News aus Jinan Mai/Juni

„Die Erfolge der Industriestädte im Perlflussdelta zeigen Jinan, dass man einiges gegen die Luftverschmutzung machen kann.“

Gute und schlechte Umweltnachrichten

Gute und schlechte Umweltnachrichten gibt es aus unserer Schwesterstadt. Schlecht ist, dass Jinan im Mai immer noch unter den zehn chinesischen Städten mit der schlechtesten Luftqualität war. Schlechte Gesellschaft leisten ihr hier u. a. die Städte Wuhan, Taiyuan, Xuzhou und Zhengzhou. Hoffen wir, dass Jinan sich bald in besserer Gesellschaft befindet und sich zu den Städten mit der besten Luftqualität gesellt wie Lhasa, Haikou und das Industriezentrum Shenzhen. Es gibt also auch Erfolge in Industriestädten. Die gute Nachricht ist, dass Jinan mit einem großen Aufforstungsprojekt für karge Berglandschaften begonnen hat. Auf beiden Seiten der Jing-Fu-Autobahn werden also hoffentlich bald blühende Waldlandschaften das Auge erfreuen und die Lunge kräftigen. Die Erfolge der Industriestädte im Perlflussdelta zeigen Jinan, dass man einiges gegen die Luftverschmutzung machen kann.

Jinan. Wie überall in den Städten Chinas: Radfahrer, E-Bikes und E-Mopeds auf eigener, breiter Fahrstraße, getrennt vom motorisierten Individualverkehr (MIV). Mopeds und Roller mit Benzinmotoren sind verboten. So einen Komfort würde man sich in Augsburg auch wünschen. Nicht mal in der Konrad-Adenauer-Allee hat sich die Stadtverwaltung eine Fahrradstraße zugetraut, obwohl der MIV parallel in der Schießgrabenstraße durchrauscht. Auch die Fuggerstraße, die eigentlich ein Boulevard werden soll, wird hauptsächlich vom MIV beherrscht, der natürlich zu den diversen Tiefgaragen strebt, die zum Teil auch unter Rot-Grün beschlusswidrig errichtet wurden. Keine weiteren Tiefgaragen in der Innenstadt, lautete damals die Parole von Rot-Grün, die die Schwarzen sofort cancelten und sich auch in der aktuellen Zielvereinbarung zwischen CSU, SPD und Grünen nicht mehr wiederfindet. Foto: Jinan, 26.10.2007, Ian Sanderson CC BY-NC-ND 2.0 Flickr

Security-Guards für kommunale Busse

Angst vor Terroranschlägen gibt es auch in China. Und deshalb wurden jetzt 570 Security-Guards für kommunale Busse eingestellt. Für jeden großen Bus, vor allem die Doppeldeckerbusse, ist ein Wachmann verantwortlich. Leicht entflammbare und explosive Gegenstände sollen genauso wie Messer nicht mehr in die Busse kommen. Die Wachen sollen auch bei gewaltsamen Zwischenfällen eingreifen und die Passagiere schützen. Nach vielen Attacken in öffentlichen Bussen in ganz China in den letzten Jahren stieg das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung auch in Jinan. In China starben in den letzten Jahren mehr Menschen an Terroranschlägen als in den USA. Trotzdem haben wir noch nichts von chinesischen Drohnenangriffen und Bombardierungen in den dafür mutmaßlich verantwortlichen Ländern gehört.

Mehr Freiheit für Nudisten in Jinan als in Augsburg?

Für ein anderes öffentliches Ärgernis gibt es noch keine Lösung. An den Kanälen und Quellen der Quellenstadt Jinan finden sich immer mehr Badende ein, darunter auch zunehmend Nudisten. Touristen aus anderen chinesischen Städten waschen sich und putzen sich die Zähne an den Kanälen und einige ziehen sich gleich ganz aus. Die Provinzpartnerschaft mit Bayern und seiner Liberalitas Bavariae scheint sich also schon auszuzahlen. Augsburg allerdings hält seine Nudisten noch aus der Stadt heraus. Wie wär’s da mit einer partnerschaftlichen Solidaritätsaktion. Kanäle haben wir ja auch genug!

Jinan hat mehr internationale Verbindungen als Augsburg, darunter auch eine israelische Partnerstadt

Jinan glänzt auch mit internationalen Verbindungen. In der Zahl der Partnerstädte übertrifft Jinan Augsburg bei weitem. Und natürlich hat Jinan – im Gegensatz zu Augsburg – auch eine israelische Partnerstadt (Kfar Saba). Jetzt besuchte der Israelische Botschafter Jinan anlässlich eines Aufenthalts einer Delegation der Hebräischen Universität von Jerusalem an der Universität Shandong. Israel mit seiner hervorragenden Agrartechnologie ist ein hochangesehener Partner in der traditionellen Agrarprovinz Shandong. Botschafter Matan Vilnai wurde an der Universität Shandong zum Consulting Professor ernannt und kann sich an der Uni mit seinen Kollegen von der Judaistik auch auf Hebräisch unterhalten. Der auch international renommierte chinesische Philosophieprofessor Fu Youde gründete in den 1990er Jahren das jetzige Zentrum für Jüdische und Interreligiöse Studien, das für die Rezeption jüdischer Philosophie in China entscheidende Beiträge geliefert hat. Zum hohen Ansehen von Juden in Jinan haben auch einige jüdische Kämpfer für die Freiheit Chinas beigetragen. Der bekannteste ist wohl Dr. Jacob Rosenfeld, ein jüdischer Arzt aus Österreich, der nach KZ-Aufenthalten in Dachau und Buchenwald nach China emigrieren musste. Dort schloss er sich dem Widerstandskampf gegen die japanische Okkupation an und kämpfte an der Seite der KP Chinas (General Luo) als Arzt an der Front. So kam er auch 1943 nach Jinan. Nach Kriegsende kehrte er wieder nach Europa zurück und starb schließlich schwer krank in Israel. Regierungsdelegationen aus China besuchen regelmäßig das Grab ihres Nationalhelden. Auch Sam Ginsbourg, Professor für Russische Literatur an der Universität Shandong, setzte sich sein Leben lang für die chinesische Revolution ein. In seiner Autobiografie „My first Sixty Years in China“ bekannte er sich trotz der Verfolgung während der Kulturrevolution zum Kommunismus in China. Wie Ginsbourg liegt Mojzes Grzyb (auch bekannt als Asiaticus) auf einem Friedhof in Jinan. Der österreichische Jude war KPD-Mitglied und trat später in die KPD-O[1] ein. In China kämpfte er in der kommunistischen Armee und fiel 1941. Parolen wie „Israel – Kindermörder“ wird man deshalb in China nicht gern hören. Damit wir uns nicht falsch verstehen: China unterstützt die Forderung nach einem unabhängigen palästinensischen Staat und hat vor einem Jahr Abbas gleichzeitig mit Netanjahu in China empfangen. – hbm

 

1] KPD-O, Abkürzung für Kommunistische Partei-Opposition der KPD, s. https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunistische_Partei-Opposition


   
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