor allem in den Betrieben, nicht mobilisieren für die Kampagne und die Petition. Das ist fast nicht vorstellbar, aber es muss eigentlich so sein. Denn wenn in den Belegschaften von den jeweiligen Gewerkschaften aufgerufen würde, die Kampagne für ein Faire-Löhne-Gesetz massiv zu unterstützen, würde das auch geschehen. Und wenn nur die Funktionäre aktiv Unterschriften sammeln würden, hätte die Petition schon längst hunderttausende von Unterschriften.

Der Schluss, den man daraus ziehen muss, ist niederschlagend. Die Gewerkschaften und ihre Funktionäre in Bayern machen keinen Finger krumm für die Kampagne „Gemeinsam für ein Faire-Löhne-Gesetz in Bayern“. Warum das so ist, darüber kann und muss man nachdenken.

Weitere Themen

In ein oder zwei weiteren Folgen wollen wir nationale und internationale Aspekte des 1. Mai behandeln. Auch der drohende Angriff der Arbeitgeber auf das Streikrecht und das Arbeitszeitgesetz in Deutschland soll thematisiert werden wie auch das Kippen des Streikrechts in Belgien und in Großbritannien sowie die Bedeutung der enormen Klassenkämpfe in Frankreich für ganz Europa. Wichtig war auch das Grußwort der Augsburger Oberbürgermeisterin und die Reaktion der DGB-Vorsitzenden darauf. In dem Zusammenhang wollen wir uns auch mit der Position des Offenen Antifaschistischen Treffens O AT und der Revolutionären Linken Augsburg befassen, wie sie zum Beispiel in ihrer 1. Mai Zeitung für Klassenkampf und Revolution zum Ausdruck kommt. Außerdem wollen wir uns klarmachen, was der 2. Mai tatsächlich bedeutete, zu dessen Gedenken die DGB-Vorsitzende am Schluss der Kundgebung noch aufrief. Natürlich sollte man auch noch mal auf die Tarifabschlüsse zu sprechen kommen, zum Beispiel im öffentlichen Dienst, die von den Gewerkschaftsfunktionären so angepriesen werden, obwohl sie in der Regel trotz der nominalen Höhe starke Reallohnsenkungen bedeuten. Und nicht zuletzt muss man leider die Position der Gewerkschaften zum Ukrainekrieg behandeln, die ja schon in ihrer diesjährigen Mai-Fahne in mächtigem blau-gelb der ukrainischen Nationalflagge, kombiniert mit der Parole „solidarisch“, zum Ausdruck kommt. Leider präsentierte sich auch die Augsburger Rüstungsindustrie bei der Maikundgebung auf dem Königsplatz in einer unverfrorenen Art und Weise mit einem begehbaren Teil eines Kampfflugzeugs.

Peter Feininger, 6. Juni 2023

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1 „1. Mai 2023 in Schwaben“. DGB Bayern - Schwaben, Mai 2023, https://schwaben.dgb.de/++co++84bbae0e-e8da-11ed-a9fd-001a4a160123 .

2 revlinkeaugsburg. „Revolutionärer 1. Mai 2023 in Augsburg“. Revolutionäre Linke Augsburg, 2. Mai 2023, https://revlinkeaugsburg.noblogs.org/post/2023/05/02/revolutionaerer-1-mai-2023-in-augsburg/ .

3 Augsburger Allgemeine, 8. März 2023

4 Hörmann, Michael. „DGB-Kundgebung: Junge Störer pfeifen Oberbürgermeisterin Eva Weber nieder“. Augsburger Allgemeine, 1. Mai 2023, https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-dgb-kundgebung-junge-stoerer-pfeifen-oberbuergermeisterin-eva-weber-nieder-id66199281.html .

5 Handel, Stephan. „1. Mai: ‚Viele Menschen können sich München nicht mehr leisten‘. Zum 1. Mai zählt der Deutsche Gewerkschaftsbund 4500 Teilnehmer bei seiner Kundgebung auf dem Marienplatz. Die Sorge über hohe Mietpreise ist spürbar - und ebenso die Streikbereitschaft.“ Süddeutsche.de, 1. Mai 2023, https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-dgb-1-mai-marienplatz-laut-stark-1.5832646 .

6 „News Bilder des Tages 01.05.2023, 1. Mai DGB Demonstration, Nürnberg“. IMAGO, 1. Mai 2023, https://www.imago-images.de/st/0246215980 .

7 BR24 Redaktion, u. a. „Scholz will mehr Ausbildung – der DGB Umverteilung von Reichtum“. BR24, 1. Mai 2023, https://www.br.de/nachrichten/bayern/scholz-will-mehr-ausbildung-der-dgb-umverteilung-von-reichtum,Td0UA0d .

8 „Revolutionärer 1. Mai in Nürnberg und Berlin“. junge Welt, 3. Mai 2023, https://www.jungewelt.de/artikel/450028.revolutionärer-1-mai-in-nürnberg-und-berlin.html .

9 Pachinger, Hendrik. „»Wir lassen uns nicht von den Behörden einschüchtern«. Bayern: Bündnis mobilisiert zur »Revolutionären 1.-Mai-Demonstration« in Nürnberg. Ein Gespräch mit Daniel Meier“. junge Welt, 25. April 2023, https://www.jungewelt.de/artikel/449625.internationaler-arbeiterkampftag-wir-lassen-uns-nicht-von-den-behörden-einschüchtern.html .

10 „Das war der revolutionäre 1. Mai in Deutschland. Auch in diesem Jahr waren wieder tausende Menschen am 1. Mai auf der Straße, um in klassenkämpferischen Blöcken und bei revolutionären Demonstrationen die Traditionen dieses Kampftags aufleben zu lassen.“ Perspektive Online - Zeitung für Solidarität und Widerstand, 2. Mai 2023, https://perspektive-online.net/2023/05/das-war-der-revolutionaere-1-mai-in-deutschland/ .

11 BR24 Redaktion DGB Umverteilung von Reichtum, a. a. O.

12 Harprath, Birgit. „Kundgebungen und Kurzweil: Der 1. Mai in Bayern. ‚Ungebrochen solidarisch‘ – so lautet das Motto der Gewerkschaften zum Tag der Arbeit. In Bayern will der DGB heute auf 84 Veranstaltung seine Forderungen an Wirtschaft und Politik richten. Nach der Kundgebung wird vielerorts auch gefeiert.“ BR24, 1. Mai 2023, https://www.br.de/nachrichten/bayern/kundgebungen-und-kurzweil-der-1-mai-in-bayern .

13 „Wir retten die Löhne! – Gemeinsam für ein Faire-Löhne-Gesetz in Bayern. - Online-Petition“. openPetition, 30. März 2023, https://www.openpetition.de/petition/online/wir-retten-die-loehne-gemeinsam-fuer-ein-faire-loehne-gesetz-in-bayern .

14 Vorgangsmappe für die Drucksache 18/26908 Grüne „Gesetz zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung und Auftragsvergabe (Bayerisches Vergabegesetz – BayVergG)“ Vorgangsverlauf: Gesetzentwurf 18/26908 vom 08.02.2023 Plenarprotokoll Nr. 138 vom 07.03.2023. Vorgangsmappe, Drucksache 18/26908, Bayerischer Landtag, 3. Juni 2023, https://www.bayern.landtag.de/webangebot2/Vorgangsmappe?wp=18&typ=V&drsnr=26908
#pagemode=bookmarks
.

Vorgangsmappe für die Drucksache 18/28545 SPD „Gesetzentwurf für ein Bayerisches Gesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestlohn bei öffentlichen Auftragsvergaben (Bayerisches Tariftreue- und Vergabegesetz – BayTVgG)“. Vorgangsverlauf: Gesetzentwurf 18/28545 vom 19.04.2023 Plenarprotokoll Nr. 145 vom 11.05.2023. Vorgangsmappe, Drucksache 18/28545, Bayerischer Landtag, 3. Juni 2023, https://www.bayern.landtag.de/webangebot2/Vorgangsmappe?typ=V&wp=18&drsnr=28545 .

15 Zum Tag der Arbeit: SPD für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen – Freistaat muss mit gutem Beispiel vorangehen! 27. April 2023, https://bayernspd-landtag.de/presse/pressemitteilungen/
?id=915138
.

16 „Programm-LDK 2023 (Antragsgrün), Antragsbücher der Landesdelegiertenkonferenz in Erlangen“. bayern.antragsgruen.de, 21. Mai 2023, https://bayern.antragsgruen.de/pldk23 .

17 Antrag an die Landesdelegiertenkonferenz am 19. bis 21. Mai 2023, K3-434, ebd.

18 Zeitung, Süddeutsche. „Tariftreuegesetz für Bayern gefordert“. Süddeutsche.de, 13. Mai 2023, https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-tariftreue-gesetz-csu-1.5855157 .

19 Kampagne zur Landtagswahl startet: DGB Bayern fordert „Faire-Löhne-Gesetz“ im Freistaat. Stiedl: „Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen ist eine Frage der Gerechtigkeit für die hart arbeitenden Beschäftigten in Bayern!“ PM 35 mit Bildern von der Pressekonferenz. 25. Mai 2023, https://bayern.dgb.de/presse/++co++6156bb42-faec-11ed-ba73-001a4a160123 .

20 „Bayerntrend vor der Landtagswahl: CSU weiter klar vorne, eine Partei rutscht deutlich ab. Anfang Oktober wählen die Menschen in Bayern einen neuen Landtag. Allmählich nimmt der Wahlkampf im Freistaat Fahrt auf. Alle wichtigen Nachrichten und Entwicklungen zur Landtagswahl 2023 in Bayern im Ticker.“ inFranken.de, 30. Mai 2023, https://www.infranken.de/bayern/landtagswahl-2023-in-bayern-csu-bei-aktuell-40-prozent-gruene-rutschen-weiter-ab-art-5678354 .

21 „Wir retten die Löhne! – Gemeinsam für ein Faire-Löhne-Gesetz in Bayern. - Online-Petition“. openPetition, 30. März 2023, https://www.openpetition.de/petition/online/wir-retten-die-loehne-gemeinsam-fuer-ein-faire-loehne-gesetz-in-bayern .


   
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