Jinan-Info Juni 2017

In der Augsburger Schwesterstadt Jinan hat sich wieder einiges getan

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Nach der Verhaftung des Parteisekretärs der Stadt Ende 2015 erfolgte im Herbst 2016 seine Verurteilung zu 12 Jahren Gefängnis. Damit kam er noch besser weg als sein Kollege Yang Luyu, der frühere Bürgermeister von Jinan. Der wurde noch im Amt vor einem Jahr verhaftet und erhielt jetzt 14 Jahre Gefängnis. In beiden Fällen ging es um Korruption. Sein Stellvertreter Wang Zhonglin wurde jetzt im April auf einer Sitzung des 16. Volkskongresses von Jinan zum Nachfolger gewählt. Vorausgegangen war eine Nominierung als Kandidat im Juni 2016 und eine Überprüfung durch eine Kommission, bei der die Bevölkerung zur Mithilfe eingeladen wurde und sich über Telefon, per Brief oder durch einen Besuch bei der Überprüfungskommission melden konnte, wenn es unterschiedliche Meinungen, Kommentare und Vorschläge zum Kandidaten gab.

Augsburg kann eigentlich stolz sein, dass seine Schwesterstadt korruptionsfrei gemacht wird. Ob unsere Freund_innen in China auch auf entsprechende Botschaften aus Augsburg warten? Aber Jinan kann natürlich mit mehr aufwarten als mit der Verhaftung und Verurteilung von „Tigern“. Ein kleiner Ausschnitt aus diesem Jahr:

Die Wirtschaft boomt

Die Wachstumsraten Jinans sind überdurchschnittlich innerhalb der Provinz Shandong. Das Bruttosozialprodukt der Stadt wuchs von 2011 bis 2016 von über 440 Milliarden Yuan auf über 653 Milliarden Yuan (65 Milliarden Euro). In den hochkommenden Industriebereichen wie Biomedizin und High-End-Ausrüstungen betrugen die Steigerungsraten über 15 Prozent jährlich. Die Einnahmen der Stadt Jinan verdoppelten sich fast und betrugen 2016 rund 64 Milliarden Yuan (8 Milliarden Euro).

Jinan wird älter

Die Pläne für die Versorgung der älteren Menschen laufen an unter dem Motto: “home-based care for the aged”, also häusliche Pflege und Versorgung als Antwort auf die langsam älter werdende Gesellschaft. 1,3 Millionen Menschen in Jinan sind inzwischen über 60 Jahre alt. Bis 2020 wird diese Zahl auf 25 Prozent steigen. Im Moment sind dabei 150 000 von 80 bis 89 Jahre alt, 20 000 90 bis 99 Jahre alt und 600 über 100 Jahre. Deshalb wird ein „All-Inclusive“-Servicesystem errichtet, das städtische und ländliche Bereiche umfassen soll und auf der Kooperation von Regierung, Gesellschaft, Familie und Einzelpersonen aufbaut. Dabei wird auch auf die Entwicklung von Dienstleistungsfirmen- und Industrien geachtet, um den wachsenden materiellen und kulturellen Bedarf der älteren Bevölkerung zu decken. Im Rahmen der nationalen Armutsbekämpfungskampagne wird es eine zusätzliche Herausforderung, sich der besonderen Gefährdungen im Alter zu widmen. Wir werden die Entwicklung weiter beobachten.

Der Immobilienmarkt wird strenger reguliert

Familien, die in Jinan gemeldet sind, dürfen nur noch zwei Wohnungen in Jinan erwerben und Familien von außerhalb nur noch eine Wohnung. Außerdem werden alle Projekte streng überprüft, deren Verkaufspreis mehr als 20 Prozent über den Entwicklungskosten liegt. Bei Verdacht auf Preistreiberei wird eine Vorverkaufsgenehmigung nicht erteilt.

Zwei internationale Schulen wurden gegründet

Die „Jinan Thomas (International) School“ wendet sich vor allem an ausländische, aber auch an chinesische Kinder. Curriculum und Lehrer sollen von der „Thomas Jefferson High School for Science and Technology“ kommen, aber auch von den Universitäten Cambride und Stanford. Das Programm geht vom Kindergarten bis zur Senior High School. Auf dem Schulgelände von 95 000 m² sollen bis zu 3000 Schüler*innen unterrichtet werden. Am 1. September beginnt der Unterricht. Die zweite Schule soll 24 Klassen umfassen. Mehr Informationen liegen dazu noch nicht vor.

Eine Website soll Produkte aus den Schwesterstädten anbieten

Die Website „ jinansistercities.com“ mit Bereichen wie Städteinformation, Tourismus, Bildung, Kultur, Business steht schon, aber nicht alle Angebote (auf englisch und chinesisch) funktionieren bereits optimal. Am Interessantesten ist natürlich die Seite mit den Produkten aus den Partnerstädten, auf der hoffentlich auch bald Waren aus Augsburg zu sehen sind, denn in China wird viel mehr online gekauft als bei uns.

Jinan sucht Zusammenarbeit mit Augsburg Innovationspark

In Anwesenheit von Oberbürgermeister Gribl unterzeichneten im Augsburger Innovationspark am 16. Februar 2017 Zhao Xinsheng, Direktor der Industriezone für neue Materialien Jinan, und Wolfgang Hehl, Geschäftsführer der Augsburg Innovationspark GmbH, eine Kooperationsvereinbarung (s. Abb. 1). Die „Industriezone für Neue Materialien Jinan“ hat auf 22 Quadratkilometern Gewerbegebiete, Wohnbereiche und Flächen für wissenschaftliche Einrichtungen. Zum Vergleich: für den Augsburger Innovationspark bei der Universität ist eine Fläche von 70 ha vorgesehen, das sind 0,7 Quadratkilometer. Mit einer Schwerpunktsetzung auf den Bereich der Neuen Materialien setzt die Industriezone Jinan an den Stärken des Wirtschaftsstandorts Jinan an, wo bereits weltweit beachtete Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen für Neue Materialien und Firmen der Fahrzeug-, der Chemie- und der Elektronikindustrie mit einer hohen Nachfrage nach innovativen Werkstoffen existieren. InSITE BAVARIA, das zu einer Tochtergesellschaft der TU München gehört und in Jinan beratend tätig ist, hat als Kompetenzzentrum für Standortentwicklung wesentlich zu dieser Vereinbarung beigetragen.[1] Festgelegt ist darin ein regelmäßiger Meinungs- und Erfahrungsaustausch und die Förderung von Unternehmenszusammenarbeit und Kooperationen von wissenschaftlichen Institutionen in Augsburg und Jinan. Dieses erste internationale Projekt des Innovationsparks ist auch ein Novum in Deutschland. Ähnliche Kooperationen zweier Hightech-Industrieparks in Deutschland und China sind bisher nicht bekannt.

Abbildung 1: Zhao Xinsheng (links), Direktor der Industriezone für neue Materialien Jinan, und Wolfgang Hehl, Geschäftsführer der Augsburg Innovationspark GmbH, mit der Kooperationsvereinbarung. Nach: InSITE BAVARIA Foto: Mit freundlicher Genehmigung Augsburg Innovationspark GmbH

Ein Lob gebührt hier auch einmal OB Gribl, der die von seinem Vorgänger begründete Städtefreundschaft weiter ausgebaut und sich persönlich stark engagiert hat. Auffällig ist, dass die Grünen und die Linke in Augsburg bisher keine vergleichbaren China-Aktivitäten zeigen. Die einen wohl aus grundsätzlicher Abneigung gegen die VR China, die anderen aus einfacher Ignoranz. So wundert es auch nicht, dass zwar führende CSU- und SPD-Repräsentant_innen schon lange in der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft Augsburg e. V. tätig sind, aber die Grünen und die Linke diesen für die Entwicklung der Städtepartnerschaft so wichtigen Verein bisher immer ignoriert haben.

Kulturaustausch zwischen Jinan und Augsburg geht weiter

Auf dem Internationalen Chorfestival 2017 in Jinan soll auch der Augsburger Philharmonische Chor teilnehmen. Bei einem Besuch von Wolfgang Vonk im November 2016 in Jinan wurden Einzelheiten einer Teilnahme diskutiert. Dabei wurde von Vertretern der „Jinan Association of Literature and Art“ noch einmal die Bedeutung der einzigartigen Veröffentlichung „Tales of Two Cities“ hervorgehoben, die Texte von Schriftsteller_innen aus Augsburg und Jinan umfasst und in Deutsch und Chinesisch erschienen ist.[2] (s. Abb. 4 und 5)

Abbildung 2 und 3: Gleichzeitig mit dem Zusammentreffen der Augsburger Schriftsteller und dem Schriftstellerverband von Jinan im Jahr 2012 fand der „Cultural Exchange und Water Culture Workshop“ mit allen „Sister Cities“ in Jinan statt. Es waren Vertreter von ca. 15 Städten da, die gemeinsam ein Dokument unterzeichnet haben im Sinne von Kooperation und Synergie. Der Augsburger Schriftsteller Andreas Nohl unterzeichnete das Dokument offiziell in Vertretung des Augsburger Oberbürgermeisters.
 
 
 
 
 

 

 

 

 

 

Neujahrfeier in Kfar Saba, der israelischen Schwesterstadt von Jinan

Die Bindungen der beiden Schwesterstädte Kfar Saba und Jinan werden immer enger. Dies drückte sich auch in einer gemeinsamen Feier des Chinesischen Neujahrs in Kfar Saba aus. Bürgermeister Yehuda Ben Hamo, der schon mehrmals Jinan besucht hat, lobte in seiner Ansprache die guten und freundschaftlichen Beziehungen und feierte am Abend des 31. Januars gemeinsam mit Bürgern von Kfar Saba und einer Delegation aus Jinan und den in Kfar Saba arbeitenden Chinesen das neue Mondjahr. Da in Augsburg kürzlich eine Partnerschaft mit einer israelischen Stadt angeregt wurde, wäre ja eine Kontaktaufnahme mit Kfar Saba überlegenswert. Ein Partnerschaftsdreieck Augsburg-Jinan-Kfar Saba könnte interessant werden und viel zum Abbau von Vorurteilen beitragen.

Abbildung 4: Die deutschen Autoren: Lydia Daher (Lyrikerin), Peter Dempf (Romancier), Eva Leipprand (Erzählerin, Kritikerin), Andreas Nohl (Erzähler, Essayist, Übersetzer), Sebastian Seidel (Dramatiker), Thomas von Steinaecker (Romancier), Dieter Walter (Romancier). Die chinesischen Autoren: Haicheng (Romancier), Jian Mo (Lyrikerin, Kalligraphin), Zhu Wenxing (Esayist), Zhang Ke (Essayist), Sun Guozhang (Lyriker), Liu Zhaoru (Erzähler), Hou Lin (Kritiker, Feuilletonist).
Kurt Gribl sagte bei der Buchpräsentation im April 2014 in seinem Grußwort im sensemble Theater, dass die beiden Bücher „konkret gelebte Städtepartnerschaft“ bedeuteten.
Auch Ex-Kanzler Schröder lässt sich in Jinan sehen und beeindrucken

Zu den erfreulichen Leistungen von Gerhard Schröder zählt neben der Nichtbeteiligung am Irakkrieg der Ausbau der Beziehungen zu China. Jetzt wurde Schröder als alter Freund Chinas in der Augsburger Schwesterstadt empfangen und konnte sehen, wie ein hohes Wirtschaftswachstum und massiv steigende Löhne gut vereinbar sind, ja eine starke Binnennachfrage und eine staatliche Steuerung der Wirtschaft geradezu Voraussetzung für eine nachhaltige und qualitative Weiterentwicklung sind.

Seehofer lobt, dass Jinan so „sauber und ordentlich“ ist

Am 11. Mai dieses Jahres empfing Wang Wentao, Sekretär des Stadtkommitees der KP Chinas den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Beide stimmten darüber überein, dass das Wohlergehen der Menschen durch eine gezielte Wirtschaftsentwicklung gefördert werden muss. Seehofer zeigte sich sogar ein wenig „eifersüchtig“ angesichts der Erfolge der Shandong-Provinz beim Wirtschaftswachstum und der rapiden Hebung des Lebensstandards. Als Seehofer seine Bewunderung ausdrückte, wie „sauber und ordentlich“ Jinan sei, meinte Parteisekretär Wang Wentao schmunzelnd, die Bemerkung verdiene eine Schlagzeile in den Medien. Wenigstens unsere Website folgt dieser Aufforderung gerne. Aber wir erwähnen natürlich auch, dass Wang Wentao auf „weniger gute Dinge in Jinan“ und viele ungelöste Probleme hinwies, die mit weiterer Entwicklung und Reformen schließlich zu einem guten Ende geführt werden müssten. Beide Politiker waren sich einig, dass die weitere Festigung und der Ausbau der Provinzpartnerschaft in vielen Bereichen wie z. B. Wirtschaft und Handel, Wissenschaft und Technologie, Sport und Umweltschutz in beiderseitigem Interesse seien. Loben wir hier auch einmal auf dieser Website die Bayerische Staatsregierung!

Hansjörg Bisle-Müller, 31. Mai.2017

 

Abbildung 5: (von links) Andreas Nohl, Übersetzerin Mingmei, Zhang Ke, Präsident des Schriftstellerverbandes von Jinan, seine Frau und sein Sohn, Sebastian Seidel, Jinan, 2014-10-25  Foto: Sebastian Seidel

 

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1] „Augsburg Innovationspark und Industriezone für neue Materialien Jinan unterzeichnen Kooperationsvereinbarung. Partnerschaft soll konkrete wirtschaftliche Erfolge bringen“. Insite Bavaria, 20. Februar 2017. http://www.insite-bavaria.de/de/info-center/blog/.

2] s. Tales of Two Cities, Buchpräsentation, 30.4.2014, sensemble Theater http://www.sensemble.de/termin/tales-two-cities-300514


   
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